Es kann so einfach sein!

Interview mit Istok Kespret, Geschäftsführer der HMM Deutschland GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Kespret, Deutschland lag lange Zeit, was die Digitalisierung des Gesundheitswesens angeht, hinter vielen anderen Ländern zurück. Nun wurden die Weichen gestellt, um das zu ändern – Stichwort elektronische Patientenakte. Die HMM beschäftigt sich seit langem mit dem digitalen Austausch von Daten im Gesundheitswesen. Wie kam es dazu?

Istok Kespret: HMM ist nicht nur die Abkürzung für Healthcare Management, sondern auch eine starke Marke. Entstanden ist das Unternehmen nach der Jahrtausendwende, als die Börse zusammenbrach und für viele eine ‘Saure-Gurken-Zeit’ anbrach. Ich habe damals bei einem Unternehmen gearbeitet, das Software für Banken machte. Irgendwann bekam ich einen Anruf von einem Freund eines Freundes eines Freundes. Bei dem Gespräch ging es unter anderem um ein Online-Lager für gebrauchte Hilfsmittel. Krankenkassen benötigten eine Verwaltungssoftware; wir haben sie programmiert und das Ganze dann zusammen groß aufgezogen. Das war der Startschuss für das Unternehmen HMM.

Wirtschaftsforum: Wie ging es weiter?

Istok Kespret: 2005 haben mein Partner Michael Bohl und ich eine neue Firma gegründet und die Plattform ZHP – eine Abkürzung für Zentrale Healthcare Plattform – für den digitalen Datenaustausch weiter ausgebaut. Als 2008 eine sehr große Krankenkasse beschließt, mit ZHP zu arbeiten, war das ein echter Boost.

Wirtschaftsforum: Die Zusammenarbeit mit dieser Krankenkasse war damit ein wichtiger Meilenstein. Wie sah die Dynamik danach aus?

Istok Kespret: Wir hatten 2005 fünf Kunden, 2008 circa 50 und 2011 dann knapp 12.000. Im Laufe der Zeit sind immer mehr Krankenkassen auf uns zu gekommen, sodass heute ein großer Teil des genehmigungspflichtigen Hilfsmittelgeschäftes in Deutschland über die HMM abgewickelt wird, das andere Geschäft läuft über zwei weitere Marktteilnehmer. Die HMM wickelt knapp fünf Millionen Versorgungen im Jahr mit einem Volumen von ca. 2,2 Milliarden EUR ab.

Wirtschaftsforum: Was kennzeichnet die HMM heute?

Istok Kespret: Wir sind ein schlanker Dienstleister mit 220 Mitarbeitern. Neben Moers gibt es weitere Standorte in Berlin sowie in Rumänien, wo bestimmte Entwicklungsdienstleistungen outgesourct wurden. Krankenkassen, Hilfsmittel- und Heilmittelerbringer, Taxiunternehmen und häusliche Pflegebetriebe profitieren von unseren Lösungen – von Antragsbearbeitungen über die Genehmigung bis hin zur Zahlung.

Wirtschaftsforum: HMM ist Vorreiter und Marktführer. Was macht das Unternehmen anders als Andere?

Istok Kespret: Das Thema Hilfsmittel ist komplex. Vom Rezept über den Antrag bei den Krankenkassen, die Prüfung und Genehmigung bis hin zur Lieferung und Abrechnung haben wir es mit einem komplizierten Prozedere zu tun. HMM deckt die unterschiedlichsten Schritte mit effizienten Lösungen ab. Wir sind die einzige Firma in Deutschland, die sämtliche Bereiche, sowohl den digitalen Endpunkt beim Arzt als auch bei Krankenkassen, Abrechnern und Leistungserbringern, abdeckt. Es gibt Wettbewerber, die in einzelnen Bereichen sehr gut sind, allerdings macht das kein anderer Dienstleister in der Summe.

Wirtschaftsforum: Was genau ist der Vorteil für die Kunden?

Istok Kespret: Bei großen Kunden rufen täglich 2.000 Menschen an, die im Durchschnitt viele Minuten lang ein Gespräch führen, um Probleme zu klären. Für die Krankenkassen entstehen so immense Kosten, obwohl das Wissen in Plattformen vorhanden ist; es muss nur zu Kunden transportiert werden. Stellen Sie sich einen Kunden vor, der täglich 10.000 Kostenvoranschläge bekommen würde, die allesamt zu prüfen sind. In der Vergangenheit brauchten Krankenkassen dafür sehr große Abteilungen, und trotzdem konnte sich die Bearbeitung eines Antrags über Wochen hinziehen. Das war dem Patienten nicht mehr zuzumuten. Unsere Plattform sorgt für einen schnellen, einfachen Ablauf. Wir haben die Software stetig weiterentwickelt, sodass heute 70% der Anträge automatisch vorbereitet werden und die Fälle dann auch sofort automatisch oder nach einer Kontrolle durch Mitarbeiter innerhalb kürzester Zeit entschieden werden können. Danach integrieren wir automatische Abrechnungssysteme, die einen bis dato sehr papierbehafteten Prozess abgelöst haben. Mittlerweile – nach Jahren der Erprobung – läuft das Verfahren so reibungslos, dass es als neues Abrechnungsverfahren in das entsprechende Gesetz aufgenommen wurde.

Wirtschaftsforum: Haben Sie für die Zukunft eine Vision?

Istok Kespret: Unsere Vision ist, dass wenn ein Patient beim Arzt zum Beispiel einen Rollstuhl verordnet bekommt, er noch am gleichen Tag einen Anruf vom Sanitätshaus bekommt. Er soll direkt zur Beratung mitgenommen werden und den Rollstuhl – von der Krankenkasse geprüft und genehmigt – mit nach Hause nehmen können. Der Prozess wäre damit um den Faktor 1.000 beschleunigt, der Kunde, der Hilfsmittelversorger und die Krankenkasse restlos zufrieden. Uns macht es Spaß, für mehr schlanke Prozesse zu sorgen und wir werden alles tun, um die Versorgungssituation der Patienten einfacher und besser zu machen.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

Selten – und doch nicht allein

Interview mit Markus Karmasin, Geschäftsführer von Kyowa Kirin DACH und Dr. Holger Storcks, Director Corporate Affairs der Kyowa Kirin GmbH

Selten – und doch nicht allein

Seltene Erkrankungen fallen im deutschen Gesundheitssystem oft durchs Raster – zu diesem Urteil kommt Markus Karmasin, Geschäftsführer von Kyowa Kirin DACH. Das japanische Pharmaunternehmen hat sich auf genau diese vernachlässigten…

Medizin, die zuhört und weiterdenkt

Interview mit Florian König, Geschäftsführer der HNO-Klinik Bogenhausen Dr. Gaertner GmbH

Medizin, die zuhört und weiterdenkt

Die Gesundheitsbranche in Deutschland befindet sich im tiefgreifenden Wandel: Kostendruck, Fachkräftemangel, Digitalisierung und die Krankenhausreform stellen Kliniken vor enorme Herausforderungen. Gerade in diesem Umfeld zeigen kleinere, spezialisierte Häuser, wie patientennahe…

„Brauchen Aufklärung und Entstigmatisierung“

Interview mit Matthias Glaser, Geschäftsführer der Canopy Growth Germany GmbH

„Brauchen Aufklärung und Entstigmatisierung“

Cannabis ist nicht nur ein Lifestyle-Produkt. Als Tochter des kanadischen Mutterkonzerns Canopy Growth Corporation vertreibt die Canopy Growth Germany GmbH mit Sitz in St. Leon-Rot medizinisches Cannabis und steht dabei…

Spannendes aus der Region Kreis Wesel

Innovative Armaturen mit Präzision, die begeistern

Interview mit Bernd Jenner, Geschäftsführer der Pfeiffer Chemie-Armaturenbau GmbH

Innovative Armaturen mit Präzision, die begeistern

Als Spezialist für ausgekleidete und metallische Armaturen ist die Pfeiffer Chemie-Armaturenbau GmbH ein wichtiger Partner der Industrie. Seit über 50 Jahren verbindet das Unternehmen technologische Expertise mit globaler Präsenz. Geschäftsführer…

Kochen in großem Stil

Interview mit Robert Brokelmann, Geschäftsführer der ELRO Großküchen GmbH Deutschland

Kochen in großem Stil

Qualität, Präzision und Langlebigkeit von Produkten sind Assoziationen, die gern mit der Schweiz in Verbindung gebracht werden – und die kein Klischee sind. Das stellen die Kochsysteme der ELRO-WERKE AG…

„Jedes Denkmal  erzählt eine  Geschichte!“

Interview mit Christian Baierl, Geschäftsführer der renaissance Immobilien und Beteiligungen Aktiengesellschaft

„Jedes Denkmal erzählt eine Geschichte!“

Historische Gebäude zu bewahren und in die Zukunft zu führen, ist das Leitmotiv der Renaissance Immobilien und Beteiligungen AG. Unter Führung von Christian Baierl hat sich das Unternehmen auf die…

Das könnte Sie auch interessieren

Brücken bauen mit Molekülen

Interview mit Dr. Oliver Seidelmann, Geschäftsführer der ChiroBlock GmbH

Brücken bauen mit Molekülen

Innovative Chemie ist der Schlüssel für viele Zukunftsfragen – von nachhaltigen Produktionsmethoden bis hin zu medizinischen Lösungen. Mitten im Chemiepark Wolfen hat sich die ChiroBlock GmbH seit 1999 zu einem…

Eine Behandlung aus einem Guss

Interview mit Prof. Dr. med. Martin Kriegmair, Geschäftsführer der Medical Team Clinic GmbH

Eine Behandlung aus einem Guss

Die Urologische Klinik München-Planegg bietet ihren Patienten das gesamte operative Behandlungsspektrum einschließlich sämtlicher adjuvanter Therapien in einem Haus an. Inhaber Prof. Dr. Martin Kriegmair erläuterte im Interview mit Wirtschaftsforum, warum…

Supply-Chain-as-a-Service für Spezialarzneien

Interview mit Christoph Staub, Geschäftsführer der Allpack Group AG

Supply-Chain-as-a-Service für Spezialarzneien

Während Massenarzneimittel wie frei verkäufliche Schmerzpräparate millionenfach produziert und vertrieben werden, gestaltet sich das Geschäft mit Orphan Drugs für seltene Krankheiten deutlich komplexer: Das gilt auch für die Verpackung, Etikettierung…

TOP