Wir senken die Lohnsteuer, damit den Menschen mehr zum Leben bleibt

Interview mit Dr. Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Republik Österreich

Wirtschaftsforum: Frau Dr. Schramböck: Der Slogan unserer Medienmarke Wirtschaftsforum ist: „Wir nehmen Wirtschaft persönlich.“ Welches Thema ist Ihnen vor dem Hintergrund der aktuellen Situation besonders wichtig? Wo sehen Sie zurzeit den Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Dr. Margarete Schramböck: Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt derzeit ganz klar auf der Bewältigung der Corona-Krise. Der Corona-Virus hat nicht nur eine globale Gesundheitskrise, sondern auch eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst, die alle Staaten mit einer enormen Wucht trifft. Österreich hat daher ein 50 Milliarden schweres Hilfspaket für die heimische Wirtschaft geschnürt, um die Folgen dieser Krise abzufedern, Arbeitsplätze zu retten und Unternehmen zu unterstützen.

Wirtschaftsforum: Auf den Punkt gebracht: Wo sehen Sie die größten Parallelen und wo die größten Unterschiede zwischen den Wirtschaftsstandorten Österreich und Deutschland?

Dr. Margarete Schramböck: In den vergangenen Jahrzehnten war die Wirtschaftsentwicklung Österreichs immer sehr abhängig von der deutschen Entwicklung. Auch wenn unsere Wirtschaft noch immer eng miteinander verknüpft ist, so ist Österreich inzwischen doch eigenständiger geworden. Vor der Krise wurde Deutschland eine Rezession prognostiziert, in Österreich gab es hingegen ein Wirtschaftswachstum. Wir haben zahlreiche steuerliche Maßnahmen gesetzt, sodass der private Konsum angekurbelt wird. Beispielsweise haben wir den Familienbonus eingeführt, bei dem bis zu 1.500 Euro pro Kind steuerfrei sind. Wir senken gerade die Lohnsteuer, sodass den Menschen mehr zum Leben bleibt.

„Mein deutscher Amtskollege, Peter Altmaier, und ich sind uns einig, dass wir Schlüsseltechnologien in Europa halten müssen.“
Dr. Margarete Schramböck

Wirtschaftsforum: Der COVID19-Impact: Was bedeuten die wirtschaftlichen Auswirkungen in beiden Ländern für die grenzübergreifende Zusammenarbeit von Österreich und Deutschland? Welche Maßnahmen wurden und werden ergriffen, um die Zusammenarbeit zu stärken?

Dr. Margarete Schramböck: Mein deutscher Amtskollege, Peter Altmaier, und ich waren während der gesamten Corona-Krise im ständigen Austausch. Meine erste Auslandsreise führte mich auch nach Berlin. Wir sind uns einig, dass wir Schlüsseltechnologien in Europa halten müssen. Es geht vor allem um die Zukunftsbereiche wie Pharmazie, Halbleiter, Wasserstoff, Mikroelektronik oder auch Batterien. Nur so ist Europa auch im Krisenfall von anderen Kontinenten unabhängig.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Bewältigung der Krise? Waren wir gut vorbereitet? Was muss besser werden?

Dr. Margarete Schramböck: Im letzten halben Jahr haben wir deutlich gesehen, wer bereits in der Vergangenheit auf Digitalisierung gesetzt hatte und wer nicht. Als ich 2017 Digitalisierungsministerin wurde, habe ich oftmals gehört, warum man nicht auf digitale Lösungen umstellen kann oder will. Die Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen sind krisenfester. Besonders deutlich war das im Handel der Fall. Die Betriebe mit einem Online-Shop hatten ein zweites Standbein. Die Krise hat allen gezeigt, welche Vorteile und Chancen die Digitalisierung mit sich bringt. Diese wollen wir auch nützen. Daher unterstützen wir österreichische Klein- und Mittelbetriebe mit vielen Förderungen dabei, den Schritt in die Digitalisierung zu wagen. Ich arbeite auch an einem „Kaufhaus Österreich“. Dieses soll ein digitales Portal sein, das österreichische Klein- und Mittelbetriebe und ihre Onlinepräsenz sichtbar machen. Digitale Großkonzerne haben nämlich kein Monopol auf digitale Geschäftsmodelle. Daher will ich heimische und regionale Unternehmen dabei unterstützen, diesen die Stirn zu bieten.

Wirtschaftsforum: Sie waren selbst Unternehmerin mit NextiraOne. Was glauben Sie, bewegt die UnternehmerInnen zurzeit am meisten? Wie können die Regierungen hier unterstützen?

Dr. Margarete Schramböck: Ich habe die Finanzkrise 2008/2009 in der Privatwirtschaft erlebt. Ich war damals in einer Führungsposition und hatte oftmals schlaflose Nächte. Ich verstehe die Sorgen und Ängste der Unternehmerinnen und Unternehmer. Die wichtigsten Kostenblöcke in einem Betrieb sind die Personalkosten. Diese haben wir durch die Kurzarbeit ersetzt und verlängern diese bis ins nächste Jahr. Ein weiterer Kostenblock sind die Betriebskosten. Diese ersetzen wir durch einen Fixkostenzuschuss. Betroffene Branchen erhalten dabei bis zu 100 Prozent der entstandenen Fixkosten. Drittens haben wir auch einen Unternehmerlohn durch den Härtefallfonds eingeführt. Dieses Rettungspaket war besonders in der Akutphase wichtig, um Liquidität in den Betrieben zu halten. Nun geht es darum, den Standort langfristig abzusichern. Daher haben wir ein Konjunkturpaket geschnürt, um die Wirtschaft zu beleben. Wir senken die Lohnsteuer, um den privaten Konsum anzukurbeln, wir regen Unternehmensinvestitionen durch eine Investitionsprämie an und wir arbeiten an einer Wohnbauinvestitionsbank, um leistbaren Wohnraum zu schaffen. Mit all diesen Maßnahmen unterstützen wir die Unternehmerinnen und Unternehmer.

Wirtschaftsforum: Inwieweit gibt COVID19 Anstöße zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, unter anderem durch Abbau von Verwaltungshürden, effiziente Kommunikation zwischen Staat und Wirtschaft, Instrumente wie Kurzarbeit und Änderungen des Kündigungsschutzes, etc?

Dr. Margarete Schramböck: COVID19 hat viele Entwicklungen, die sich bereits vor einigen Jahren bemerkbar gemacht haben, beschleunigt. Unsere Arbeitswelt hat sich stark verändert, ebenso unser Lebensstil. Daher bin ich davon überzeugt, dass wir in Zukunft digitaler und flexibler arbeiten werden. Expertinnen und Experten sagen uns, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen flexiblen Arbeitszeiten und der Produktivität gibt. Wenn eine Mitarbeiterin beispielsweise vier Tage lang viel gearbeitet hat, kann sie sich am fünften Tag freinehmen. Es wird auch die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie oder auch Beruf und Weiterbildung begünstigt. Auch für den Arbeitgeber gibt es klare Vorteile: Durch die bessere Abstimmung von Auftragslage und Arbeitseinsatz werden die Lohnstückkosten geringer. Ebenso verhält es sich mit dem Home-Office. Die Aufgabe der Politik ist es, die besten Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es in den Betrieben gelebt werden kann.

Dr. Margarete Schramböck
„Wir müssen strategisch wichtige Wertschöpfungsketten wieder zurück in die EU holen und unabhängiger von anderen Kontinenten werden.“

Wirtschaftsforum: Wo sehen Sie für die DACH-Region in den nächsten zwei Jahren, bedingt durch den COVID19-Impact die größten Herausforderungen?

Dr. Margarete Schramböck: Die größte Herausforderung ist sicherlich die Erholung der Wirtschaft nach der Weltwirtschaftskrise und die langfristige Sicherung des Wirtschaftsstandortes. Das schaffen wir nur durch eine Renaissance der Produktion in Europa. Wir müssen strategisch wichtige Wertschöpfungsketten wieder zurück in die EU holen und unabhängiger von anderen Kontinenten werden.

Interview:

Manfred Brinkmann

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