Junge Produkte auf dem Sprung in den Einzelhandel
Interview mit Dr. Anke Skopec, Testmarkt

Wirtschaftsforum: Marktforschung wirkt oft wie ein hoch theoretischer Prozess, der in Form anonymer Umfragen und unter künstlichen Bedingungen stattfindet. Ihr Testkaufhaus macht daraus ein Einkaufserlebnis. Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Produkte, die bei Ihnen getestet werden – und wie viel Theorie steckt noch in der Praxis?
Dr. Anke Skopec: Software-Entwicklung und Kraftstoffverbrennungsverfahren sind ebenfalls hoch theoretische Prozesse. Sobald daraus unterhaltsame Computerspiele oder sportliche Überholmanöver werden, machen diese theoretischen Prozesse aber Spaß und werden greifbar. So ist es auch mit der Marktforschung: Das Berliner Institut für Innovationsforschung (BIFI) gießt mit dem Testmarkt etablierte Marktforschungsmethoden in eine für Start-ups und Endverbraucher genießbare Form und erleichtert so den Zugang und die Partizipation. Das freut am Ende Wirtschaft, Verbraucher und Wissenschaftler gleichermaßen.

„Das Berliner Institut für Innovationsforschung (BIFI) gießt mit dem Testmarkt etablierte Marktforschungsmethoden in eine für Start-ups und Endverbraucher genießbare Form.“ Dr. Anke Skopec
Wirtschaftsforum: Wie genau führt der Testmarkt im Rahmen seines Einzelhandelskonzepts seine Marktforschung durch und welchen Input leiten Sie daraufhin an die Produkt-Start-ups weiter?
Dr. Anke Skopec: Mittels einfacher Abreißzettel sowie komplexer Fragebogen-Terminals messen und erheben wir im Testmarkt anonym und in Zahlen alles, was wir nur können: von Besucherdemografien, dem Kaufinteresse, tatsächlichen Käufen, der Zahlungsbereitschaft und dem Geschmacksempfinden bis hin zu produktbezogenen Rückfragen der Verbraucher. Darüber hinaus finden regelmäßig qualitative Kundeninterviews und Workshops statt.
Die strategischen Fragestellungen der einzelnen Start-ups sind durchaus unterschiedlich: Welcher Preis maximiert meinen Umsatz, welche Geschmackssorten sind am erfolgversprechendsten, welche Verpackung transportiert meine Botschaft und welche Zielgruppe bietet mir zu Beginn die größte virale Verbreitung? Je nach den jeweiligen Prioritäten der einzelnen Start-ups leiten wir Antworten auf diese und weitere Fragen aus diesen Datenerhebungsmechanismen analytisch ab.
„Wir glauben, dass am Beginn vieler valider Geschäftsideen durchaus Pathos für die Sache steht.“ Dr. Anke Skopec

Wirtschaftsforum: Neben der eigentlichen Entwicklung ist die Marktforschung oft der aufwendigste und teuerste Prozess, den ein Produkt durchlaufen muss, bevor es in den Supermarkt kommt. Das Testkaufhaus vereinfacht diesen Schritt deutlich. Steckt hinter Ihrem Konzept mehr Pathos für die Sache an sich oder eine valide Geschäftsidee?
Dr. Anke Skopec: Wir glauben, dass am Beginn vieler valider Geschäftsideen durchaus Pathos für die Sache steht. Aus eigenen Start-up-Erfahrungen kennen wir den Bedarf, haben aber natürlich eigene unternehmerische Ambitionen, hieraus ein nachhaltiges und skalierbares Geschäftsmodell zu entwickeln, das unsere Ursprungsidee keineswegs einbüßt: junge Produkte beim Sprung in den flächendeckenden Einzelhandel zu unterstützen. Nahezu täglich nehmen wir Gespräche mit unterschiedlichsten namhaften Akteuren wahr, hören zu und kombinieren.

“‘Bewusste Ernährung‘ und ‘nachhaltige Erzeugung‘ stellen zwei Megatrends dar, die deshalb auch Raum für Neuschöpfungen und Disruptionen bieten.“ Dr. Anke Skopec
Wirtschaftsforum: Viele Produkte im Sortiment des Testmarktes haben mit bewusster Ernährung und nachhaltiger Erzeugung zu tun. Soll das weiterhin ein Leitmotiv Ihrer Produktpalette sein oder planen Sie, sich in Zukunft vielleicht breiter aufzustellen?
Dr. Anke Skopec: DerTestmarkt ist gewissermaßen ein Spiegel der Gründerlandschaft, zumindest hinsichtlich der Einzelhandels-kompatiblen Produkte. “Bewusste Ernährung” und “nachhaltige Erzeugung” stellen zwei Megatrends dar, die deshalb auch Raum für Neuschöpfungen und Disruptionen bieten, was wir anhand “unserer” Start-ups auch sehen. Das Testkaufhaus selbst setzt hier jedoch keine Leitplanken und beherbergt daher auch heute schon neben klassischen Schnelldrehern eine Auswahl technischer Innovationen, vom Smartphone-Fieberthermometer bis zum Abflussreinigungsstab.
Wirtschaftsforum: Was ist Ihr persönliches Lieblingsprodukt im Sortiment? Und welche Produkte vermissen Sie dort noch?
Dr. Anke Skopec: Als Unternehmerin mit drei kleinen Kindern fand ich die Einschlafhilfe “Sleep Ink” gleich besonders ansprechend, gebe aber zu, noch keinen akuten Bedarf zu haben (lacht). Für die Zukunft wünsche ich mir noch mehr technische Alltagsinnovationen.
Interview Julian Miller
Fotos: Million Motions