Gute Führung ist nicht vom Geschlecht abhängig

Interview mit Larissa Zeichhardt, Geschäftsführung der LAT-Gruppe

Wirtschaftsforum: Frau Zeichhardt, ein großes Thema ist speziell bei Familienbetrieben der Spagat zwischen Traditionsliebe und Fortschrittseuphorie. Ihrer Schwester und Ihnen scheint das zu gelingen, verraten Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis?

Larissa Zeichhardt: Das gelingt nur mit dem Team, das hinter uns steht. Momentan finden generell viele Veränderungen auf allen Ebenen statt. Bei uns kommt sogar noch die Unternehmensnachfolge dazu. Um das zu meistern, braucht es ein Team, das mitdenkt und bereit ist, neue Wege auszuprobieren.

Wirtschaftsforum: Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Larissa Zeichhardt: Wir haben uns beispielsweise intensiv mit der digitalen Baustellendokumentation beschäftigt. Es gibt einige Firmen bei uns in der Branche, die das schon praktizieren. Generell ist die Papierform bei diesem Vorgang umständlich, da alles wieder zurück in Büro muss. Also haben wir erstmalig einen Design-Thinking-Workshop durchgeführt und unsere Bauleiter gefragt, welche Ideen sie zur Optimierung haben. Vor einem Vierteljahr haben wir als Ergebnis eine Baustellendokumentations-App eingeführt. Bei diesem Prozess war es wichtig und hilfreich, dass die Impulse von den eigenen Mitarbeitern ausgegangen sind. Sie sind zudem zu Recht stolz darauf, dass die Lösung nach ihren Vorstellungen umgesetzt wurde.

Larissa Zeichhardt, Geschäftsführung der LAT-Gruppe
Wichtig ist, dass wir als Mittelstand gemischte Teams haben. Und das umfasst nicht nur männlich oder weiblich, sondern auch die unterschiedlichsten Hintergründe der einzelnen Personen." Larissa Zeichhardt

Wirtschaftsforum: Trendforscher Franz Kühmayer machte sich zuletzt für einen Genderwechsel in der Unternehmungsführung stark. Eines seiner Hauptargumente: Es braucht einen Perspektivenwechsel, um die Zukunft zu meistern. Würden Sie dem zustimmen?

Larissa Zeichhardt: Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, dass die Führungsspitze unbedingt durchwechselt. Wichtig ist dagegen, dass wir als Mittelstand gemischte Teams haben. Und das umfasst nicht nur männlich oder weiblich, sondern auch die unterschiedlichsten Hintergründe der einzelnen Personen. Ich glaube außerdem, dass Männer und Frauen womöglich verschiedene, aber vollkommen geschlechtsunabhängige Stärken entwickeln. Es gibt schließlich zahlreiche Männer, die total super führen und neue Perspektiven einbringen. Gute Führung kann man nicht vom Geschlecht abhängig machen.

Wirtschaftsforum: Sie machen sich für MINT-Berufe bei jungen Frauen stark. Hinken wir da wirklich noch so weit hinterher, was die Gleichheit in der Berufswahl angeht?

Larissa Zeichhardt: Wir sind in der Verkehrswirtschaft tätig und haben in den technischen Berufen eine Frauenanteil, der unter 10% liegt. Mit dieser Quote ist es unmöglich, gemischte Teams aufzustellen. Ich glaube nicht unbedingt, dass wir als Branche hinterherhinken, sondern dass das eben auf die Mischung zutrifft. Da müssen wir etwas tun. Wenn wir Innovation rund um das Gleis wollen, sind gemischte Teams eine grundlegende Herausforderung.

"Wenn man mit Frauen 50% einer potenziellen Zielgruppe von vornherein ignoriert, ist das sicher nicht von Vorteil in Zeiten des Fachkräftemangels." Larissa Zeichhardt
Larissa Zeichhardt, Geschäftsführung der LAT-Gruppe

Wirtschaftsforum: Gibt es Modelle aus dem Inland- oder Ausland, bei denen das Problem schon erfolgreich angegangen wird?

Larissa Zeichhardt: Tatsächlich ist es in unserer Branche in ganz Europa ein Phänomen, dass wir in der Verkehrswirtschaft kaum Frauen haben, in den technischen Berufen noch weniger. Aber es gibt schon tolle Aktionen, von denen Veränderungen ausgehen. So habe ich selbst angefangen, das Netzwerk ‚women in mobility’ voranzubringen. Das ist eine Idee, die aus England stammt und dort unter ‚Woman in Rail’ läuft. Dadurch kommen wirklich mehr Talente in die Branche. Wenn man mit Frauen 50% einer potenziellen Zielgruppe von vornherein ignoriert, ist das sicher nicht von Vorteil in Zeiten des Fachkräftemangels.

Wirtschaftsforum: Was macht für Sie gute Führung aus?

Larissa Zeichhardt: Zunächst setzt eine gute Führung auf ein Team. Wir leben nicht mehr in den Zeiten, in denen jeder als Einzelkämpfer antritt. Ich bin fest davon überzeugt, dass man gewisse Stärken, die man selbst nicht hat, durch einen entsprechend qualifizierten Kollegen ausgleichen sollte. So versuchen meine Schwester und ich das zu halten. Wir setzen auf die Kompetenz unseres Teams und nicht nur auf uns selbst. Und wenn einer in der Sache besser ist, dann empfinden wir das als positiv und nicht als Problem.

Larissa Zeichhardt, Geschäftsführung der LAT-Gruppe
"Die Flexibilität umdenken zu können und sich auch einmal von einer anderen Meinung überzeugen zu lassen. Das ist von enormer Bedeutung." Larissa Zeichhardt

Der zweite wichtige Punkt ist für mich Agilität. Die Flexibilität umdenken zu können und sich auch einmal von einer anderen Meinung überzeugen zu lassen. Das ist von enormer Bedeutung. Dafür muss man sich konstant gegenseitig herausfordern. Da kann beispielsweise meine Schwester ziemlich gut.

Wirtschaftsforum: Sie sind in den sozialen Medien sehr aktiv, persönlich und auch für LAT. Ist das für Sie ein unternehmerisch notwendiges Vorgehen oder macht Ihnen das Spaß?

Larissa Zeichhardt: Es ist ein Spagat. Viel wird an meiner Person festgemacht, weil die Frau in der Baubranche anscheinend spannender ist als der Mann. Was schade ist: ich werde da leider immer in gewisse Stereotypen gedrückt. Vor drei Jahren kam der Generationswechsel bei LAT sehr ad hoc, wir konnten das nicht planen. Als zwei Frauen in der Unternehmensnachfolge haben wir uns bewusst dafür entschieden, stark in der Pressearbeit nach außen zu kommunizieren: ‚Wir sind ein Unternehmen und es geht weiter. LAT bleibt auch künftig ein zuverlässiger Partner für seine Kunden.‘

Die sozialen Medien würde ich von dieser Pressearbeit trennen wollen. Das sind tatsächlich Kanäle, mit denen wir Mitarbeiter und potenzielle Mitarbeiter sehr gut erreichen. Jetzt kommt bei uns als Familienunternehmen hinzu, dass wir kein Budget für großangelegte Kampagnen oder Stellenanzeigen haben. Aber am Ende suchen wir die gleichen Fachkräfte wie zum Beispiel die Deutsche Bahn. Wie macht man das ohne Geld? Da geben uns die sozialen Medien eine super Möglichkeit aktiv zu sein.

Interview: Markus Büssecker | Fotos: LAT, IHK Berlin

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