Teil 2/2: Die Herausforderung als Chance begreifen

Interview mit Henry Maske, Olympiasieger, Profiboxer und Unternehmer

Wirtschaftsforum: Herr Maske, Ihre Stiftung trägt den Namen „A Place for Kids“. Bietet unsere Gesellschaft denn nicht genügend Raum für Kinder?

Henry Maske: Diese Frage kann man so genau leider nicht beantworten, oder? Ich tue mich damit jedenfalls sehr schwer, denn auf eine globale Frage gibt es keine globale Antwort. Unsere Gesellschaft tut in vielen Bereichen wahnsinnig viel für Kinder und Jugendliche. Vielerorts deutlich mehr als andere, aber immer noch nicht so viel wie möglich. Wir rühmen uns gerne, dass wir ein sehr offenes Land sind und aktuell merken wir wieder, dass wir auch ein soziales Land sind. Trotzdem wird das in der Praxis eben nicht an jedem Ort umgesetzt. Das heißt vor allem auch, dass für manches Kind, das Unterstützung nötig hätte, ebendiese Unterstützung fehlt, weil die kleinste Zelle, die Familie, sie möglicherweise nicht bieten kann. Dann sind Alternativen notwendig und Menschen, die darauf achten, dass diese Alternativen geboten werden.

Beispiele für solche Alternativen gibt es ohne Frage, aber es gibt sie eben nicht überall. Und es wäre schon zu viel, wenn dies auch nur ein einziges Kind treffen würde. Aktuell wird das ja glücklicherweise auch deutlich kommuniziert, denn der Shutdown ist für viele Familien eine Herausforderung. Etliche kommen damit gut zurecht, aber nicht jede Familie hat ein Haus mit Garten, viele leben in einer kleinen Wohnung. Gut, das Wetter spielt mit, man kann sich draußen frei bewegen. Aber den Kindern fehlt der Kontakt mit den Freunden und nicht alle Eltern haben auch die Energie, ihre Kinder in dieser Zeit der Abgeschlossenheit so zu unterstützen und zu beschäftigen, wie sie es brauchen würden. Deswegen lässt sich nicht sagen, ob wir für die Kinder tatsächlich genug tun in unserem Staat, in dem doch sehr viel gemacht wird.

„Für manches Kind, das Unterstützung nötig hätte, fehlt ebendiese Unterstützung, weil die kleinste Zelle, die Familie, sie möglicherweise nicht bieten kann. Dann sind Alternativen notwendig und Menschen, die darauf achten, dass diese Alternativen geboten werden.“ Henry Maske
Henry Maske

Unsere Stiftung gibt es dieses Jahr seit 20 Jahren und die Perspektivfabrik gibt es jetzt über zehn Jahre. Dort bieten wir 800 Kindern und Jugendlichen im Sommer und im Herbst jeweils eine Woche Ferienfreizeit an. Unter diesen Kindern gibt es viele, für die das tatsächlich das erste Mal ist, dass sie während der Ferien wegfahren. Dort gibt es glücklicherweise großartige Betreuer, die darauf achten, dass diese Kinder während dieser Woche mit allen Möglichkeiten ausgelastet werden. Wir haben dort eine große Fläche, sind weit weg vom Schuss. Die Kinder haben viel Platz. Wenn das Wetter mitspielt, haben wir einen Riesen-Außenplatz, außerdem eine große Sporthalle. Es gibt viele Sportmöglichkeiten. Da ist vieles, was auf der einen Seite überhaupt nichts Besonderes ist, auf der anderen Seite aber in dem Moment, wo man es benötigt, dann auch hilfreich ist. Am Ende geht es darum, dass die Kinder eine Gemeinschaft empfinden, gehört werden, Resonanz bekommen. Dass sie irgendwann merken, dass es andere mit ähnlichen Schicksalen gibt, dass sie sich untereinander verständigen und merken, hey, da ist jemand, der ist irgendwie mit ähnlichen Problemen unterwegs wie ich. Ich bin ja gar nicht ganz allein. Ich werde wahrgenommen, und ich werde auch ernst genommen. Jedes Kind will einfach dazugehören, auch wenn es Regeln einhalten muss. Ich habe das erlebt. Das ist so beeindruckend und doch wieder selbstverständlich und einfach.

Henry Maske
„Am Ende geht es darum, dass die Kinder eine Gemeinschaft empfinden, gehört werden, Resonanz bekommen.“ Henry Maske

Wirtschaftsforum: Sie engagieren sich ja auch in sozialen Bereichen, nicht zuletzt durch die Stiftung. Sollte sich die Wirtschaft in Deutschland noch stärker im sozialen Bereich engagieren?

Henry Maske: Es gibt auch in diesem Bereich sehr viele Kleinunternehmer und Mittelständler, die sich ihrer Region, ihrem Stadtteil, dem Gebiet, wo sie herkommen verpflichtet fühlen und dort auch einen praktischen Beitrag leisten. Viele solcher Aktionen haben eine hohe Bekanntheit erlangt, zum Beispiel die Tour der Hoffnung. Aus der Taufe gehoben in Gießen durch einen Professor, fuhren am Ende viele begeisterte Radsportler und Freizeit-Radsportler mit – für eine gute Sache. Die Tour der Hoffnung erstreckt sich mittlerweile über einen Zeitraum von vier Tagen, plus weiteren Tagen im Vor und im Nachgang. Sie hat um die 200 Teilnehmer; viele ehemalige, sehr erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler und Fitnesstrainer sind dabei und unterstützen dieses Ereignis. Im letzten Jahr wurden über zwei Millionen Euro eingenommen. Hinter alldem steckt unfassbar harte Arbeit, ein wirkungsvoller, aber auch extrem intensiver Aufwand. Nur weil – in Anführungszeichen – „ein paar Leute mit dem Rad fahren“, ist ja bis dahin unglaublich viel Arbeit geleistet worden. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Wirtschaftsforum: Wir haben erfahren, wie wichtig das Motiv, die Motivation für Sie als Sportler war. Was motiviert Sie heute?

Henry Maske: Ich trage, wie jeder andere Mensch auch, Verantwortung für das, was ich tue, und ich trage sie gern. Jeder geht mit diesem Verantwortungsbewusstsein glaube ich anders um. Mir geht es darum, dass man am Ende auch verantworten muss, was man tut. Und diese Ernsthaftigkeit ist mir trotz der Lebensfreude, die ich anderen und mir selbst zusprechen würde, auch immer wieder ein gedanklicher Begleiter bei dem, was ich tue und lasse. Ich habe genauso viele Schwächen wie die meisten anderen Menschen auch. Aber ich habe auch eine Stärke, und die ist mir bewusst. Und ich setze dann letztlich diese Stärke ein, um es für mich auf den Punkt zu bringen.

„Ich trage, wie jeder andere Mensch auch, Verantwortung für das, was ich tue, und ich trage sie gern. Mir geht es darum, dass man am Ende auch verantworten muss, was man tut.“ Henry Maske
Henry Maske

Wirtschaftsforum: Ist das letztlich die Motivation?

Henry Maske: Nun ja, ich meine irgendwann mal begriffen zu haben, wie viel mir fehlt, um ein erfolgreicher Boxer zu werden. Was ich dafür vielleicht tun kann und welche Fähigkeiten in mir stecken und welche ich mir aneignen muss, wie ich mich verbessern und wie ich einen gewissen Level erreichen kann. Das ist die eine Seite gewesen. Dann habe ich mich nach einigen Jahren bei McDonald‘s als Franchisenehmer beworben und im Laufe der Zeit durch die zehn Restaurants, die ich übernommen habe, für immer mehr Mitarbeiter Verantwortung bekommen. Insofern habe ich selbstverständlich auch dort meinen Level kennengelernt, meine Stärken, aber auch meine Schwächen. Ich habe erkannt, wovon ich definitiv viel zu wenig habe und was eigentlich nötig ist und geleistet werden muss. An diesem Punkt musste ich mir die Personen suchen, die mich dabei begleiten. Ich musste sie auch in die Lage versetzen, auf der einen Seite das zu tun, was nötig ist, auf der anderen Seite aber auch Ihre Ziele zu verfolgen. All das habe ich erfahren. Ich bin ein guter durchschnittlicher Franchisenehmer gewesen und habe das alles auch in den vergangenen Jahren immer wieder reflektiert. Ich habe mich gerne mit meinen Kollegen unterhalten und erfahren wollen, wie sie die Dinge machen und warum. Ich habe sie nicht sofort „abgekupfert“ und übernommen, sondern ich habe mir auch da wieder Gedanken gemacht, was es mir bringt und was es mir hilft.

Für einen selbst bedeutet es auch, mal eine Entscheidung treffen zu müssen, die für den Einzelnen vielleicht nicht gerade wünschenswert ist. Wenn ich aber die Verantwortung für die Gruppe trage, muss ich manchmal Entscheidungen treffen, die nicht gut tun. Und ich muss den Mut haben, diese Entscheidungen zu treffen. Denn Leute, die Entscheidungen treffen, erleben das ja immer wieder: sie werden nicht immer nur mit Begeisterung empfangen.

Henry Maske
„Ich muss den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, die für den Einzelnen vielleicht nicht gerade wünschenswert sind.“ Henry Maske

Wirtschaftsforum: Gibt es ein Thema, das wir vielleicht noch nicht besprochen haben? Etwas, das Ihnen wichtig ist?

Henry Maske: Eigentlich nicht. Aber ich muss gestehen, dass mir sowohl insgesamt als auch vor dem Hintergrund der aktuellen Situation aufgrund Corona die Lage vieler Kinder Sorgen macht. Sie wissen ja, diese Enge, die in einigen Familien sicherlich auch eine physische Belastung für die Kinder bis hin zu höchst kritischen, gefährdenden Situationen bedeutet. Ich hoffe – und das ist mir wichtig –, dass dies dort auch im direkten Umfeld die notwendige Aufmerksamkeit erhält. Denn es gibt durchaus viele Beispiele, wo die Nachbarschaft Verantwortung übernommen und reagiert hat, indem solche Vorfälle dem zuständigen Amt gemeldet wurden. Ich weiß, dass auch die Ämter in manchen Fällen entweder überfordert sind oder man sich dort der Lage nicht in vollem Umfang bewusst ist. Aber Fakt ist: Es ist wichtig, in so einem Fall zu handeln! Damit wir uns hinterher nicht die Frage stellen müssen: Warum habe ich nichts getan? Das wünsche ich niemandem. Das heißt nicht, dass es nicht immer wieder passieren kann, weil wir die Dinge falsch eingeschätzt haben. Denn wir sind am Ende alle nur Menschen.

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