Wenn Tradition und Innovation in der Waagschale liegen

Interview mit Andreas W. Kraut, CEO und Gesellschafter Bizerba SE & Co. KG

Wirtschaftsforum: Herr Kraut, Bizerba kann auf eine lange Historie zurückblicken und hat mehr als einmal seine Position als Pionier auf dem Gebiet der Wägetechnologie unter Beweis gestellt. Was waren die wichtigsten Meilensteine?

Andreas W. Kraut: Unser Unternehmen wurde 1866 in Balingen im Schwabenland von Andreas Bizer gegründet. Er hat damals die erste Stadtwaage gebaut. Anfang des 20. Jahrhunderts heiratete seine Tochter Anna den Professor Wilhelm Kraut, der die Elektrizität nach Balingen gebracht hat. 1924 hat Wilhelm Kraut mit seinen Meistern Hauser und Schlaich die erste Neigungsschaltgewichtswaage der Welt entwickelt. Mit dieser sogenannten Schnellwaage wurden die Gewichte überflüssig und damit haben wir den Durchbruch erlangt und sind in Deutschland Marktführer geworden. 1951 kam die Bizerba-OP – das Rechenwunder auf den Markt als weltweit erste optisch-preisanzeigenden Ladenwaage. Das war auch noch einmal ein Riesenschritt, da sie viel Zeit gespart und viele Fehlerquellen eliminiert hat. Das hat uns nach dem 2. Weltkrieg wieder voran gebracht in Deutschland und Europa. Auch wenn die Ära der mechanischen Waagen in den 1960er zu Ende ging, ist das Thema Wiegen noch immer ein Hauptbestandteil unseres Produktportfolios. Die Elektronik kam hinzu und bereits Ende der 60er haben wir die ersten Schritte in Richtung der digitalen Wägetechnik unternommen. Themen wie das Schneiden und Etikettieren hinzu und später auch die Software. Wir sind immer ein technisch orientiertes Unternehmen gewesen und haben uns immer über Innovationen definiert.

Wirtschaftsforum: Was ist heute Kern Ihres Produktportfolios?

Andreas W. Kraut: Wir bieten Lösungen rund um das Gewicht. Das sind vor allem Computer mit Wägetechnologie und verschiedenen Funktionen. Die Software ist eigentlich maßgeblich, und auch wenn wir klassisch von den mechanischen Geräten kommen, haben wir mittlerweile mehr Softwareentwickler als Mechaniker im Haus. Die digitale Transformation spielt auch in unserer Branche eine entscheidende Rolle. Wir selbst aber auch unsere Kunden sind an den entscheidenden Schnittpunkten, was uns für die Zukunft riesige Chancen eröffnet, die wir auch ergreifen wollen. Unser Angebot umfasst Produkte und Lösungen für die Tätigkeiten Schneiden, Verarbeiten, Wiegen, Kassieren, Prüfen, Kommissionieren und Auszeichnen. Es geht mehr und mehr darum, Lösungen und nicht nur ein einfaches Produkt anzubieten. Mit MyBizerba bieten wir so eine Komplettlösung an. Wir schaffen exakt auf die Anforderungen unserer Kunden abgestimmte Lösungen aus Hardware, Software, Services, Labels und Finanzierung. Der Service ist ein wichtiges Element, denn über unsere Produkte wird verkauft und produziert. Wir bieten deshalb unter anderem Wartungsverträge und Click-and-Charge-Modelle für die Etiketten. Das sind sehr komplexe Lösungen. Aus diesem Grund sehen wir uns als Berater unserer Kunden und nicht nur als ihr Verkäufer. Das geht bei der Entwicklung der Produkte los, über Sales und Service bis hin zur Supply Chain. Das ist in meiner Generation die Herausforderung, meine Herausforderung als Geschäftsführer und Gesellschafter in der fünften Generation, uns mit diesen Geschäftsmodellen am Markt zu positionieren, mit Paketen, die einzigartig für unsere Kunden sind. Das erfordert auch einen Change Prozess bei allen Mitarbeitern weltweit. Die kulturelle Veränderung ist die Basis für das Gelingen. Es ist entscheidend die Menschen mitzunehmen, damit sie uns auf diesem Weg begleiten. Wir müssen ganz viel Wissen und Vertrauen auf die neuen Prozesse und Themen transformieren.

Wirtschaftsforum: Bizerba kann auf eine Geschichte von über 150 Jahren zurückblicken. Welche Themen werden die Zukunft Ihres Unternehmens bestimmen?

Andreas W. Kraut: Das Thema Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit ist neben der Digitalisierung für uns das zweite wichtige Thema und prägt unsere Denkweise und Ausrichtung in den nächsten Jahren. Wir stellen uns die Frage, wie nachhaltig wir unsere Lösungen entwickeln und produzieren und welche nachhaltigen Lösungen wir unseren Kunden bereitstellen. So streben wir eine CO2-Reduktion an, zum Beispiel durch Photovoltaik und energiesparende Speicherung. Viele unserer Produkte werden wieder aufbereitet, wir reparieren zum Beispiel Leiterplatten, Gebrauchtgeräte und Komponenten. Außerdem sollen unsere Verbrauchsmaterialien, die Etiketten, kompostierbar sein.

Bizerba SE & Co. KG
Wilhelm-Kraut-Straße 65
72336 Balingen
Deutschland
+49 7433 12-0
+49 7433 12-2696
info(at)bizerba.de
www.bizerba.com

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Aktuellste news

Bayern Innovativ lädt zum königlichen Empfang mit KI-Avatar von Visoric

Bayern Innovativ lädt zum königlichen Empfang mit KI-Avatar von Visoric

Wie Künstliche Intelligenz historische Figuren zum Leben erweckt: Beim Jubiläum von Bayern Innovativ zeigte Visoric, wie KI-Avatare Events, Messen und Markenwelten emotional bereichern.…

Der richtige Aufbau der Webseite

Bausteine digitaler Exzellenz: Wie saubere Architektur und innovative Web-Standards den perfekten Webseiten-Aufbau formen

Der richtige Aufbau der Webseite

Eine schlüssige Webseite erwächst nicht aus improvisierten Bausteinen; ihr Ursprung liegt in einem präzise getakteten Zusammenspiel von Struktur, Design und inhaltlicher Dramaturgie. Suchmaschinen bewerten Ordnung, Besucher verweilen bei Klarheit, Stakeholder…

Kommentar: Proxmox 8.4 Release - Produktpflege mit Backup-API

Kommentar: Proxmox 8.4 Release - Produktpflege mit Backup-API

Mit Version 8.4 des Proxmox Virtual Environment geht die Proxmox Server Solutions GmbH weitere Schritte in Richtung der Professionalisierung ihres Produkts. Wir haben uns für Sie angesehen, welche Neuerungen es…

Aktuellste Interviews

Farben, die funktionieren – mit Borchers Additiven

Interview mit Dietmar Helker, EMEA Applications & Co-Supplier Leader der Bochers GmbH

Farben, die funktionieren – mit Borchers Additiven

Lackadditive sind spezielle Zusatzstoffe, die in der Farb- und Lackindustrie eingesetzt werden, um bestimmte Eigenschaften wie Fließverhalten, Trocknungsgeschwindigkeit oder Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen zu verändern und zu verbessern. Die Borchers…

Brot mit dem Geschmack von morgen

Interview mit Andreas Swoboda, Geschäftsführer der BIO BREADNESS GmbH

Brot mit dem Geschmack von morgen

Als Teil der Pandriks Gruppe arbeitet BIO BREADNESS in Fulda, Deutschland, eng mit dem niederländischen Schwesterunternehmen Pandriks Bake Off B.V. zusammen, um Bio-Brot zu produzieren, das sich durch Qualität, Geschmack…

Schleifen, Bänder und mehr

Interview mit Kevin Maar, Geschäftsführer und Stephanie Peskov, Head of Business Development und Key Account Manager der Sopp Industrie GmbH

Schleifen, Bänder und mehr

Ingenieure auf der ganzen Welt sind damit beschäftigt, Roboter zu trainieren, um Aufgaben nachzuahmen, die Menschen leichtfallen – wie das Binden ihrer Schnürsenkel – mit bisher begrenztem Erfolg. Genau hier…

TOP