Sicherheitstraining für Unternehmen: „Selten kommen die wirklich gefährlichen Angriffe ad hoc“

Interview mit Jörg Dreger, CEO der DREGER Group GmbH

Wirtschaftsforum: Seit einigen Jahren bieten Sie Schulungen für Mitarbeiter mittelständischer Unternehmen an, die in Krisengebiete versetzt werden. Hat sich die Gefährdungslage tatsächlich so verschärft – und kann Ihr Training wirklich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Anwalt oder ein IT-Spezialist einen Anschlag überlebt?

Jörg Dreger: Die Sicherheitslage ist national wie international wesentlich komplexer geworden, von Messerattacken auf Einzelpersonen über die Erpressung von Unternehmen mit Schadsoftware bis hin zu terroristischen Angriffen. Wir bereiten unsere Kunden auf solch erhebliche Gefährdungslagen vor, weil danach vieles leichter fällt. Das positive Feedback unserer Kunden auf bestimmte Ereignisse zeigt deutlich, dass das Training hilft, die eigene Leistungsfähigkeit auch unter Druck auf hohem Niveau zu bewahren und handlungsfähig zu bleiben.

„Die Sicherheitslage ist national wie international wesentlich komplexer geworden“ Jörg Dreger
Jörg Dreger, CEO der DREGER Group GmbH

Wirtschaftsforum: Welche konkreten Inhalte vermitteln Sie in Ihren Sicherheitstrainings?

Jörg Dreger: Unser Kernseminar zum Einstieg hat den Titel „Der Violent Non-State Actor – Handlungsfähig in unsicheren Zeiten“ und dauert einen ganzen Arbeitstag lang. Dort vermitteln wir Grundlagen zum Umfeld und zu den typischen Verhaltensweisen eines Gefährders: Wie agiert er, und wie kann ich selbst im Notfall handlungsfähig bleiben?

Im theoretischen Abschnitt beschäftigen wir uns dabei mit vergangenen Anschlagsszenarien, etwa den bekannten Terroranschlägen von Mumbai im November 2008, blicken aber insbesondere auf mögliche zukünftige Herausforderungen und die Methoden, mit denen man ihnen organisatorisch, technisch und persönlich begegnen kann. Gleichzeitig verfügen wir über ein professionelles Trainingsgelände, das sich für praktische Schulungen für Behörden und Organisationen mit Schutzaufgaben sowie für gefährdete Personen und Unternehmen sehr flexibel gestalten lässt. Dort stehen zwei Übungshäuser für Szenarientrainings zur Verfügung, ebenso wie Schießkinos für Laser und scharfen Schuss und Laser-Trainingssysteme für das Force-on-Force-Training. Nach dem Ende der Schulung bleiben die Teilnehmer meist noch sehr gerne in der Runde sitzen und verarbeiten die theoretischen Impulse und die zahlreichen praktischen Erlebnisse.

Wirtschaftsforum: In den 1990er-Jahren waren Sie für IBM in Russland tätig, wo keine sonderlich einfache Sicherheitslage herrschte. Wurde mit dieser Erfahrung der Grundstein für Ihre DREGER Group gelegt – und wie haben Sie Ihre heutigen Geschäftspartner von dem Bedarf an Ihrer Expertise überzeugt?

Jörg Dreger: Ich habe mich schon mit zwölf Jahren gerne mit Spionage- und Sabotageabwehr beschäftigt [lacht]. Aber Spaß beiseite, meine unterschiedlichen Erfahrungen im nationalen wie im internationalen Kontext sind schon sehr wichtig gewesen. Russland und IBM waren eine sehr gute Schule, aber auch meine Aktivitäten im Mittleren Osten, in China, Indien und Afrika, bei denen ich mich unter anderem mit den Themengebieten Cyber und allgemeinem Business Continuity Management beschäftigt habe, sind für meine heutige Geschäftstätigkeit entscheidend gewesen. Aufgrund der sehr differenzierten – mal eher organisatorischen, mal mehr technologischen oder physisch geprägten –  Lösungsansätze ist es besonders wichtig, dass in einem Team Spezialisten aus sehr unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Nur so kann gewährleistet werden, dass die vorgeschlagenen und eingeübten Maßnahmen auch tatsächlich relevant sind. Ein breites Verständnis dieser Themenfelder und ebenso breite Eskalationsstufen zeichnen unser Team aus.

Galerie: Sicherheitstraining für Unternehmen

Wirtschaftsforum: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Maßnahmen, die ein Unternehmen treffen muss, wenn es seine Aktivitäten in Krisenregionen sicher durchführen will?

Jörg Dreger: Erst einmal muss man die eigene Lage für sich selbst klären. Dazu stellt man sich am besten folgende Fragen: Was sind ganz konkret die eigenen Ziele? Wer sind die Partner? Wer könnte unsere Vorhaben nicht sonderlich positiv finden? Wer möchte ein größeres Stück vom Kuchen abhaben? Wie entwickelt sich das ganze Umfeld weiter? Wenn man sich diese grundlegenden Fragen ehrlich beantwortet hat, gilt es, die eigenen Kräfte auf die örtlichen Gepflogenheiten auszurichten sowie die erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten einzustellen und gegebenenfalls auszubilden. Der Gegner wird versuchen, am schwächsten Punkt anzusetzen. Ferner muss natürlich die eigene Unternehmenszentrale in die Lage versetzt werden, dass sie im Fall des Falles Unterstützung leisten kann. Aber die Vorbereitungen und Netzwerke vor Ort – in personeller und technischer Hinsicht, aber auch in Bezug auf eine sichere Unterkunft für das entsendete Personal, dessen Versorgung und, sofern erforderlich, ein Evakuierungsplan – sind von genauso großer Bedeutung.

Jörg Dreger, CEO der DREGER Group GmbH
„Es ist wesentlich einfacher, einen Vorgang herunterzuregeln, wenn er sich doch als halb so schlimm herausstellt, als unvorbereitet eine Eskalation mitgehen zu müssen.“ Jörg Dreger

Wirtschaftsforum: Ihre Expertise ist nicht nur beim Training auf dem Übungsplatz gefragt, sondern auch in der Cyberabwehr. Wie können IT-Sicherheitsspezialisten von Ihrer Erfahrung und Ihrem Know-how in nicht-virtuellen Kampfszenarien profitieren?

Jörg Dreger: Man muss zunächst von kritischen Situationen ausgehen. Es ist wesentlich einfacher, einen Vorgang herunterzuregeln, wenn er sich doch als halb so schlimm herausstellt, als unvorbereitet eine Eskalation mitgehen zu müssen. Gefährder sind untereinander immer besser vernetzt und können mit unterschiedlichsten Mitteln vorgehen, die nicht unbedingt aus körperlicher Gewalt bestehen müssen. Denken Sie etwa an die Nutzung Ihrer Daten oder der Daten Ihrer Angehörigen, um Sie zu erpressen. Mithilfe von Open Source Intelligence lässt sich feststellen, ob man sich bereits im Fadenkreuz von möglichen Angreifern befindet. Denn selten kommen die wirklich gefährlichen Angriffe ad hoc.

Interview: Julian Miller | Fotos: Laslo Dani

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema

Investitionen, die die Zukunft gestalten

Interview mit Dr. Christian Koch, Head BB Biotech @ Bellevue Asset Management AG

Investitionen, die die Zukunft gestalten

Die Biotechnologiebranche zählt zu den innovationsstärksten und dynamischsten Sektoren der globalen Wirtschaft. Getrieben von wissenschaftlichem Fortschritt, dem wachsenden Bedarf an neuen Therapien und Medikamenten sowie gesellschaftlichen Megatrends wie dem demografischen…

Troubleshooter, Psychologen, Zuhörer

Interview mit Mag. Karl Wiesflecker, Geschäftsführer der Franz Kramas Gebäudeverwaltung GmbH

Troubleshooter, Psychologen, Zuhörer

Die Franz Kramas Gebäudeverwaltung GmbH mit Sitz in Wien zählt zu den traditionsreichsten Hausverwaltungen der Stadt. Seit fast einem Jahrhundert betreut das Familienunternehmen Miet- und Wohnungseigentumsliegenschaften mit besonderem Augenmerk auf…

Finanzkraft für die Energiewende

Interview mit Alexander Kuhn, geschäftsführender Gesellschafter der Capcora GmbH

Finanzkraft für die Energiewende

Die Energiewende ist eines der zentralen Zukunftsprojekte Europas – und zugleich eine der größten Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Mitten in diesem Wandel positioniert sich die Capcora GmbH als spezialisierte…

Spannendes aus der Region

Präzision aus Metall – Wertschöpfung in Perfektion

Interview mit Rob Paulissen, Managing Director der Doesburg Components B.V.

Präzision aus Metall – Wertschöpfung in Perfektion

Vom Guss bis zum einbaufertigen Bauteil: Die Doesburg Components B.V. steht für metallurgisches Know-how, moderne Fertigung und enge Kundenbeziehungen. Das Unternehmen produziert präzise bearbeitete Gusskomponenten für Motoren, Getriebe und Fahrwerke.…

Kälte mit Konzept – Trockeneis, ­Technik und Zukunftsenergie

Interview mit Philipp ten Eicken, Geschäftsführer der CLEANGAS Verwaltungs GmbH

Kälte mit Konzept – Trockeneis, ­Technik und Zukunftsenergie

Ob in der Lebensmittelindustrie, beim Versand sensibler Waren oder in der Automobilbranche – Trockeneis ist ein unverzichtbarer Helfer. CLEANGAS zählt hier zu den führenden Anbietern. Geschäftsführer Philipp ten Eicken spricht…

Antrieb aus Leidenschaft

Interview mit Anna Nagel, Geschäftsführerin der Auto Nagel Essen GmbH & Co. KG

Antrieb aus Leidenschaft

Wer heute das Autohaus der Auto Nagel Essen GmbH & Co. KG betritt, erlebt moderne Mobilität in all ihren Facetten. Zur wachsenden, deutschlandweit aktiven Auto Nagel Unternehmensgruppe gehören mittlerweile 18…

Das könnte Sie auch interessieren

Bodo Janssen: Unternehmen sind dazu da, Menschen zu stärken

Interview mit Bodo Janssen, Geschäftsführer der Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG

Bodo Janssen: Unternehmen sind dazu da, Menschen zu stärken

Bodo Janssen weiß, wie es ist, Fehler zu machen. Was ihn von vielen Unternehmern unterscheidet ist, dass er zudem auch gelernt hat, seine Fehler einzugestehen. Das ist nur eine Facette…

Etablierte Erfolgsfaktoren sind kein guter Ratgeber für die Zukunft

Interview mit Franz Kühmayer

Etablierte Erfolgsfaktoren sind kein guter Ratgeber für die Zukunft

Cohesive Leadership, VanLife, Genderwechsel – Sie wissen nicht so recht, was Sie damit anfangen sollen? Abhilfe schafft Trendforscher Franz Kühmayer mit seinem aktuellen „Leadership Report 2019“. Darin analysiert er diese…

Digitalisierung: Wie schaffen wir den Wandel unter Wahrung der Demokratie?

Interview mit Andreas Dohmen

Digitalisierung: Wie schaffen wir den Wandel unter Wahrung der Demokratie?

Wenn über Digitalisierung oder digitale Transformation gesprochen wird, winken viele Menschen leicht genervt ab. Das Thema kommt in den Medien als ein überstrapazierter Dauerbrenner daher und hat viel von seiner…

TOP