Spitzenmedizin mit Verantwortung: Klinik der Zukunft
Interview mit Matthias Müller, Geschäftsführer der Kerckhoff-Klinik GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Müller, die Kerckhoff-Klinik hat eine besondere Geschichte. Welche Rolle spielt diese Tradition heute?
Matthias Müller: Unsere Wurzeln liegen in der Max-Planck-Gesellschaft, die Patienten frühzeitig an Forschungsergebnissen teilhaben lassen wollte. Diese Idee prägt uns bis heute. Als Campus Kerckhoff der Justus-Liebig-Universität kümmern wir uns um die Ausbildung angehender Mediziner und arbeiten eng mit der Gießener Universität und dem Bad Nauheimer Max-Planck-Institut zusammen. Im Bereich der Versorgung von Herz-, Lungen-, Gefäß- und Rheumaerkrankungen sind wir zu einem international anerkannten Zentrum geworden, das Akutversorgung und Rehabilitation aus einer Hand bietet.
Wirtschaftsforum: Seit unserem letzten Gespräch 2021 inmitten der Coronapandemie hat sich viel getan. Welche Veränderungen waren besonders prägend?
Matthias Müller: Nach der Pandemie haben wir den Klinikalltag stabilisiert und wichtige Entwicklungen initiiert. Digitalisierung ist ein signifikantes Thema und prägt inzwischen einige Kernprozesse, beispielsweise Telemedizin, Patientenakte, Belegwesen, E-Learning oder unser Online-Recruiting-Tool. Ein wichtiger Schritt war die Gründung und der Ausbau der Abteilung Personalentwicklung. Sie fördert unsere Mitarbeitenden fachlich und ist auch für das Betriebliche Gesundheitsmanagement zuständig. Gleichzeitig sorgen verschiedene Angebote dafür, dass hier ein komfortables Angebot existiert.
Wirtschaftsforum: Welche Bedeutung hat die Krankenhausreform, die von Professor Lauterbach angestoßen wurde?
Matthias Müller: Die Reform wird uns bis mindestens 2030 beschäftigen. Wir begrüßen das Ziel, Qualität und Leistungen zu bündeln – das entspricht unserer Philosophie als Fachklinik. Entscheidend ist eine realistische und praxisnahe Umsetzung – vor allem für die Patienten. Um dies zu erreichen, arbeiten wir eng mit zahlreichen Partnern im Gesundheitswesen zusammen, um Schwerpunkte sinnvoll zu verteilen und Qualität zu sichern.
Wirtschaftsforum: Wie wirkt sich Digitalisierung im Klinikalltag aus?
Matthias Müller: Wir haben bereits viele digitale Prozesse etabliert, doch sind noch viele Schritte nötig, um die Abläufe weiter zu verbessern. Von Anmeldung bis Nachsorge läuft vieles digital: elektronische Diagnostik und OP-Dokumentation oder Tablets am Bett. Über Telemedizin betreuen wir Hunderte Herzpatienten nach dem Aufenthalt. Auch in der Verwaltung wollen wir effizienter werden und haben unter anderem E-Learning und Recruiting digitalisiert. Dennoch bleibt der Spagat: Manche Patienten wollen analoge Wege, andere digitale – wir müssen beides bieten.
Wirtschaftsforum: Künstliche Intelligenz wird viel diskutiert. Wie weit sind Sie hier?
Matthias Müller: KI ist heute oft in Software integriert, etwa in der Bildgebung. Sie beschleunigt Prozesse und entlastet Personal, ersetzt Radiologen oder andere Berufsgruppen aber derzeit nicht. Angesichts der Demografie wird Automatisierung unverzichtbar: Mit weniger Fachkräften müssen mehr Patienten versorgt werden – dabei unterstützt uns KI perspektivisch.
Wirtschaftsforum: Was macht die Kerckhoff-Klinik als Arbeitgeber attraktiv?
Matthias Müller: Wir genießen einen sehr guten Ruf und bieten unserem Personal attraktive Benefits. Ein strukturiertes Onboarding und exzellente Weiterbildungsmöglichkeiten erleichtern den Einstieg und fördern die langfristige Entwicklung. Bei uns steht der Patient im Mittelpunkt – das zeigt sich in der hohen Zufriedenheit unserer Patienten mit der Versorgung durch Ärzte und Pflegekräfte sowie einer Weiterempfehlungsquote von über 90%. Es sind unsere engagierten Mitarbeitenden, die die Klinik ausmachen – und viele begleiten uns bereits seit langer Zeit. Sie sind hoch motiviert und begegnen Patienten wie Kollegen mit Freundlichkeit und Offenheit – das macht unsere Kultur aus.
Wirtschaftsforum: Als eines der größten Herzzentren tragen Sie Verantwortung über die Akutversorgung hinaus. Wie engagieren Sie sich im Bereich Prävention?
Matthias Müller: Ein nationales Präventionsprogramm für Herzkrankheiten gibt es leider noch nicht. Die Deutsche Herzstiftung fordert Kinder-Screenings – ein sinnvoller Ansatz. Wir steigen ein, wenn niedergelassene Kardiologen nicht mehr weiterkommen und setzen dann auf Sekundärprävention mit Reha, Selbsthilfegruppen und Nachsorge am Campus. Künftig wollen wir uns auch am Lungenkrebs-Screening beteiligen, das nächstes Jahr startet. Für uns gehören Prävention, Akutversorgung und Rehabilitation untrennbar zusammen.
Wirtschaftsforum: Welche Themen prägen Ihre Agenda in den kommenden Jahren?
Matthias Müller: Wir müssen die Zukunft des Hauses sichern und dabei die Krankenhausreform im Blick behalten. Qualität erreichen wir im Netzwerk – unter anderem durch die Weiterbildung von Hausärzten, die Zusammenarbeit mit Fachärzten, dem Gesundheitszentrum Wetterau, der Uniklinik Gießen und vielen anderen Krankenhäusern sowie Industriepartnern und Herstellern von Medizinprodukten. Moderne Technologien und Medizintechnik stärken unsere Spitzenmedizin. Gleichzeitig bleiben alle Aufgaben rund um Personal und Digitalisierung Kernthemen; zugleich überarbeiten wir unsere Strategie und bauen ein Energiemanagementsystem auf.
Wirtschaftsforum: Was erwarten Sie von der neuen Gesundheitsministerin und welche Ziele setzen Sie sich?
Matthias Müller: Positiv ist, dass die neue Gesundheitsministerin wieder den direkten Dialog mit den Kliniken sucht und die Länder künftig mehr Mitspracherecht erhalten. Die Aufgabe der neuen Verantwortlichen im Gesundheitsministerium ist, die Belange sowohl regional als auch überregional in allen Teilen Deutschlands zu berücksichtigen, um die zukünftige Versorgung zu gewährleisten. Klar ist auch: Die Ambulantisierung wird weiter zunehmen – dies wird die Krankenhäuser erreichen und alle müssen sich vorbereiten. Wir erwarten eine faire Finanzierung, die nicht nur die anstehende Transformation ermöglicht, sondern zugleich die bestehende, qualitativ hochwertige Patientenversorgung langfristig absichert. Unser Ziel bleibt es, souverän und selbstbestimmt im Netzwerk auf Spitzenniveau einer Fachklinik zu arbeiten – und uns in Präventionsprogramme einzubringen, sobald diese etabliert sind.









