Ein Stück Wirtschaftsgeschichte - Die erfolgreiche Revitalisierung der Marke Rolls-Royce

Interview mit Peter Schoppmann, Regional Director Rolls-Royce Motor Cars Deutschland

Wirtschaftsforum: Herr Schoppmann, wann und wodurch wurde die Revitalisierung der Marke Rolls-Royce initiiert?

Peter Schoppmann: Die Marke Rolls-Royce gibt es bereits seit 1904. Im Laufe der Jahrzehnte erlebte das Unternehmen sehr viele Eigentümerwechsel, zum Teil auch bedingt durch die Entwicklung der britischen Automobilwirtschaft. In den späten 90er Jahren kam es dann zwischen VW und BMW zu einem Übernahmewettstreit um Rolls-Royce und Bentley. VW bot eine Milliarde mehr als BMW, also ging das gesamte Unternehmen an VW. Die Markenrechte aber lagen bei Rolls-Royce PLC – das hatten die Juristen von VW übersehen. BMW hatte mit der PLC schon lange gearbeitet, unter anderem an Triebwerken, und hat die Rechte am Markenlogo käuflich erworben. Also im Grunde hatte BMW gar nichts, kein Werk, kein Händlernetz, nur ein weißes Stück Papier über den Kauf der Markenrechte. Man hat dann ein Projektteam gebildet, das drei Jahre hart gearbeitet hat. Das Werk in Goodwood, England, wo auch heute produziert wird, wurde neu gebaut. Dem Projektteam ist es tatsächlich innerhalb dieser drei Jahre gelungen, von Null auf Produktion zu kommen und ein Produkt auf die Beine zu stellen. Eine herausragende Leistung, die wirklich Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat. Am 1. Januar 2003 wurde der erste neue Rolls-Royce an einen Kunden ausgeliefert. Zum gleichen Termin entstand dann auch erst Rolls-Royce Motorcars.

Wirtschaftsforum: Was war die Motivation für BMW, die Markenrechte zu erwerben? Die Marke Rolls-Royce war damals ja etwas verblasst. Warum wollte man die Marke wiederbeleben?

Peter Schoppmann: BMW hatte sich Ende der 90er Jahre von einigen Marken getrennt und im Zuge dieser Trennungen entstand die Vision, weltweit ein Premium-Hersteller zu werden. BMW hat sich damals entschieden, nicht eine Marke über alle Marktsegmente hinweg aufzubauen, sondern die verschiedenen Segmente mit jeweils besten Marken abzudecken. Aus diesem Grund hatte man auch MINI behalten. Rolls-Royce mag damals vielleicht etwas verblasst gewesen sein, aber es war immer noch die automobile Marke schlechthin und passte hervorragend zur Konzernstrategie.

Wirtschaftsforum: Also war es im Grunde ein Vorteil, alles neu aufbauen zu müssen?

Peter Schoppmann: Absolut. Man konnte so die Historie in die Produktentwicklung mit aufnehmen, aber gleichzeitig auch neuzeitliche Aspekte integrieren. Es ging schließlich darum, die Marke zu revitalisieren. Das geht mit einem Stück Papier besser als mit einem Werk und vielen Mitarbeitern, für die man verantwortlich ist. Retrospektiv gesehen, war es die richtige Entscheidung. Aber trotz des Neuanfangs haben wir bis heute die Historie der Marke und ihre zentralen Werte nicht vergessen.

Wirtschaftsforum: Wohin geht die Reise für Rolls-Royce in den nächsten Jahren? Welche Pläne haben Sie?

Peter Schoppmann: In den frühen 2000er Jahren hat der damalige Projektleiter die magische Grenze von 1.000 Einheiten gesetzt. An dieser Zahl ist die Marke Rolls-Royce jahrelang gemessen worden. Inzwischen haben wir diese weit überschritten. Wir hatten bereits vor der Finanzkrise die nächste Produktfamilie ins Rennen geschickt, die Ghost-Linie. Mit diesem Modell setzen wir pro Jahr um die 1.500 Einheiten um. Der Phantom wird weltweit rund 800 bis 1.000-mal im Jahr erworben. Vor zwei Jahren haben wir dann das Wraith Coupé auf den Markt gebracht, wovon wir jährlich noch einmal 2.000 Einheiten verkaufen. Somit kommen wir insgesamt auf rund 4.000 Einheiten. Eines ist klar: Wir werden nie in einen fünfstelligen Bereich vorstoßen. Das ist schon aufgrund der Infrastruktur unserer Manufaktur in Goodwood nicht möglich. Wir wollen bewusst exklusiv und rar bleiben. Unser Thema ist nicht Volumen, sondern Exklusivität. Das erwarten unsere Kunden von uns .

Wirtschaftsforum: Aber Sie sind doch mit den neuen Modellen im Preis leicht runter gegangen?

Peter Schoppmann: Das stimmt. Das Luxussegment wird an einem Retail-Price von 200.000 EUR plus gemessen. Das ist unsere unterste Grenze, nach oben hin sind wir offen. Sie müssen bedenken, dass ein Großteil unserer Fahrzeuge maßgeschneidert ist. Wir haben ein einzigartiges Individualisierungsprogramm, das sich Bespoke nennt. Damit können sich unsere Kunden ihr Auto selbst zusammenstellen.

Wirtschaftsforum: Wie lässt sich Ihre Zielgruppe typologisieren? Gibt es einen typischen Rolls-Royce-Käufer?

Peter Schoppmann: Wer sich einen Rolls-Royce kauft, hat meistens noch mehrere andere Autos, für jeden Anlass einen. Unsere Käufer lassen sich nicht kategorisieren. Die einzige Gemeinsamkeit ist ihr Wohlstand. Unsere Kunden erfüllen sich mit dem Kauf eines Rolls-Royce einen Traum. Über unsere beiden Produktfamilien haben wir auch unsere Zielgruppe verjüngt und erweitert. Während in Deutschland das Durchschnittsalter der Phantomfahrer bei 60+ liegt, ist das der Wraith-Fahrer bei 40+, das der Ghost-Fahrer bei 50+. Der Wraith ist zudem bei Frauen sehr beliebt. Hier gibt es noch einen neuen Trend. Zunehmend sportliche Fahrer, die sonst eher Aston Martin oder Lamborghini gefahren haben, entdecken Rolls-Royce. Aber jeder kannte und kennt Rolls-Royce und die Leute begegnen der Marke und unseren Autos mit Ehrfurcht. Mein strategisches Ziel ist es, vom Level ehrfurchtsvoll auf hochachtungsvoll zu kommen. Rolls-Royce erzeugt Emotionen, wie keine andere Marke. Man kauft sich keinen Rolls-Royce, um von A nach B zu kommen. Unsere Autos sind Lifestyle-Güter. Wir haben keinen Wettbewerber im automobilen Bereich. Unsere Wettbewerber sind eher Häuser, Boote, Schmuck oder Gemälde.

Wirtschaftsforum: Zur Revitalisierung der Marke gehört ja auch die Integration neuer digitaler Technologien. Wie wirkt sich die digitale Transformation auf Ihr Unternehmen aus?

Peter Schoppmann: Eine Montagefabrik 4.0 ist bei uns noch kein Thema. Wir optimieren natürlich unseren Werksprozess, aber insgesamt gibt es in unserer Manufaktur zwei Roboter, das war’s. Natürlich nutzen wir die neuen Technologien und ihre Möglichkeiten aber zum Beispiel für die Vernetzung von Herstellern, Händlern und Kunden. Hier ist die digitale Transformation für uns ein großes Thema. Die Ansprüche an die Produkte unserer Marke sind überwiegend emotional getrieben, aber natürlich möchten auch unsere Kunden alle technologischen Features, wie zum Beispiel Night Vision oder ein satellitenunterstütztes Navigationssystem, die Autofahren immer leichter machen. Der Trend zum autonomen Fahren ist bei uns aber zum Beispiel noch gar nicht angekommen. Autonomes Fahren passt nicht zur Freude am Super-Luxus-Produkt. Wo bleibt denn da der Fahrspaß? Schon vor einigen Jahren haben wir zum Beispiel das Thema Zero-Emission aufgenommen. Wir haben den Phantom elektrisch fahren lassen und sind damit weltweit auf Tour gegangen, haben ihn unserer Klientel vorgestellt. Das Ergebnis war ernüchternd und eindeutig: Es gab kein Interesse. Für uns bedeutet das nicht, dass wir diesen Trend vergessen, aber wir parken ihn. Bei uns finden alle Trends der Automobilindustrie statt, aber in einer etwas anderen Ausprägung, als dies zum Beispiel im Premiumsegment der Fall ist.

Wirtschaftsforum: Rolls-Royce ist ja komplett in deutschen Händen. Wie gefällt das den Engländern?

Peter Schoppmann: Eigentlich finden die Briten das sehr positiv. Wir tauschen uns regelmäßig mit dem Generalkonsul in München aus und haben intensiven Kontakt zur britischen Botschaft in Berlin. Man darf nicht vergessen, dass wir in Großbritannien Arbeitsplätze schaffen und dort investieren. Inzwischen ist unser Team dort auf 1.200 angewachsen. Last but not least ist und bleibt Rolls-Royce eine britische Marke. Die BMW Group versteht es hervorragend, mit dieser Marke umzugehen, ihre Historie einzubinden und sie trotzdem weiterzuentwickeln. Deshalb werden wir nie woanders als in England produzieren.

Wirtschaftsforum: Wie sieht die Vision 2025 für Rolls-Royce aus?

Peter Schoppmann: Wir werden unser Portfolio jedes Jahr mit einem Produkt erweitern. In diesem Jahr werden wir auf der IAA eine große Neuheit vorstellen - eine Open-Top Motorisierung. Hier geht es um ein sehr emotionales Produkt, das speziell für Europa und die USA entwickelt wurde. Es wird uns einen weiteren wichtigen Impuls für nachhaltigen Erfolg geben. Wir werden zudem ins Segment der Allrad-Fahrzeuge gehen! Hier denken wir an ein Fahrzeug, das auf jedem Untergrund fahrbereit ist, gleichzeitig aber das für Rolls-Royce typische Super-Luxus Niveau hat. Auch das wird zu deutlichem Wachstum führen. Dafür werden wir unsere Infrastruktur in unserer Manufaktur in Goodwood erweitern, was gar nicht so einfach ist. Wir sind dort inmitten eines Naturschutzgebietes angesiedelt. Wir werden in der Nähe ein ganz neues Technologiezentrum und Logistikzentrum errichten. Das ist eine große Investitionsentscheidung, aber wir sehen noch viel Potenzial in den kommenden Jahren für die Marke Rolls-Royce. Das Super-Luxussegment wächst weltweit, mit deutlich zweistelligen Zahlen. Ebenso zweistellig wächst auch die Zahl der „ultra-high-net-worth individuals“. Dabei sind Märkte wie China ganz weit vorne. Auch Indien wird immer mehr ein wichtiger Markt und die USA glänzen zurzeit ebenfalls mit ausgesprochen guten Wachstumszahlen. In den Ölstaaten fangen zart Pflänzchen an zu blühen, die langfristig Blumen werden könnten. Zum Beispiel haben wir seit sechs Monaten einen Händler in Nigeria.

Wirtschaftsforum: Herr Schoppmann, wir danken Ihnen für dieses interessante Interview.

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