Soft Skills der Zukunft: Klarer Blick und die Fähigkeit, viele Bälle gleichzeitig zu jonglieren

Interview mit Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg, Unternehmerin, Gründerin und Autorin

Wirtschaftsforum: Inwiefern unterscheidet sich eine Mompreneur von einer klassischen Führungskraft?

Anabel Ternès von Hattburg: Eine befreundete mehrfache Mutter sagte mir mal: Ich bin als Hausfrau und Mutter ohne jeden weiteren Job gleichzeitig Unternehmerin und Manager, und zwar Event-, Marketing-, Personal-, Business Development- und General Manager. Eine Mompreneur hat noch zusätzlich ihr Wirtschaftsunternehmen. Wer bei den vielen unterschiedlichen Aufgaben erfolgreich sein will, muss gut strukturiert, konsequent, motiviert und verantwortungsvoll sein, darf aber auch den Blick für das große Ganze nicht verlieren. Eine gute Intuition ist auch dabei und Achtsamkeit, sich selbst und anderen gegenüber. Das heißt, das, was eine gute Führungskraft ausmacht, bringt eine Mompreneur damit ohnehin mit. Denn nur so kann sie ihren Alltag bestehen.

Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg, Unternehmerin, Gründerin und Autorin
"Das, was eine gute Führungskraft ausmacht, bringt eine Mompreneur ohnehin mit." Anabel Ternès von Hattburg

Wirtschaftsforum: Sind Ihrer Meinung nach Mompreneure die besseren Unternehmer? Wenn ja, warum?

Anabel Ternès von Hattburg: Sie haben definitiv besondere Stärken, die gerade in der heutigen Zeit – und mehr noch für die Zukunft – die für Führungskräfte zentralen Schlüsselkompetenzen abdecken. Das sind Soft Skills wie nachhaltiges Denken und Handeln, der souveräne Umgang mit agilem Arbeiten und flachen Hierarchien, ein pragmatischer Ansatz, die Übernahme von Verantwortung, der klare Blick und die Fähigkeit, mehrere Bälle gleichzeitig zu jonglieren.

Wirtschaftsforum: Selbstständigkeit liegt immer eine individuelle Entstehungsgeschichte zugrunde. Womit beginnt Ihre Geschichte als Mompreneuer?

Anabel Ternès von Hattburg: Ich habe einige Jahre in internationalen Industrieunternehmen im Lifestyle-Sektor gearbeitet und die Geschäftsentwicklung vorangetrieben. Die Aufgabenbereiche waren groß und spannend, ich hatte weite Handlungsspielräume und trug eine große Verantwortung für Mitarbeiter und Umsätze. Aber ich wollte meine eigenen Geschäftsideen umsetzen und auch sozial überregional Wirksames bewegen. Als mir das klar wurde, habe ich mich mit voller Überzeugung neuen, frischen Geschäftsideen zugewandt. Parallel wurde ich Mutter – und beide Welten haben sich gegenseitig Auftrieb gegeben.

Wirtschaftsforum: Es gibt genügend Vorurteile, denen sich arbeitende Mütter stellen müssen. Welchen Vorurteilen mussten Sie sich in der Vergangenheit stellen?

Anabel Ternès von Hattburg: Ich bekomme von vielen Seiten positives Feedback – von Männern wie von Frauen, wie ich alles unter einen Hut bekomme. Ich finde es auch großartig, dass erfolgreiche Frauen wie Männer mit Kindern zunehmend und positiv in der Öffentlichkeit in dieser Doppelrolle wahrgenommen werden – wie zum Beispiel Jacinda Ardern, Premierministerin Neuseelands, die zusammen mit ihrem Mann ganz selbstverständlich das Elternsein mit der beruflichen Tätigkeit vereint.

Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg, Unternehmerin, Gründerin und Autorin
"Durch den Fach- und Führungskräftemangel werden auch mehr Frauen mit Kindern Zugang in die Führungsetagen größerer Unternehmen finden." Anabel Ternès von Hattburg

Wirtschaftsforum: Es gibt verstaubte Rollenbilder gerade in Bezug auf Frauen im Berufsleben, die Sie in vielen Unternehmen wiederfinden. Wo würden Sie den ersten Hebel setzen, um daran etwas zu ändern?

Anabel Ternèsvon Hattburg: Angesichts des Fach- und Führungskräftemangels werden Vorurteile sicher weiter abnehmen: Wirtschaftliche Zwänge werden gesellschaftliche Veränderungen bringen. Wenn sich der Bedarf ändert, verschiebt sich auch der Rahmen. Es entsteht Raum für Neues – und es entstehen Chancen. Das mag man kritisch sehen, weil es eine Folge der Notwendigkeit und nicht der Einsicht ist. Aber es bewegt sich etwas. Darauf freue ich mich. Durch den Fach- und Führungskräftemangel werden auch mehr Frauen mit Kindern Zugang in die Führungsetagen größerer Unternehmen finden. Und gerade die Kompetenzen, die man als traditionell weiblich bezeichnet, wie etwa nachhaltig denken, verantwortlich handeln, viele Dinge gleichzeitig tun, werden in der Unternehmensführung dringend benötigt. Optimal sind sowieso Teams aus Frauen und Männern. Aus meiner Sicht funktioniert nachhaltige Veränderung nämlich nur in der Zusammenarbeit und im Verständnis füreinander. Die jeweiligen Stärken können sich so am besten ergänzen.

Interview: Vera Gaidies / Fotos: Get Your Wings gGmbH, Bettina Volke

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema

Wege aus dem Wettbewerbsdruck: Automatisieren, diversifizieren, vorangehen

Interview mit Dr. Ronald Bernstein, Geschäftsführer der BERGI-PLAST GmbH

Wege aus dem Wettbewerbsdruck: Automatisieren, diversifizieren, vorangehen

Steigende Kosten, globaler Wettbewerbsdruck und der rasche technologische Wandel fordern die Kunststoffindustrie heraus. Die BERGI-PLAST GmbH aus Bad Gottleuba-Berggießhübel begegnet diesen Entwicklungen mit konsequenter Automatisierung, digitaler Weiterentwicklung und einem klaren…

Außerhalb der Komfortzone beginnt die Magie

Interview mit Jasmin Walser, Inhaberin und Geschäftsführerin der Hotel Vier Jahreszeiten GmbH

Außerhalb der Komfortzone beginnt die Magie

Jasmin Walser hat eine Vision: ein alpinsportliches Kompetenzzentrum, das Gäste bewusst aus ihrer Komfortzone holt. ‘DAS VIER’ bietet auf 1.700 m Höhe am Pitztaler Gletscher mehr als klassische Wellness –…

Bauprojekte für Menschen und Medizin

Interview mit Karsten Felsner, Geschäftsführer der Felsner Consult GmbH

Bauprojekte für Menschen und Medizin

Kaum ein Bereich im Bauwesen ist so komplex und anspruchsvoll wie der Krankenhausbau. Hier treffen technische Höchstleistung, organisatorische Vielschichtigkeit und menschliche Verantwortung aufeinander. Die Felsner Consult GmbH aus Berlin hat…

Spannendes aus der Region

Europas größer Fotoverbund – und noch viel mehr

Interview mit Thilo Röhrig, Geschäftsführer der Ringfoto GmbH & Co. KG

Europas größer Fotoverbund – und noch viel mehr

Seit über 60 Jahren bündelt Ringfoto die Schlagkraft von über 1.200 Fotofachhändlern in Deutschland und 26 weiteren europäischen Märkten und geht in seinem Selbstverständnis wie in seinem Leistungsspektrum weit über…

Wege aus dem Wettbewerbsdruck: Automatisieren, diversifizieren, vorangehen

Interview mit Dr. Ronald Bernstein, Geschäftsführer der BERGI-PLAST GmbH

Wege aus dem Wettbewerbsdruck: Automatisieren, diversifizieren, vorangehen

Steigende Kosten, globaler Wettbewerbsdruck und der rasche technologische Wandel fordern die Kunststoffindustrie heraus. Die BERGI-PLAST GmbH aus Bad Gottleuba-Berggießhübel begegnet diesen Entwicklungen mit konsequenter Automatisierung, digitaler Weiterentwicklung und einem klaren…

Hotellerie, die den Wandel meistert

Interview mit David Etmenan, Chief Executive Officer & Owner NOVUM Hospitality

Hotellerie, die den Wandel meistert

Vom Familienbetrieb in Hamburg zu einer der größten Hotelgruppen Europas: Die Novum Hospitality GmbH betreibt, entwickelt und managt Hotels in verschiedenen Segmenten – vom Midscale- bis zum Premiumbereich. Das Unternehmen…

Das könnte Sie auch interessieren

Intelligenz ist die Fähigkeit, sich neu zu erfinden

Interview mit Prof. Dr. Dr-Ing. Gustavo Möller-Hergt, CEO der ALSO Holding AG

Intelligenz ist die Fähigkeit, sich neu zu erfinden

Für Prof. Dr. Dr-Ing. Gustavo Möller-Hergt, CEO des Technologie-Providers ALSO, steht fest: Corona wird die Welt verändern. Der Chef des börsennotierten Unternehmens mit weltweit über 4.000 Beschäftigten und einem Umsatz…

Die Corona-Hilfe muss aus Sicht des Mittelstandes nachgebessert werden

Interview vom Mai 2020 mit Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft und der Europäischen Vereinigung der Verbände kleiner und mittlerer Unternehmen - verstorben am 31.Oktober 2020

Die Corona-Hilfe muss aus Sicht des Mittelstandes nachgebessert werden

Zu Beginn der Corona-Krise versprach der Bund schnelle und unbürokratische Hilfe für die Wirtschaft. Inzwischen sind erste Hilfen angekommen – hauptsächlich bei Großunternehmen. Beim Mittelstand dagegen, dem vielbeschworenen Rückgrat der…

Digitalisierung: Wie schaffen wir den Wandel unter Wahrung der Demokratie?

Interview mit Andreas Dohmen

Digitalisierung: Wie schaffen wir den Wandel unter Wahrung der Demokratie?

Wenn über Digitalisierung oder digitale Transformation gesprochen wird, winken viele Menschen leicht genervt ab. Das Thema kommt in den Medien als ein überstrapazierter Dauerbrenner daher und hat viel von seiner…

TOP