„Man darf keine Angst vor dem Wandel haben!“
Interview mit Pierre Brunel, CEO der Aon Schweiz AG

Wirtschaftsforum: Herr Brunel, Aon ist weltweit für seine umfassenden Versicherungs- und Risikomanagementdienstleistungen bekannt. Worauf konzentrieren sich Ihre Aktivitäten in der Schweiz genau?
Pierre Brunel: Wir sind wahrscheinlich der einzige Risikoberater, der die Gesamtheit aller denkbaren Lösungen für unsere B2B-Kunden bereithält – von der direkten Vermittlung von Versicherungsprodukten über Rückversicherungsdienstleistungen bis hin zur Unterstützung bei Fusionen und Übernahmen sowie einer umfassenden Risikoberatung. Bis vor einigen Jahren hat sich Aon dabei noch vornehmlich auf die Versicherungsvermittlung und die Abwicklung der damit einhergehenden Transaktionen fokussiert; inzwischen sind jedoch erweiterte Service- und Consulting-Leistungen in den Vordergrund gerückt. Dies ist nicht zuletzt auf die zunehmenden geopolitischen Spannungen sowie die Zunahme an Cyberangriffen in den vergangenen Jahren zurückzuführen, die gerade multinationale Unternehmen vor immer komplexere Herausforderungen stellen. Diese profitieren daher umso mehr von einem starken Partner wie Aon, der in diffizilen Themenfeldern wie diesen über umfangreiche Expertise verfügt.
Wirtschaftsforum: Gleichzeitig sorgt die Digitalisierung für tiefgreifende Veränderungen in der Versicherungswirtschaft – trägt diese Entwicklung zu einer Entmenschlichung Ihres Geschäftsfeldes bei?
Pierre Brunel: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Die Digitalisierung ist notwendig und inzwischen unverzichtbar – auch Aon hat in den letzten Jahren große Investitionen in Data-Analytics-Prozesse getätigt, damit wir die Risiken, denen unsere Kunden ausgesetzt sind, und ihr Marktumfeld noch besser verstehen können. Am Ende dieses Prozesses stehen jedoch immer noch konkrete, individuell erarbeitete Lösungen sowie im besten Falle langjährige Partnerschaften, die nur auf wechselseitigem Vertrauen gründen können. Gerade in diesem Kontext wird der persönliche Kontakt im B2B- wie im B2C-Segment unverzichtbar bleiben. Das Ziel der Digitalisierung kann somit keineswegs in einer Entmenschlichung unseres Wirtschaftszweiges gründen, sondern nur in einer Straffung der Prozesse, einer besseren Benutzererfahrung und einem holistischeren Blick auf alle relevanten Themenfelder.
Wirtschaftsforum: Worin unterscheidet sich der Ansatz von Aon dabei von anderen Marktteilnehmern?
Pierre Brunel: Wir agieren an insgesamt zehn Standorten in der Schweiz und richten unsere Tätigkeit voll und ganz auf die spezifischen Anforderungen unserer lokalen Partner aus. Unser dynamisches Team aus 380 Mitarbeitenden bietet zielgerichtete Lösungen an und gleichzeitig können wir die geballte Schlagkraft eines multinationalen Unternehmens fokussiert einsetzen; wir haben Zugriff auf globale Ressourcen und einen breiten Pool an Fachexperten. Damit vereinen wir gewissermaßen das Beste aus beiden Welten – und fühlen uns deshalb oft wie ein dynamisches Start-up inmitten eines Weltkonzerns.
Wirtschaftsforum: Wie gestalten Sie dabei den tiefgreifenden Wandel, der sich gerade in der Versicherungswirtschaft Bahn bricht?
Pierre Brunel: Wandel sollte meiner Ansicht nach nicht als Problem dargestellt werden – denn Wandel gibt es schließlich immer auf irgendeine Weise und Wandel birgt immer viele Chancen, die es zu ergreifen gilt. Man darf keine Angst vor Veränderungen haben und muss entsprechend flexibel bleiben. Deshalb ist es mir als CEO ein besonderes Anliegen, junge Talente zu fördern und ihnen frühzeitig Verantwortung zu übertragen, damit sie ihre Kreativität ausleben können und unser Unternehmen vorantreiben. Angesichts der digitalen Transformation muss sich unser Berufsbild in der Tat ein Stück weit neu erfinden – und auch hier spielen junge Mitarbeitende für mich eine wichtige Rolle. Dies spiegelt sich auch in unserem Executive Committee in der Schweiz wider: Drei unserer elf Mitglieder sind zwischen 30 und 35 Jahre alt; der Mix aus jüngeren und älteren Kolleg:innen bringt uns weiter und ist unsere Stärke. Weiterhin ist Aon Schweiz seit diesem Jahr offizielles Mitglied bei Advance, dem führenden Wirtschaftsverband für Geschlechtergleichstellung in der Schweiz. Darauf bin ich sehr stolz, denn ich bin überzeugt davon, dass nur eine integrative und offene Unternehmenskultur in der Zukunft Bestand haben wird – in der Versicherungswirtschaft wie in jeder anderen Branche auch.