Kurzfristiges Denken funktioniert auf Dauer im Weinbau nicht

Interview mit Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen, Inhaberin Weingut August Eser

Wirtschaftsforum: Frau Eser – Freifrau zu Knyphausen, seit zehn Jahren führen Sie das familieneigene Weingut. Bis heute sind Frauen allerdings in dieser Rolle in der Weinbaubranche selten. Fühlen Sie sich als Exotin?

Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen: Nein – als Exotin fühle ich mich zum Glück wirklich nicht. Heutzutage werden viele wichtigen Positionen im Weinbau (in der Produktion wie auch im Vertrieb) von kompetenten und sehr gut ausgebildeten Frauen bekleidet. Da macht es auch immer immens viel Spaß sich untereinander zu vernetzen und auszutauschen. Dafür wurde sogar ein eigenes Netzwerk "Vinissima" gegründet – ein Verein, in dem nur Frauen aufgenommen werden.

Nun, aber zugegebenermaßen kommt es durchaus auch vor, dass ich in einem Fachseminar als einzige Frau unter circa 200 Männern sitze. Zugleich sind Frauen, aufgrund der zum Teil schweren körperlichen Arbeit im Weinberg und Keller und in der Handhabung der Maschinen, immer in einem gewissen Nachteil – das lässt sich nicht leugnen. Weinbau ist nach wie vor eine Männerdomäne, wenngleich doch viele junge Frauen mit kreativen, neuen Ansätzen hervorragend von sich reden machen.

Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen, Inhaberin Weingut August Eser
„Natürlich mache ich unbewusst und bewusst viele Dinge anders als meine Vorväter – aber das ist normal, sonst gäbe es ja auch keinen Fortschritt.“ Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen

Wirtschaftsforum: Neun Generationen lang lag das Geschick des Weinguts August Eser in den Händen von Männern. Sie geben dieser Historie eine neue Wendung. Machen Sie etwas bewusst anders als Ihre männlichen Vorgänger?

Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen: Jede Generation macht ihr Möglichstes und verwirklicht ihren Traum, so wie es für sie richtig ist. Natürlich mache ich unbewusst und bewusst viele Dinge anders als meine Vorväter – aber das ist normal, sonst gäbe es ja auch keinen Fortschritt. Die technischen Möglichkeiten im Weinbau, die meine Generation heutzutage nutzen kann, bieten nicht nur eine enorme Arbeitserleichterung, sondern bringen insbesondere auch extreme Qualitätsverbesserungen mit sich. Das macht natürlich umso mehr Spaß und erleichtert einer Frau vielfach auch das Arbeiten im Keller und im Weinberg...

Was mich sicherlich mit den Generationen vorher eint, ist das bewusste Leben mit, für und in der Natur. Ein Weinberg steht mindestens für 25 Jahre im Ertrag, wenn nicht länger, deshalb ist eine naturnahe Wirtschaftsweise wichtig und notwendig. Ich möchte ja meinen Kindern die Möglichkeit bieten, einen gesunden Weinberg und Wirtschaftsbetrieb übernehmen zu können. Gleichzeitig fälle ich heute Entscheidungen, die auch meine Kinder noch direkt betreffen werden. So ist es enorm entscheidend weitsichtig und langfristig zu denken. Diese Handlungsweise zeichnet einen landwirtschaftlichen (= weinbaulichen) Familienbetrieb selbstverständlich immer aus. Kurzfristiges Denken funktioniert auf Dauer im Weinbau nicht.

Bewusst anders heutzutage sind auch die Bewerbungsmedien via Webseite, Onlineshop oder Social Media. Auch die Schnelligkeit der Lieferung wird dem heutigen Konsumentenverhalten gerecht. Wer bei uns bestellt, erhält seinen Wein binnen 1 bis 2 Tagen. Mein Großvater hatte noch einen eigenen LKW, der alle paar Wochen in den verschiedenen Städten den Wein ausfuhr. Solange möchte aber in der Regel heute keiner mehr auf seinen Wein warten.

Wirtschaftsforum: Sie sprachen zuletzt davon, dass Frauen in der Branche durchaus einen kleinen Bonus hätten. Was genau meinen Sie damit?

Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen: Nun ja, natürlicherweise müssen wir Frauen aus verschiedenen Gründen anders agieren als unsere männlichen Kollegen. Und ich wage zu behaupten, dass wir Frauen eine andere Ansprache an unsere Weine und Kunden haben. Wir sind intuitiver und feinfühliger und arbeiten mit subtileren Einflussmöglichkeiten. Einer kompetenten jungen Frau, die einen Weinbaubetrieb leitet, schenkt man gerne ein Quäntchen mehr Aufmerksamkeit.

Wirtschaftsforum: Weingüter sind Unternehmen, die richtig geführt werden wollen. Dabei beanspruchen Bürokratie und Verwaltung viel Zeit. Kommen Sie überhaupt noch in den Weinberg, beispielsweise zur Lese?

Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen: Ich gebe zu, ich verbringe viel, manchmal zu viel Zeit im Büro. Sie haben Recht, der Papierkrieg fordert viel Zeit und Ressourcen. Trotzdem bin ich noch ganz nah und verbunden mit meinen Reben. Das geht auch nicht anders. Wir sind ein Teil der Landwirtschaft, wir dürfen unsere Wurzeln (sprich: unsere Reben) nicht vergessen und die lassen sich nicht vom Büro aus begutachten.

Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen, Inhaberin Weingut August Eser
„Wir sind ein Teil der Landwirtschaft, wir dürfen unsere Wurzeln (sprich: unsere Reben) nicht vergessen und die lassen sich nicht vom Büro aus begutachten.“ Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen

Wirtschaftsforum: Abschließend eine persönliche Empfehlung: Mit welchem Wein aus Ihrem Sortiment lässt sich ein arbeitsreicher Tag besonders gut ausklingen?

Désirée Eser Freifrau zu Knyphausen: Wenn die Weinauswahl so banal wäre, dann hätte ich etwas falsch gemacht. [lacht] Es kommt auf meinen Tag und die Stimmung an… Unseren trockenen Riesling „Vom Löss“ VDP.ORTSWEIN, mit seinen kräftig-fruchtigen Noten und seinem Spiel auf der Zunge, unterstreicht meine gute Laune und fördert das Familiengespräch am Abend. Möchte ich einfach nur genießend auf dem Sofa liegen und mich vom Wein und der Stimmung einfangen lassen, dann wähle ich unseren Hattenheimer Engelmannsberg Riesling trocken VDP.ERSTE LAGE, denn sein Aromenspiel und die Geschmacksnuancen lassen mich wunderbar gelöst den Abend genießen. War der Tag verregnet und unser Sohn nur schwer ins Bett zu bekommen, dann streichelt unser Mittelheimer St. Nikolaus Spätburgunder trocken - Barrique - meinen Gaumen und stimmt mich entspannt. Sie merken schon, Wein ist auch Stimmungssache und es gibt so unendlich viele Weine abseits der eingetretenen Pfade, die Wert sind entdeckt und verkostet zu werden, gerade von uns Familien-Weingütern.

Fotos: Heibel

Interview: Markus Büssecker

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