Von Emmerich in die Welt
Interview mit Jordi Queralt, Geschäftsführer der H. von Gimborn GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Queralt, welche Entwicklungsschritte haben Ihr Unternehmen geprägt – und wie bewerten Sie die jüngsten Jahre im Hinblick auf Krisen, Chancen und Herausforderungen?
Jordi Queralt: Gegründet 1855 als Arzneimittelfabrik, waren wir zunächst breit in der Chemie tätig. Nach dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten wir pharmazeutisches Wissen für Heimtiernahrung. 1965 folgte der Einstieg in die Tierernährung mit einer Lizenz von IPEVET, wir waren die Ersten, die Milchpulver für Welpen und Kätzchen entwickelten und führten zudem funktionale Inhaltsstoffe in Snacks ein. Seit 1986 sind wir zudem im Segment Katzenstreu aktiv. 1999 begann unsere internationale Expansion mit dem Kauf von Giglioli in Italien – heute sind wir in über 70 Ländern vertreten. 2019 und 2020 waren Krisenjahre, die wir mit neuer Führung und konsequenter Restrukturierung überwanden. Seit 2022 arbeiten wir mit einer neuen Strategie wieder profitabel und stabil, auch wenn das Umfeld makroökonomisch und politisch herausfordernd bleibt. Chancen sehen wir vor allem in Innovation, organischer Katzenstreu und internationalem Ausbau.
Wirtschaftsforum: Welche Produkte prägen Ihr Portfolio – und in welchen Marktsegmenten oder Wachstumsmärkten sehen Sie die größten Chancen für die Zukunft?
Jordi Queralt: Unter GimCat bieten wir Snacks, Nahrungsergänzungen und funktionale Pasten an, seit Kurzem auch Nassvollfutter ʻNear Nature’, das sich am Nährstoffprofil von Beutetieren orientiert. Ein Beispiel sind unsere beliebten Rollis mit echtem italienischem Hartkäse. Biokat’s ist Pionier bei klumpender Bentonit-Streu und setzte erstmals Düfte und Aktivkohle ein. Zukünftige Trends kommen aus dem Humanbereich: Produkte für Alterung, Proteine und Darmgesundheit sowie Clean Label. Bei Streu liegt der Fokus auf organischen Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen. Unsere Stärken sind eigene F&E, die Zusammenarbeit mit Tierärzten und eigene Produktion.
Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre Zielgruppen und in welchen Märkten sehen Sie Potenzial?
Jordi Queralt: Unsere Kunden sind gut informierte Katzenhalter, die Qualität über den Preis stellen und Marken mit Mehrwert für Gesundheit und Wohlbefinden schätzen. Starke Märkte sind die DACH-Region, die Niederlande und Italien. Wachstumspotenzial sehen wir in Osteuropa – etwa in Tschechien, Polen und der Ukraine – sowie in Spanien und der Türkei. Chancen bieten zudem UK, Frankreich, Lateinamerika und Asien, Letzteres mit steigender Kaufkraft und wachsender Mittelschicht.
Wirtschaftsforum: Wie setzen Sie Nachhaltigkeit in Ihren Prozessen um?
Jordi Queralt: Alle Eigenprodukte entstehen in Deutschland. Bentonit-Streuen produzieren wir in Kelheim mit Rohstoffen aus einem 100 km-Umkreis, die Gruben werden renaturiert, das Blockheizkraftwerk versorgt das Werk mit Energie. Für Snacks achten wir primär auf kurze Lieferwege, offene Deklarationen und Partner aus Deutschland oder Österreich. Verpackungen stellen wir auf recyclingfähige Materialien und FSC-zertifiziertes Papier um.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle hat die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen, und wo schafft sie konkrete Innovationen?
Jordi Queralt: Digitalisierung durchzieht alle Prozesse – von Logistik und Vertrieb bis zur Qualitätssicherung. Besonders im E-Commerce und Digital Marketing steigern wir damit unsere Wettbewerbsfähigkeit. Auch das Nachhaltigkeitsmanagement profitiert davon. Erste KI-Anwendungen nutzen wir für Marketing, Sales und Prozessoptimierung.
Wirtschaftsforum: Welche Werte prägen Ihre Unternehmenskultur?
Jordi Queralt: Rund 230 Mitarbeitende aus über 20 Nationen prägen unser Unternehmen – von langjährigen ‘Urgesteinen’ bis zu neuen Talenten. Vielfalt, Wertschätzung, Innovation, Zuverlässigkeit und Professionalität. Entscheidend ist der Teamgeist in interdisziplinären Projekten. Unsere Stärken liegen in der Verbindung von Tradition und Innovation sowie in einer hybriden Marktstrategie mit Fachhandel und starkem E-Commerce.
Wirtschaftsforum: Welche Themen stehen auf Ihrer Agenda – und welche Ziele verfolgen Sie?
Jordi Queralt: Kurzfristig müssen wir globale Unsicherheiten und Konsumzurückhaltung bewältigen. Zugleich wollen wir Erkenntnisse aus Ernährungs- und Verhaltensforschung in unsere Produkte einfließen lassen. Langfristig streben wir an, ein führendes Katzenunternehmen zu werden – mit nachhaltigem Wachstum, starken Partnerschaften und echtem Mehrwert für Katzenhalter.
Wirtschaftsforum: Was treibt Sie persönlich an?
Jordi Queralt: Meine Motivation sind unsere Mitarbeitenden. Ich möchte sichere Arbeitsplätze schaffen, die Sinn stiften, Spaß machen und Entwicklung ermöglichen. Ebenso wichtig ist mir gesellschaftliche Verantwortung: etwa durch Ausbildung, Wirtschaftsförderung und die Unterstützung lokaler Projekte wie ‘Homecoming’ in Emmerich oder das ‘24 Stunden-Radrennen’ in Kelheim.