Wohnimmobilien in Corona-Zeiten: Wie haben sich Kauf- und Mietpreise entwickelt?

Ländliche Gebiete werden teurer – ökologische Erneuerung wird neuer Preistreiber

Von Alexander Surminski, Geschäftsführer immocation.de

Keiner hätte damit gerechnet, dass die Krise, die so viele Branchen direkt und indirekt erfass-te, ausgerechnet auf dem Wohnungsmarkt kaum Spuren hinterlässt. Mehr noch: Das Pendel schlug an mancher Stelle in die andere Richtung aus. Die Miete und besonders die Kaufpreise stiegen weiter, besonders allerdings in B- und C-Lagen. Trotzdem hat Covid-19 durchaus einen Anteil am Preisauftrieb bei Wohnimmobilien. Wie und wo genau, das hat die International Real Estate Business School (IREBS) jüngst in der Studie „Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die deutschen Wohnungsmärkte“ für die Hans-Böckler-Stiftung dargelegt. Die Kernaussagen: Zwischen dem ersten Quartal 2020 und zweiten Quartal 2021 sind die Mieten bei Neuverträgen im Neubau bundesweit um 5,2 Prozent gestiegen, im Bestand um 4,7 Prozent. Lediglich 1,1 Prozent davon sind coronabedingt, im Bestand sogar nur 0,4 Prozent, wie Wissen-schaftler festgestellt haben.

Stadtflucht setzt ein – aber nur minimal

Immer wieder wurde behauptet, dass in Zeiten von Heimarbeit, Schulschließungen und Stilllegung des öffentlichen Lebens ländliche Gebiete für Wohnungssuchende attraktiver geworden sind. Eine gewisse Stadtflucht lässt sich tatsächlich nachweisen, aber nur minimal. So heißt es in der Untersuchung: „Die Pandemie hat also tendenziell eher die Nachfrage im Umland und ländlichem Raum und zu Lasten der Kernstädte gestärkt und dort für zusätzlichen Miet- und Preisauftrieb gesorgt, wobei der Preiseffekt größer war als der Mieteffekt.“ In kreisfreien Großstädten legte der Mietzins im Untersuchungszeitraum nur um 4,1 Prozent zu, in „ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen“ waren es bereits 5,8 Prozent. Spitzenreiter allerdings sind die dünn besiedelten ländlichen Kreise mit 6,6 Prozent. Dabei gibt es nach oben hin große Ausreißer, wie Lüchow-Dannenberg (plus 17,5 Prozent) oder im Berliner Umland die Landkreise der Oder-Spree-Kreis (17,4 Prozent) und Barnim (17 Prozent). Erst an 58. Stelle folgt mit Pirmasens (8 Prozent) die erste kreisfreie Stadt.

B- und C-Lagen mit überdurchschnittlicher Teuerung

Der Befund ist eindeutig und so betonen die Autoren denn auch im Fazit: „Es kann geschlussfolgert werden, dass die Mieten und Preise auf dem Land nicht nur mit, sondern auch wegen der COVID-19-Pandemie gestiegen sind.“ 0,9 Prozentpunkte haben sie als Coronaeffekt gemessen. Immerhin, aber doch im Rahmen. Gleichzeitig hat sich das enorme Mietwachstum in den Großstädten verlangsamt, im Gegensatz zu den Kaufpreisen. Nun legen aber – weitestgehend unabhängig von Corona – die B- und C-Städte und -Regionen mächtig zu. Was sind dort die Treiber?

Einige Hauptfaktoren gehören zu den Klassikern: Nachfrage, Einkommen und Wohnpräferenzen zählen dazu, darunter vor allem die Größe der Wohnung. Auf der Käuferseite, also jenen Akteuren mit Renditeerwartungen, sind es niedrige Zinsen und fehlende andere Anlagemöglichkeiten. Die Kaufpreise wiederum, die deutlich stärker zugelegt haben als die Mieten, werden und wurden besonders durch explodierte Grundstückspreise getrieben – und spätestens seit diesem Jahr durch Materialkosten, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Durch die Bank verteuerten sich Baustoffe, ein paar Elemente ragen jedoch besonders heraus: Die Preise von Konstruktionsholz legten binnen eines Jahres um 80 Prozent zu, Bitumen um 60 Prozent. Die Teuerungsrate insgesamt im Wohnungsbau beträgt zwischen August 2020 und August 2021 12,6 Prozent, vor allem wegen gestiegener Materialpreise, aber auch Löhnen.

Kein Wunder, dass die Mietkostenbelastung von 15 Prozent im Jahr 2011 auf knapp 17 Prozent in 2020 anstieg – also der Anteil, den die Nettokaltmiete am Haushaltseinkommen hat: Angesichts der zentralen Bedeutung einer Wohnung für unser Leben ist das immer noch erstaunlich wenig. In der Tat rechnen die meisten anderen Institute anders, darunter auch das wirtschaftsnahe IW. Ausgerechnet in der aktuellen Studie für eine Gewerkschaftsstiftung werden indes die realen – und weniger dramatisch klingenden – Preise genannt, nämlich ohne Nebenkosten. Schließlich hat mit deren Höhe ein Vermieter nichts zu tun. Dennoch stiegen die Mieten deutlicher als das verfügbare Einkommen – und mit 44 Prozent seit 2009 auch stärker als die Inflation, die nur 16 Prozent auf die Waage brachte. Allerdings dürfte die Inflation, die nun bei vier bis fünf Prozent liegt, künftig einer der Hauptakteure beim Preisauftrieb sein. Zu ihm hat sich längst ein anderer gesellt.

Grüne Preistreiber

Denn ein mächtiger Marktfaktor wird von Medien, Politikern, Immobilienunternehmern und Marktexperten meist ausgeblendet: Der direkte Zusammenhang zwischen einer „grünen Erneuerung“ der Branche sowie steigenden Mieten und Kaufpreisen ist nicht von der Hand zu weisen. Und so reichen schon heute die Erträge aus Mieteinnahmen oft nicht aus, um diesen Modernisierungsprozess auszuweiten. Landesregierungen und natürlich die künftige Bundesregierung werden allerdings auf eine stärkere ökologische Wende drängen und diese als ‚alternativlos‘ erklären. So werden die Preise noch mehr unter Druck gesetzt. Auf gut Deutsch: Das ohnehin schon knappe und teure Angebot trifft auf eine explodierende Nachfrage. Wo aber soll das Geld für die Investitionen herkommen? Natürlich vom Mieter. Dämmstoffe haben sich übrigens um 40 Prozent verteuert.

Mieten werden und müssen daher weiter steigen, um all diese politischen Wünsche und Vorgaben zu erfüllen. In den meisten Groß- und A-Städten dürfte dabei nicht mehr viel Spielraum beim Mietzins sein. Anders jedoch in den B- und C-Lagen. Die sind zwar die Einkommen niedriger, aber nicht im selben Maße wie die Miete.

Der Immobiliensektor produziert ein Drittel der Emissionen und damit mehr als der Autoverkehr. Ein stärkeres Bewusstsein für intelligente ökologische Lösungen und besonders deren Unterstützung wäre daher sehr zu begrüßen. Staatliche Förderungen könnten beispielsweise diesen Preistreiber abfedern (wobei das Geld gleichzeitig den Steuerzahlern weggenommen werden würde). Dabei gibt es bereits gute Anreize für eine freiwillige energetische Sanierung durch Immobilieneigentümer, besonders über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die KfW. Ich gehe aber davon aus, dass ökologischen Sanierungen für Immobilien-eigentümer verpflichtend werde. Zwar ist der Koalitionsvertrag noch in gewisser Ferne. Doch weitere Belastungen und Vorschriften aufgrund der grünen Politik aller Parteien werden kommen. Immobilienbesitzer und Investoren haben dann keine Wahl mehr und sollten dafür noch mehr Rücklagen bilden, um diese finanziellen Mehrbelastungen zu stemmen. Denn steuerliche Erleichterungen wird es hier kaum geben.

Investoren müssen also die Rechnung durchreichen – sofern es die Politik erlaubt und nicht mit stärker ausgebauten Mietenbegrenzungen die Kalkulation zerstört.

Alexander Surminski ist seit Januar 2021 Geschäftsführer von immocation.de, einem Münchener Ausbildungsunternehmens mit Schwerpunkt Wissenstransfer. Zuvor arbeitete Surminski unter anderem als Director bei onvista (2017-2020), Managing Director von ayondo und weiteren international ausgerichteten Finanzunternehmen. Ziel der Münchener ist es, Menschen mit starkem Interesse für Immobilienthemen, ein möglichst breit gefächertes Know-how für den eigenen Vermögensaufbau zu vermitteln.

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