DEHOGA-Präsident Guido Zöllick: „Die im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehenen Überbrückungshilfen greifen zu kurz!“
Interview mit Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA Bundesverbandes
Wirtschaftsforum: Der Slogan unserer Medienmarke Wirtschaftsforum ist: Wir nehmen Wirtschaft persönlich. Welches Thema ist Ihnen vor dem Hintergrund der aktuellen Situation besonders wichtig? Wo sehen Sie zurzeit den Schwerpunkt Ihrer Arbeit?
Guido Zöllick: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Gastgewerbe sind verheerend. Zigtausende gastgewerbliche Betriebe kämpfen um das wirtschaftliche Überleben und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Unsere Aufgabe ist es, wirksame Unterstützung für die unverschuldet in Not geratenen 223.000 gastgewerblichen Betriebe durch die Politik einzufordern. Und das tun wir – durch Stellungnahmen, Gespräche und flankierende Pressearbeit.
Wir erwarten, dass jeder Betrieb die Hilfe erfährt, die er benötigt, um diese schwerste Krise nach dem Zweiten Weltkrieg zu überstehen. Zudem geht es bei uns um frühzeitige Information und Aufklärung der Betriebe über neue Entwicklungen und Entscheidungen in einer äußerst schwierigen wie schnelllebigen Zeit. Es gilt, die teilweise äußerst komplexen Sachverhalte und rechtlichen Konsequenzen der Corona-Maßnahmen verständlich, branchengerecht und praxisnah aufzubereiten, zu erläutern und die Unternehmer zu beraten.
Denken wir hier an Fragen zu den rechtlichen Folgen der Betriebsschließung, das Anzeigen von Kurzarbeitergeld oder das Beantragen von Förderprogrammen. Insbesondere auch jetzt in der herausfordernden Phase des Wiederhochfahrens der Branche unterstützt der DEHOGA die Betriebe mit fundierten Informationen über die geltenden Rechtsverordnungen in den Bundesländern, mit konkreten Handlungsanleitungen und praktischen Umsetzungshilfen wie Synopsen, Checklisten und Vorlagen für die Mitarbeiter- und Gästekommunikation.
Alles Wichtige für die Branche im Umgang mit der Corona-Pandemie hält das Info-Portal www.dehoga-corona.de bereit. Eines ist klar: Nur wenn Gastgeber, Gäste und Mitarbeiter die erforderlichen Schutzmaßnahmen verstehen und konsequent einhalten, werden die Lockerungen Bestand haben. Wir alle tragen Verantwortung, um eine zweite Infektionswelle zu vermeiden. Gleichzeitig ist die Politik aufgerufen, genau hinzuschauen, was sich in der Praxis bewährt und notwendig ist, und was nicht, und dann abhängig vom Infektionsgeschehen zeitnah nachzubessern.
„Nur mit Krediten ist es nicht getan. Das sind am Ende alles Schulden, die die Unternehmer zurückzahlen müssen.“ Guido Zöllick
Wirtschaftsforum: Herr Altmeier hat schnelle, unbürokratische Kredite für den Mittelstand versprochen, Schnellkredite, Schutzschirme, Start-Up Hilfen. Sind diese Kredite auch in der Gastronomie und Hotellerie angekommen?
Guido Zöllick: Neben den Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld und der Mehrwertsteuersenkung für Speisen waren die Corona-Soforthilfen vom Bund beziehungsweise von den Ländern und die KfW-Kredite mit verlängerten Tilgungsfristen und einer hundertprozentigen Haftungsfreistellung wertvolle Liquiditätshilfen. Allerdings haben die Kredite nicht alle Betriebe erreicht.
Die Betriebe berichteten von Problemen bei der Kreditvergabe über die Hausbanken, von komplizierter Antragstellung und von langen Bearbeitungszeiten. Und: Nur mit Krediten ist es nicht getan. Das sind am Ende alles Schulden, die die Unternehmer zurückzahlen müssen. Umso wichtiger sind jetzt die angekündigten Überbrückungshilfen in Form von Fixkostenzuschüssen für die Monate Juni, Juli und August.
Wirtschaftsforum: Welche weiteren unterstützenden Maßnahmen erwarten Sie von der Politik zur Überwindung der Krise im Gastronomie- und Hotelleriegewerbe?
Guido Zöllick: Die im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehenen Überbrückungshilfen greifen zu kurz und bleiben hinter den Erwartungen zurück. Für uns ist es unabdingbar, dass das Förderprogramm jedem Betrieb im Sinne von Arbeitsstätte zur Verfügung steht. Maßgeblich darf nicht die Größe oder die Rechtsform des Unternehmens sein, sondern allein der Grad der individuellen Betroffenheit.
Wir fordern zudem eine Erhöhung der Summen und eine Ausweitung der Laufzeit. Das gilt auch mit Blick auf Clubs, Discotheken und Event-Caterer, für die es auf lange Sicht immer noch keine Hoffnung auf Umsatz gibt. Zugleich wird es darauf ankommen, dass die Gelder noch rechtzeitig fließen. Handlungsbedarf sehen wir bei der gesetzlichen Verankerung des Anspruchs auf Pachtminderung in Zeiten der Corona-Pandemie. Ein wichtiges Branchenanliegen zur Stärkung der Gastronomie bleibt die Entfristung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie unter Einbeziehung von Getränken.
„Elementar wichtig ist jetzt, dass die beschlossenen Überbrückungshilfen schnell kommen.“ Guido Zöllick
Wirtschaftsforum: Bitte beziehen Sie Stellung zum Corona-Konjunkturpaket? Was sind wichtige Hilfen, was fehlt Ihrer Meinung nach?
Guido Zöllick: Wir erkennen an, dass die Koalitionäre einen Kompromiss mit wichtigen Impulsen gefunden haben. Viele der angekündigten Maßnahmen gehen in die richtige Richtung.
Wir begrüßen ausdrücklich die allgemeine Senkung der Mehrwertsteuer bis zum 31. Dezember 2020, die Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf 40%, die Erweiterung des steuerlichen Verlustrücktrags und die Entlastung bei der EEG-Umlage sowie die degressive Abschreibung.
Elementar wichtig ist jetzt, dass die beschlossenen Überbrückungshilfen schnell kommen. Sie gewähren bei Umsatzeinbrüchen von mindestens 40% in den Fördermonaten Juni, Juli und August Zuschüsse zu den Fixkosten in Höhe von maximal 50.000 EUR pro Monat.
Wirtschaftsforum: Die Öffnung vieler Betriebe ist unter Einhaltung der geltenden Auflagen nicht rentabel. Wie kann Ihrer Meinung nach ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftlichkeit und Gesundheit geschaffen werden?
Guido Zöllick: Keine Frage, die Gesundheit der Gastgeber, Mitarbeiter und Gäste hat Priorität. Die Hotels und Restaurants sind aufgerufen, alles dafür zu tun, um die Einhaltung der generellen Abstandsgebote sicherzustellen – zum Beispiel durch größere Abstände zwischen Stühlen und Tischen in den Gasträumen beziehungsweise in den Hotel-Aufenthaltsbereichen sowie durch gestaffelte Essenszeiten.
Dazu kommen die Maskenpflicht für Mitarbeiter und Gäste oder die Gästeregistrierung. Angesichts der erhöhten Corona-Anforderungen müssen die Unternehmer schauen, wie sie ihre Kosten in den Griff bekommen. Viele Betriebe fahren deshalb ihr Angebot zurück. Sie reduzieren die Öffnungszeiten, die Auswahl der Speisen auf der Karte, die Zahl der Mitarbeiter.
Mit Blick auf die Einhaltung des Mindestabstands und den Wunsch der Gäste draußen zu sitzen, appellieren wir in diesem Zusammenhang auch an die Kommunen, Außenflächen freizugeben und bitten um großzügige Regelungen.
„Nur wenn Gastgeber, Gäste und Mitarbeiter die erforderlichen Schutzmaßnahmen verstehen und konsequent einhalten, werden die Lockerungen Bestand haben.“ Guido Zöllick
Wirtschaftsforum: Wie beurteilen Sie Lage der deutschen Gastronomie und Hotellerie im internationalen Vergleich?
Guido Zöllick: Ein so wirksames arbeitsmarktpolitisches Instrument wie das Kurzarbeitergeld gibt es in vielen anderen Ländern nicht. Die Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurants und Verpflegungsleistungen ist eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Gastronomie.
Tourismusländer wie Österreich und die Schweiz haben jedoch teilweise ihren Hoteliers und Gastronomen mehr Unterstützung zukommen lassen als die Bundesrepublik mit ihrem Programm für Überbrückungshilfen. Gesundheitspolitisch hat die Bundesregierung mehr richtig gemacht als die meisten Länder in und außerhalb der EU.