Für Begeisterung sorgen

Interview mit Tobias Steinbacher, CFO der E. M. Group Holding AG

Wirtschaftsforum: Der Name Erwin Müller ist vielen Endverbrauchern als Versandhaus bekannt. Wie kam es zur Gründung der Hotellerie- und Gastronomiesparte?

Tobias Steinbacher: Erwin Müller Senior war schon lange im B2C-Kataloggeschäft tätig, als sein Sohn Erwin Müller Junior 1987 mit 17 Jahren unter dem Namen ‚Hotelwäsche Erwin Müller‘ seine erste eigene Firma gründete. Das Geschäft mit Tisch- und Bettwäsche für Hotels lief gut und da man die Zielgruppe Hotel und Gastro gut kennengelernt hatte, wurde das Sortiment erweitert: Unter der Marke VEGA wurden nun auch Hartwaren wie Porzellan, Besteck und Möbel und bei der Marke JOBELINE Berufsbekleidung für Küche, Service und Empfang angeboten. Nachdem die Diversifizierung in Deutschland gut geklappt hatte, eröffnete das Unternehmen Niederlassungen in Österreich und Frankreich. Der Umsatz konnte bis 2000 von 1,7 Millionen auf 51 Millionen EUR gesteigert werden.

Wirtschaftsforum: Wie ist es gelungen, diesem enormen Wachstum standzuhalten und es sogar weiter auszubauen?

Tobias Steinbacher: Das Wachstum erforderte neue Prozesse, um die steigenden Mengen abwickeln zu können. Deshalb haben wir 2000 ein neues Logistikzentrum gebaut. Die Internationalisierung wurde kontinuierlich vorangetrieben mit der Eröffnung weiterer Niederlassungen in der Schweiz, Spanien, Schweden, Italien und den Niederlanden. Parallel haben wir in China als größtem Beschaffungsmarkt Qualitätssicherung betrieben und ein Representative Office gegründet. 2008 betrug unser Umsatz bereits 112 Millionen EUR. Im gleichen Jahr haben wir unsere vierte Marke Pulsiva auf den Markt gebracht, die sich auf Hartware, Textilien und Berufsbekleidung im niedrigeren Preissegment fokussiert – zunächst nur in Deutschland, später auch international. Als Vertriebsgesellschaft für alle Märkte, in denen wir keine Niederlassungen hatten, wurde 2007 die E. M. Group International gegründet.

Wirtschaftsforum: Gibt es weitere wichtige Eckpunkte, die für die Unternehmensentwicklung wichtig waren?

Tobias Steinbacher: Seit 2010 haben wir einen eigenen Marketplace. Dessen Entwicklung war eine wichtige Entscheidung. Die Onlineplattform heißt Lusini. Auf ihr bieten wir auch Produkte von Premium-Partnern aus unserer Branche an. Hoteliers und Gastronomen finden hier alles, was sie brauchen. Die Idee des Marketplace, bei dem unsere Kunden ‘alles aus einer Hand’ bekommen, verfolgen wir auch in unserer Strategie weiter. Mit dem Kauf des Gastronomie-Fachhändlers Poggemeier aus Bielefeld haben wir außerdem Expertise im Außendienst sowie in den Bereichen Großküchen und Küchentechnik hinzugewonnen. All das hat dazu geführt, dass das Jahr 2019 mit einem Umsatz von 151 Millionen EUR zu einem Rekordjahr wurde.

Wirtschaftsforum: Solch eine Entwicklung muss aktiv vorangetrieben werden. Woher kommt die Initiative dazu?

Tobias Steinbacher: Mit Erwin Müller haben wir einen sehr visionären Inhaber und CEO, der nie einen Stillstand akzeptiert hat. Das hat uns in der DACH-Region und Frankreich zum Marktführer gemacht. Im Non-Food-Bereich gibt es kein vergleichbares Unternehmen. Erwin Müller Junior beschäftigt sich auch mit dem Kulturwandel. Er wird sich in diesem Jahr aus der operativen Geschäftsleitung zurückziehen, in eine aktive Inhaberrolle gehen und die Geschäfte an ein vierköpfiges Team übergeben, zu dem auch ich gehöre. Wir werden also von einem inhaber- zum managementgeführten Unternehmen. Ein Kulturwandel findet aber auch in Richtung Digitalisierung statt.

Wirtschaftsforum: Inwiefern verändert die Digitalisierung Ihre Kultur?

Tobias Steinbacher: Die Digitalisierung ist eine riesige Zukunftschance, denn sie ermöglicht Individualisierung. In unserem Shop zum Beispiel erhält der Kunde eine eigene Landingpage mit kundenspezifischen Produkten und individuellen Preisen. Sie schafft auch die Möglichkeit des Data-Driven Marketings. Wir setzen überall dort auf Digitalisierung, wo es Sinn macht – zum Beispiel, um bei den Mitarbeitern Zeit und Ressourcen für die Kunden zu schaffen.

Wirtschaftsforum: Welchen Weg werden Sie in Zukunft im Hinblick auf Ihre Markenstrategie verfolgen?

Tobias Steinbacher: Über unsere vier Produktmarken sind wir in der Lage, alles aus einer Hand zu bieten. Dem Kunden gegenüber wollen wir zukünftig unter einer Dachmarke auftreten, unter der wir unser Leistungsversprechen bündeln. Das muss natürlich im Onlineshop technisch abgebildet werden. In jedem Fall können sich unsere Kunden auch weiterhin auf unsere kompetente Beratung verlassen. Wir kennen die Branche und bieten ein breites Sortiment, wobei 95% der Ware jederzeit verfügbar sind.

Wirtschaftsforum: Welche Themen bewegen das Unternehmen außerdem?

Tobias Steinbacher: Eines unserer strategischen Handlungsfelder ist das Thema Nachhaltigkeit. Wir stellen uns die Frage, was sie für uns bedeutet, und überlegen, ob sie zu einem unserer Unternehmenswerte werden muss. Aus ökologischer Sicht ist die Konsequenz für uns, dass wir unser Sortiment auf Nachhaltigkeit überprüfen und beispielsweise auf Plastikstrohhalme verzichten. Ein anderes großes Thema und wichtiges strategisches Handlungsfeld ist New Work.

Wirtschaftsforum: Was genau hat es damit auf sich?

Tobias Steinbacher: Es geht um dynamischere Formen der Zusammenarbeit, darum, wie wir durch ein klares Leitbild Transparenz und Zusammenhänge schaffen und so die Innovationskraft der Mitarbeiter zugunsten der Firma nutzen können. Das ist eine Gratwanderung zwischen der Übertragung von Verantwortung und Freiheit innerhalb eines notwendigen Rahmens. Für 2020 steht auf dem Programm, unsere strategischen Handlungsfelder, also Digitalisierung, die Dachmarkenstrategie, New Work und Nachhaltigkeit, umzusetzen, Strategien weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Über all dem steht das Ziel, immer am Puls der Zeit zu bleiben und Veränderungen rechtzeitig zu erkennen.

Wirtschaftsforum: Wie vermarkten Sie Ihr vielfältiges Angebot?

Tobias Steinbacher: Auch in dieser Hinsicht sind wir breit aufgestellt. Neben unserem Außendienst nutzen wir das Versandgeschäft. Unser Onlineshop ist ein ganz wichtiger Absatzkanal. Daneben werben wir in Printmedien und nutzen Social Media. Außerdem sind wir regelmäßig auf den internationalen Leitmessen wie zum Beispiel der INTERGASTRA in Stuttgart und der INTERNORGA in Hamburg vertreten.

Wirtschaftsforum: Wie würden Sie die Erfolgsfaktoren zusammenfassen, die das Unternehmen dorthin gebracht haben, wo es heute steht?

Tobias Steinbacher: Einer ist, wie bereits angesprochen, die Einstellung unseres Inhabers. Er hat immer nach neuen Möglichkeiten gesucht und Innovationen gefördert. Zum anderen kennen und verstehen wir unsere Kunden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Wir haben die Fähigkeit, bei Kunden und Mitarbeitern Begeisterung auszulösen. Damit haben wir die besten Voraussetzungen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung.

Wirtschaftsforum: Welche Maßnahmen haben Sie geplant, um den Wachstumskurs fortzusetzen?

Tobias Steinbacher: Wachstum bedeutet für uns, bestehende Märkte durch effizienteres Adressieren des Marktpotenzials besser auszuschöpfen. Es bedeutet aber auch Internationalisierung. Deshalb sehen wir uns weiter nach interessanten Märkten um. Nordamerika und Kanada loten wir gerade aus. Dort sind unser Sortiment und unsere Preise unschlagbar. Außerdem wird China für uns vom Beschaffungs- zum Absatzmarkt.

Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie die Gruppe, wenn Sie noch weiter in die Zukunft blicken?

Tobias Steinbacher: Wir sind in den bestehenden Märkten für einen Umsatz von 250 Millionen EUR und mehr gut. Unser Ziel ist, weiter Marktführer zu bleiben und die Kunden zu begeistern, auch in 20 Jahren noch. Das sage ich aus voller Überzeugung, denn ich bin selbst auch begeistert, seit ich 2006 zu dieser Firma gekommen bin.

Wirtschaftsforum: Wo kann man sich am besten ein Bild von dem breit gefächerten Angebot der Erwin Müller Group machen?

Tobias Steinbacher: Ein tolles Referenzprojekt ist die Venediger Lodge der Mountain-Homes in Österreich. Hier konnten wir wirklich zeigen, was wir können: Wir haben das Hotel mit über 130 unterschiedlichen Artikeln aus unserem kompletten Sortiment ausgestattet.

Im Dezember 2022 firmierte die E.M. Group Holding AG um zur LUSINI Group GmbH.

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