Beim großen Apple-Zulieferer in China rollen sprichwörtlich die Köpfe, da die Schichten viel zu lang sind und jede menschliche Psyche irgendwann an ihre Grenzen stößt. Auch in Japan ist der Überarbeitungssuizid so populär, dass es ein eigenes Wort dafür gibt. Jede Herde hat eben ihr schwächstes Mitglied...
Dies ist die Geschichte von Moritz Erhardt. Er hatte im Alter von 21 Jahren einen Lebenslauf vorzuweisen, wie es 99 Prozent seiner Landesgenossen zu Lebzeiten niemals packen. Ein Young Leader, ein High Potential. Ein Praktikant bei Bank of America Merrill Lynch im Herzen des Kapitalismus: Der City of London. Bei der Deutschen Bank ist er zuvor schon gewesen. An der Elite-Kaderschmiede in Vallendar hätte er nächstes Jahr den Top-Abschluss folgen lassen wollen. Er war besser als der echte Bud Fox! Er hatte ausgesorgt. Wäre er nicht in den sechs Wochen als BAML-Intern an Erschöpfung gestorben. Eine Frage der Ehre.
Der Independent schreibt, dass für jeden der motivierten Investment-Banking-Praktis nach Feierabend ein bezahltes Taxi bereitsteht. Um sechs Uhr morgens. Es eskortiert die Möchtegern-Gordon-Gekkos nach Hause und wartet, solange der potentielle Mitarbeiter duscht und sich umzieht, um die nächste 24-Stunden-Schicht zu schieben. Für Moritz Erhardt war der insgesamt achte "All-Nighter" innerhalb von zwei Wochen einer zu viel, sagen seine WG-Mitbewohner. Sein Traum ist ausgeträumt. Er war zu schwach für den Job.
Moritz Erhardts Tod ist eine Schande. Ein Skandal. Fehlgeleitet durch Leinwandfilme und die Immer-höher-weiter-besser-Mentalität schuftete er sich unter modernen Gulag-Bedingungen aus dem Leben. Einer der erfolgreichsten Vertreter seiner Generation erlag den Folgen seiner Beispielkarriere. Spricht für den Konkurrenzkampf.
Oder dafür, dass die großen Banken vielleicht mal ihre Recruiting Strategy updaten sollten. Wenn ihr die Billionen verballert - und damit auch noch durchkommt - dann soll das ja genehmigt sein. Ist ja nur Geld. Aber wenn dieses Gewerbe weitere unschuldige Opfer fordert, dann frag ich mich schon, wie der liebe Gott so zu dem "Gottes Werk" steht, von dem die Bestverdiener dieses Planeten aus den Bankhochhäusern gelegentlich reden...
Es muss nicht sein, dass Praktikanten bei der Arbeit sterben. Echt nicht. Moritz Erhardt hätte eventuell auch mal eine schöne Erfolgsgeschichte erzählen wollen. Jetzt ist er tot.
Felix Albus