„Die Sprache muss verständlicher und ehrlicher werden – dann fallen auch die Lügner besser auf“
Interview mit Tom Buschardt, Medien- und Kommunikationstrainer, Gründer und Autor

Wirtschaftsforum: In Ihrem neuen Buch führen Sie die Beobachtung ins Feld, dass WhatsApp und E-Mail das (Telefon-)Gespräch im geschäftlichen Umfeld weitgehend ersetzt haben. Warum scheinen viele Menschen heute die nonverbale Kommunikation zu bevorzugen – und weshalb sehen Sie deswegen die Kommunikation insgesamt in der Krise?
Tom Buschardt: Die nonverbale Kommunikation suggeriert uns Zeit und Sicherheit. Wir reagieren dabei nicht – wie in einem Gespräch – in Echtzeit, wir haben mehr Zeit zum Nachdenken, stehen aber auch nicht unter dem Erwartungsdruck, unserem Gegenüber direkt eine Antwort liefern oder Feedback geben zu müssen. Die schriftliche Kommunikation wird jedoch beim Schreiben im eigenen Kopf „vertont“. Wir sind nicht in der Lage, Worte ohne eigenen Sound im Kopf niederzuschreiben. Doch Worte sind keine Noten, die sich mithilfe klar messbarer Kriterien wieder entschlüsseln ließen. Der Empfänger wird die Worte in seinem Kopf anders vertonen als der Verfasser sie im Moment der Niederschrift in seinem Kopf gehört hat. Dieses Problem stellt sich beim Telefonat – oder noch besser im persönlichen Gespräch – nicht, weshalb der direkte mündliche Weg mit weniger Missverständnissen behaftet ist. Bei konträren Positionen fällt es vielen Menschen hingegen leichter, dem direkten Konflikt durch eine indirekte, zeitverzögerte und schriftliche Kommunikation ein wenig aus dem Weg zu gehen.
„Die nonverbale Kommunikation suggeriert uns Zeit und Sicherheit.“ Tom Buschardt

Wirtschaftsforum: Bei dem Überangebot an Medien-Outlets wird es selbst für gestandene Kommunikationsprofis immer schwieriger, mit ihrer Botschaft zu den Menschen durchzudringen. Wie kann sich da etwa ein vergleichsweise kleines Unternehmen oder Start-up ohne etablierte Kommunikationskanäle noch nennenswerte Aufmerksamkeit sichern?
Tom Buschardt: Content wird immer wichtiger, denn im Internet gibt es keine „kleinen Unternehmen“. Sie sind mit ihren Kommunikationskanälen genauso einen Klick vom User entfernt wie die großen Konzerne. Wer eine gute Story hat, muss sie auch erzählen können – und wer keine Story zu seinem Produkt oder seiner Dienstleistung erzählen kann, der hat auch kein gutes Produkt und keine gute Dienstleistung.
Wirtschaftsforum: Jahrelang haben viele Kommunikationstrainer ihren Klienten systematisch aalglatte Soundbites beigebracht. Heute dagegen scheint die unverfälschte Rede einen viel größeren Erfolg zu versprechen. Müssen Sie den Politikern und Geschäftsführern jetzt Ecken und Kanten antrainieren anstatt sie abzuschleifen?
Tom Buschardt: Floskeln wie „Wir nehmen Kundenzufriedenheit sehr ernst…“ funktionieren nur noch in den ersten Minuten der Schockstarre. Danach erwartet die Öffentlichkeit ein Statement mit Substanz. In einem Präsentationstraining hat ein Coachee mal den Satz gesagt: „Wir bieten unseren Kunden ein Einkaufserlebnis mit Mehrwert.“ Davon war er überhaupt nicht abzubringen, bis ich es konkreter machte: „Treffen sich zwei Kunden. Sagt der eine zum anderen: ‚Du, ich hatte gestern ein tolles Einkaufserlebnis mit Mehrwert‘.“ Da wurde dann schnell klar, dass kein Mensch da draußen jenseits der Konferenzräume so spricht.
„Floskeln wie „Wir nehmen Kundenzufriedenheit sehr ernst…“ funktionieren nur noch in den ersten Minuten der Schockstarre. Danach erwartet die Öffentlichkeit ein Statement mit Substanz.“ Tom Buschardt

Wirtschaftsforum: Politiker wie Donald Trump kommunizieren mit radikalem Blick auf ihre Zielgruppe im einfachsten Duktus und bedienen sich dabei freimütig umfangreicher Falschbehauptungen – das ist Gift für eine Demokratie. Wie kann wieder Komplexität in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs Einzug halten?
Tom Buschardt: Die Sprache muss verständlicher und ehrlicher werden. Dann fallen auch die Lügner besser auf. Denn gerade diejenigen, die die Öffentlichkeit massiv instrumentalisieren und manipulieren, sprechen eine einfache und verständliche Sprache. Dadurch treten die Fakten in den Hintergrund und genau das macht die Populisten so stark. Es darf doch nicht sein, dass eine Falschbehauptung plausibler klingt als die tatsächlichen Fakten.
Wirtschaftsforum: Vor Ihrer langjährigen Tätigkeit als Medien- und Krisenberater haben Sie eine ebenso lange Zeit als Journalist bei zahlreichen bekannten Medien verbracht. Damit kennen Sie beide Seiten der Kommunikationswelt in- und auswendig – welche ist am Ende des Tages für Sie die reizvollere?
Tom Buschardt: Auch nach 33 Berufsjahren ist die Entscheidung für mich noch nicht gefallen, weil ich weiterhin auf beiden Seiten arbeite, auch wenn meine Tätigkeit als Medien- und Kommunikationstrainer derzeit 90% meiner Arbeit ausmachen dürfte. Ich liebe beides. Darf ich mich hier vor einer finalen Antwort drücken?
Interview: Julian Miller | Fotos: Nina Hummes