Chemische Industrie: Unternehmen brauchen passende Frühwarnsysteme

Interview mit Dr. Andrea Maessen, Senior Partner und Global Head of Chemicals and Construction Practice, und Jan Haemer, Partner Chemicals and Construction

Wirtschaftsforum: Frau Dr. Maessen, Sie haben zu Jahresbeginn einen Bericht darüber verfasst, wie sich die Chemieindustrie 2019 entwickeln wird. Wie beurteilen Sie die Lage der Chemiebranche nach dem Abschluss des dritten Quartals, insbesondere der deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich?

Dr. Andrea Maessen: Die chemische Industrie ist an sich eine sehr globale Industrie, die sehr stark vernetzt ist. Sie steht exponiert am Anfang der Wertschöpfungskette und ist deswegen in besonderem Maß konjunkturellen Zyklen ausgesetzt. Wenn beispielsweise etwas in der Automobilindustrie passiert, treffen die Konsequenzen umgehend die chemische Industrie. Deswegen haben wir von Anfang an gesagt, dass das kein leichtes Jahr wird. Das bewahrheitet sich im Moment. Nehmen Sie die BASF, die als großer Player zuletzt eine Gewinnwarnung ausgegeben hat. Viele Unternehmen sind nach unserer Beobachtung im Moment in einer Art Habachtstellung und überlegen, was die nächsten Schritte sind und wie sie sich am besten auf Zeiten vorbereiten, die sehr unsicher sind.

Wirtschaftsforum: Inwiefern lässt sich die Entwicklung in der chemischen Industrie als Frühindikator für die generelle konjunkturelle Entwicklung nutzen?

Jan Haemer: Ich denke, vor dem Hintergrund, dass die chemische Industrie am Anfang der Wertschöpfungsketten steht, bietet sich das bis zu einem gewissen Grad an. Gleichzeitig besteht die Schwierigkeit, einzuschätzen, wie stark Wertschöpfungsketten an sich betroffen sind oder ob dahinter womöglich weitere Themen liegen, die sogar einen Wachstumsimpuls mit sich bringen können. Denken Sie an die Elektromobilität, die helfen kann, sich aus einem schwächeren Umfeld heraus positiv zu entwickeln.

Wirtschaftsforum: In den Medien hagelt es Schlagzeilen, wenn es negative Meldungen einzelner Unternehmen am Markt gibt. Wird so nicht automatisch eine negative Stimmung befeuert?

Dr. Andrea Maessen: Man muss natürlich aufpassen, dass man nicht eine Rezession herbeischreibt. An diesem Punkt sind wir tatsächlich noch nicht. Die Marktlage wird in Summe komplexer, deshalb brauchen Unternehmen gute Frühwarnsysteme. Sie müssen bereit sein, sehr schnell auf äußerst unterschiedliche Veränderungen zu reagieren.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt bei alldem das Thema Pricing und wie setzen Sie die Pricing-Theorie in der Praxis um?

Dr. Andrea Maessen: Pricing ist in jedem Fall wichtig, auch wenn darüber nicht immer gern diskutiert wird, gerade in schwierigen Zeiten. Wir entwickeln Lösungen, die in jedem Fall umsetzbar sind. Wir sind sehr nah am Verkauf: Wir bereiten Verhandlungen gemeinsam mit Verkäufern vor, wir stellen sicher, dass die Argumentations- und Preisrichtlinien ausgearbeitet sind et cetera. Das sind häufig Transformationsprozesse, die ebenfalls systemische Anforderungen mit sich bringen. EDV- und ERP-Systeme müssen Prozesse klar abbilden, damit es möglich ist, schnell zu agieren. Auch auf dieser Seite unterstützen wir selbstverständlich.

Jan Haemer: Wir sehen, dass der Vertrieb in 85% der Fälle eher über den Preis als über den Wert verkauft. Das ist in einer Situation wie der jetzigen natürlich gefährlich, denn so bleibt die Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb unzureichend. Als Lösung haben wir dem Vertriebsteam eines Verpackungsherstellers einen Wertrechner zur Verfügung gestellt. Das ist eine Anwendung auf dem iPad, die individuelle Einsparpotenziale ermittelt. Damit kann ich im Gespräch konkret auf den Kunden eingehen. Die Argumentation wird sicherer und so lassen sich Preise verteidigen.

Wirtschaftsforum: Erweitern wir die Perspektive: Würden Sie sagen, dass Deutschland ein innovativer Chemiestandort ist?

Dr. Andrea Maessen: In der DACH-Region gibt es schon sehr große und wichtige Spieler in der globalen Chemiewelt. Natürlich sind die innovativ. Wenn ich mir aber anschaue, wohin investiert wird, müssen wir ein ganz großes Auge auf Asien haben.

Wirtschaftsforum: Nehmen Sie Wirtschaft persönlich?

Dr. Andrea Maessen: Ja, entgegen dem Sprichwort „Don’t take it personal, it’s only business“ nehme ich Wirtschaft sehr persönlich. Wir beschäftigen uns mit Wachstumsthemen bei unseren Kunden. Wachstum birgt Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter. Von profitablem Wachstum profitieren das Unternehmen und die Gesellschaft. Das macht Wirtschaft persönlich. Wachstum für uns als Beratung bedeutet, die Entwicklung von jungen Beratern zu Industrieexperten zu fördern. Das umfasst die persönliche Entwicklung, nicht selten aber auch den ganz persönlichen Lebensentwurf der Mitarbeiter. Das ist sehr persönlich.

Jan Haemer: Die Überschrift ist für mich, positive Veränderung zu begleiten. Unternehmen möchte ich dabei unterstützen, die Werte am Markt abzuschöpfen, die sie tatsächlich verdient haben. Dazu kommt meine Motivation, messbare Ergebnisse zu liefern und nicht nur PowerPoint-Folien. Diese Aspekte treiben mich an.

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