Teil 1/2: Die Herausforderung als Chance begreifen

Interview mit Henry Maske, Profiboxer, Olympiasieger, Weltmeister und Unternehmer

Wirtschaftsforum: Herr Maske, Sie haben 1988 olympisches Gold gewonnen und sind 1990 ins Profilager gewechselt. Gab es nach dem Wechsel für Sie abgesehen von den äußeren Rahmenbedingungen einen Unterschied in der Art, wie Sie Ihren Sport ausgeübt haben?

Henry Maske: Technisch gesehen war das alles vergleichbar, auch wenn bei den Profis das Maximum von zwölf Runden ausgeschöpft wurde. Es gab viele ehemalige, sehr erfolgreiche Olympioniken, die dann ins Profilager gewechselt sind. Für uns als jüngere Boxergeneration war das in der DDR bis zur Wende natürlich nicht möglich, es sei denn wir hätten das Land verlassen, und das wollte ich nie. Insofern ist es dann für uns mit der ganzheitlichen Veränderung, die die DDR erlebte, etwas ganz Besonderes gewesen, dass wir sehr schnell zu einer Situation kamen, mit der wir bisher überhaupt nicht geplant hatten – und die plötzlich möglich war. Ich war der Erste, der sich in offizieller Form für den Profisport entschieden hat. Damit lag aber auch ganz viel Kritik in der Luft, denn ich hatte bisher in einem Staat gelebt, in dem das bis dato unmöglich gewesen war und höchst kritisch betrachtet wurde.

Und auf der anderen Seite entsprach ich von der boxerischen Herangehensweise auch eher nicht der dortigen Vorstellung vom typischen professionellen Boxer, der resolut nach vorne geht und den anderen aus dem Weg haut. Ich war ein anderer Typ. Fakt ist aber: Ich habe mich auch ein wenig erschrocken angesichts des Niveaus, das ich auf der anderen Seite vorfand. Denn natürlich hatte ich irgendwann im Ring mit professionellen Boxern zu tun und der Leistungssport, den wir praktiziert haben, hat abgesehen von der Honorierung selbstverständlich auch im höchsten Maße mit Professionalität zu tun gehabt. Und die beginnt ja nicht erst, wenn mir klar wird, dass ich dafür auch noch viel Geld bekomme, sondern die Professionalität muss beginnen, wenn ich es wage, mich international auf höchstem Level zu vergleichen. Dazu gehört, dass ich mich über lange Distanz professionell verhalten muss. Unabhängig davon, ob ich die Chance dazu habe und die Voraussetzungen mitbringe, muss ich es tun. Das ist ganz klar. Und darin unterscheidet sich natürlich der Leistungssportler als Amateur überhaupt nicht vom Profi. Der Unterschied ist ein ganz anderer: Als Profi erfährt man eine andere, sehr spezifische Resonanz.

„Professionalität muss beginnen, wenn ich es wage, mich international auf höchstem Level zu vergleichen. Dazu gehört, dass ich mich über lange Distanz professionell verhalten muss.“ Henry Maske
Henry Maske

Wirtschaftsforum: In einem Interview mit Wirtschaftsforum betonte Formel 1-Legende Niki Lauda einmal, dass er lieber über Niederlagen anstelle von Erfolgen spricht. Ersteres sei „viel leichter“. Inwiefern teilen Sie diese Einstellung?

Henry Maske: Er hat so Recht, und das wird jeder behaupten, der wie er über einen langen Zeitraum erfolgreich gewesen ist. Die glücklicherweise wenigen Niederlagen, die ein erfolgreicher Mensch erfährt, prägen ihn und zwingen ihn zur Veränderung. Man beginnt sich massiv darauf zu fokussieren, was man anders machen kann.

Wirtschaftsforum: Im Boxring haben Sie sicherlich nicht viel gesprochen, sondern sich auf den einzelnen Gegner fokussiert und so Ihre zahlreichen Erfolge erringen können. Heute treten Sie dagegen als Referent vor großem Publikum auf. Wie leicht ist Ihnen dieser „Bühnenwechsel“ gefallen?

Henry Maske: Wenn ich heute Interviews gebe und dann manchmal solche lese, die mittlerweile 30, 40 Jahre zurückliegen, gewinne ich den Eindruck, dass ich mich gar nicht so wahnsinnig verändert habe. Ich reflektiere natürlich: Was habe ich gesagt, wie habe ich mich ausgedrückt? An sich fällt es mir aber gar nicht schwer, das zu kommunizieren, worüber ich in der Vergangenheit immer wieder nachgedacht habe, was ich erlebt habe, das, was mich geprägt hat, womit ich mich intensiv auseinandersetzen musste und woran ich mich entwickelt habe. In den letzten Jahren bin ich, glaube ich, auch als Redner sehr viel strukturierter geworden. In meinen Vorträgen bewege ich mich definitiv in einem bestimmten inhaltlichen Rahmen. Aber das ist nichts, was ich jedes Mal aufs Neue in gleicher Form oder im gleichen Wortlaut präsentieren würde, sondern ich gestalte das recht frei.

Wirtschaftsforum: Unter Ihren Zuhörern befinden sich auch Unternehmer und Entscheidungsträger. Was ist Ihre zentrale Botschaft, die Sie besonders diesen beiden Zielgruppen im Rahmen Ihrer Vorträge vermitteln wollen?

Henry Maske: Für meine Begriffe gibt es an sich nicht „die“ Zielgruppe. Es beflügelt mich aber besonders, wenn meine Zuhörer Jungunternehmer sind beziehungsweise noch im Studium oder in einer Ausbildung stecken, denn das sind ja auf der einen Seite Menschen, die zwar einerseits wissen, was sie wollen, die aber andererseits noch recht unerfahren und selbstverständlich in vielen Bereichen noch nicht wirklich sicher sind. Man ist in diesem Stadium immer auf der Suche. Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Ich war immer sehr neugierig, was aber nicht heißt, dass ich alles, was ich gehört habe, unkritisch übernommen hätte. Ich habe vielmehr darüber nachgedacht und mir dann die Frage gestellt, was es mir bringt, ob es mir überhaupt etwas bringt und wenn ja, warum. Im Laufe der Zeit konzentriert man sich auf wenige zentrale Aspekte.

In meinem Leben ist der allererste Aspekt der, dass jeder Mensch ein Motiv hat für das, was er tut, und sein Tun auch hinterfragen muss. Denn viele Menschen stellen sich gar nicht die Frage, warum etwas in ihrem Leben nicht klappt und was sie tun könnten, um zufriedener zu sein. Dabei spielen auch Herausforderungen und schwierige Situationen eine wichtige Rolle, denn die muss man nicht nur ertragen, sondern vor allem auch annehmen und als Chancen begreifen. Das ist meine allerwichtigste Botschaft, denn wenn ich ein starkes Motiv habe, werde ich mit schwierigen Situationen fertig und kann sie sogar für mich nutzen. In Unternehmen wird zum Beispiel sehr oft über Motivation gesprochen. Doch das Entscheidende ist: Habe ich ein starkes Motiv, spielt die Motivation überhaupt keine Rolle! Denn das Motiv ist da: Ich will das, was ich tue, wirklich tun. Also tue ich es und muss mich nicht jeden Tag neu hinterfragen, ob ich das wirklich tun will.

Henry Maske
„Wenn ich ein starkes Motiv habe, werde ich mit schwierigen Situationen fertig und kann sie sogar für mich nutzen.“ Henry Maske

Wirtschaftsforum: Im Internet findet sich das Zitat „Boxen: eine Metapher des Lebens“. Ihr Credo ist: „Nur wer aufgibt, hat verloren“. Welche anderen Metaphern haben Sie persönlich schätzen gelernt?

Henry Maske: 2006 habe ich ein Buch geschrieben und dann ist dieser Satz irgendwann als Resümee aus den vielen Beiträgen herausgekommen, sodass alle gesagt haben, das wäre doch Maskes Slogan. Damit konnte ich mich anfreunden. Aber mein eigentliches Motto ist ein ganz einfacher, simpler Satz meines Vaters, und er begleitet mich schon mein ganzes Leben: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Da steckt eigentlich alles drin! Er bedeutet, dass man für alles, was man tut, die volle Verantwortung trägt. Ich bin ja schon sehr früh zum Boxen gekommen, mit sechs Jahren, und hatte das Glück, dass meine ersten beiden Trainer mich so motiviert haben, dass ich dabeigeblieben bin. Mit neun Jahren hatte ich dann einen Einbruch und habe bei Wettkämpfen auch schon mal deutlich verloren. Aber mit genau diesem Satz hat mein Vater mich dazu gebracht, am Ball zu bleiben. Mir fällt von Natur aus nichts zu, ich musste mich von Anfang an selbst herausfordern.

Mein Talent steckt in der Nachhaltigkeit meiner Einstellung, im Nachdenken darüber: Was habe ich da getan? Warum habe ich es so getan, hätte man es anders tun können? Was muss ich tun, um besser zu sein als der andere? Wo kann ich mich verbessern? All diese Dinge. Was ich sagen will, ist: Man kann sich im Vorfeld selbstverständlich schwerlich in Gänze ausmalen, was auf einen zukommt. Aber man soll auf alles vorbereitet sein und wird dann am Ende auch nicht erschrecken. Diese Erfahrung habe ich gemacht, als ich fast zehn Jahre nach meinem letzten Kampf ernsthaft darüber nachgedacht habe, nochmal in den Ring zu steigen. Ich habe mir bewusst gemacht, was alles dazugehört. Nicht nur der schöne Moment, der vielleicht kommen würde, das Gefeiertwerden, sondern auch, welch einen strapaziösen Weg ich gehen muss, bis ich so weit komme. Denn die Alternative, eine Niederlage, ist immer genauso möglich. Und eines steht fest: Man kann keine schöne Niederlage erleben.

Wirtschaftsforum: Wirtschaftliche Interessen bestimmen zunehmend die Ausrichtung des Leistungssports. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Henry Maske: Unter dem Aspekt des ganzheitlichen Wohlbefindens ist es nur legitim, wenn die Sportler das maximal Mögliche für sich herausholen. Aber: Niemand, der sich ausschließlich aufs Geld fokussiert, hat eine Chance, ein wirklich erfolgreicher Sportler zu werden. Ein Sportler braucht in der heutigen Zeit selbstverständlich einen Partner, der den finanziellen Part übernimmt. Der Sportler oder die Sportlerin hat aber vordergründig nur ein Ziel: die bestmögliche Performance abzuliefern, mit dem Bewusstsein: Ich will besser werden, ich will der Beste werden. Als Sportler muss ich Argumente finden, warum ich der Beste bin. Wie kann ich mich noch mehr fokussieren? Wie kann ich besser werden? Wie kann ich mich unterscheiden? Wo kann ich meine Vorzüge präsentieren? Das ist als Sportler meine höchste Aufgabe. Und da ist es am Ende auch legitim, wenn man dann auch das maximal Mögliche für sich herausholt – aber damit meine ich eben nicht nur den finanziellen Aspekt, sondern das allgemeine Wohlbefinden, denn das ist ja ein Kreislauf aller Lebensaspekte.

„Niemand, der sich ausschließlich aufs Geld fokussiert, hat eine Chance, ein wirklich erfolgreicher Sportler zu werden. Dennoch: Reichtum ist zwar nicht ausschließlich auf das Finanzielle bezogen, aber das heißt nicht, dass es ohne Geld ginge.“ Henry Maske
Henry Maske

Dennoch: Reichtum ist zwar nicht ausschließlich auf das Finanzielle bezogen, aber das heißt nicht, dass es ohne Geld ginge. Aus meiner eigenen Karriere habe ich da ein Beispiel: 2006 habe ich Teddy Atlas, meinen ehemaligen Trainer aus den USA, angesprochen und ihn dazu motivieren können, mich zu trainieren, obwohl er sich schon lange von seinen Aktivitäten als Trainer zurückgezogen hatte. Ich war dann eine Zeitlang in den USA und habe dort mit ihm gearbeitet. Er fragte mich, ob ich den Kampf, den ich gerade vorhatte, auch ohne eine Börse machen würde. Ich sagte ihm, dass man hier zwei Dinge unterscheiden müsse: Das eine sei das Geschäft, das andere mein ganz persönliches Ziel. Ich würde definitiv nicht ohne Geld arbeiten. Denn einerseits sei es wie gesagt ein Geschäft und daran würden viele andere Geld verdienen. Das andere sei mein Ehrgeiz: Ich wolle diesen Sieg und machte es ausschließlich deswegen, weil ich glaubte, dass es möglich sei. Ich habe ihm erklärt, dass ich eine faire Chance für einen Sieg sähe, dafür aber viel auf mich nehmen müsse und dass es deswegen nur rechtens sei, dafür auch Geld zu verlangen.

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