„Neuromodulation wird Standard werden“

Interview mit Dr. Oliver Bärtl, Geschäftsführer der CorTec GmbH

Das noch junge Unternehmen CorTec entstand aus einer Kooperation von Hirnforschern, Klinikforschern und Ingenieuren und ging als Ausgründung der Universität Freiburg an den Markt. Bereits seit 2003 beschäftigt man sich mit dem Thema Brain-Computer-Interfaces. Seit 2011 ist das Unternehmen operativ tätig.

„Inzwischen haben wir den Übergang vom Start-up zu einer Medizintechnikfirma geschafft, die spezielle Anforderungen an die Produktion stellt. Wir haben personell aufgestockt und beschäftigen jetzt 60 Mitarbeiter“, erzählt Dr. Oliver Bärtl, der seit einem Jahr Geschäftsführer von CorTec ist.

Zukunftsweisende Projekte für Behandlung und Rehabilitation

CorTec ist in mehreren Bereichen tätig. Als OEM-Partner produziert und vermarktet das innovative Unternehmen Elektroden für das zentrale und periphere Nervensystem sowie weitere Komponenten der Brain Interchange Platform. Dr. Oliver Bärtl erklärt: „Wir können uns mit dem peripheren Nervensystem verbinden, beispielsweise für Rückenmarkstimulationen.“ Derzeit arbeite man an der Weiterentwicklung einer Plattform rund um das Brain Interchange System.

„Mit ihrer Hilfe können Daten aus dem Hirn ausgelesen und über drahtlose Schnittstellen nach draußen gebracht werden. Auf Basis der Datenverarbeitung können dann im Hirn gezielte Stimulationen vorgenommen werden. Das ist die Innovation. Wir können auf diese Weise einen Regelkreis herstellen“, so der Geschäftsführer. Gemeinsam mit weiteren Forschern arbeitet CorTec an Projekten zum Beispiel zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen oder Epilepsie.

„Wir sind in der Lage, eine Plastizität im Hirn zu erzeugen, da sich die Hirnzellen neu vernetzen. Bislang gibt es dafür nur externe Geräte und die Anwendung ist sehr kompliziert. Unser System wird implantiert und kann bei Schlaganfällen und zur Rehabilitation eingesetzt werden. Dazu läuft gerade ein Projekt mit Forschern in den USA“, sagt Dr. Oliver Bärtl. Noch befindet sich CorTec in der Projektphase: Bisher haben nur die AirRay Cortical Electrodes eine Zulassung und können am Menschen angewendet werden.

Die Zulassung für die Platform Technologie ist der nächste Schritt. „Die Regulatorik ist eine Herausforderung“, betont der Geschäftsführer.

Innovation zwischen zwei Welten

CorTec betritt mit seinen Produkten ein neues Feld. „In unserer Branche gibt es viele etablierte und große Namen. Diese Unternehmen machen meist Open Loop-Stimulation. Wir sind dagegen im Bereich Closed Loop-Systeme tätig. Auf diesem Gebiet lassen wir die anderen hinter uns. Als weiteres Gebiet gibt es noch Brain-Computer-Interfaces, die mit einer digitalen Steuerung des Hirns arbeiten. Wir bewegen uns zwischen diesen beiden Welten“, berichtet Dr. Oliver Bärtl.

Das Unternehmen sieht sich im Spannungsfeld zwischen Medizintechnik und Pharma. Das Kernthema heißt Neuromodulation. „Es wird genauso Standard werden wie Herzschrittmacher, zum Beispiel bei der Behandlung von Depressionen“, so seine Vorhersage. Bisher agiert CorTec ausschließlich als Forschungspartner und arbeitet mit neurologischen Abteilungen der Krankenhäuser zusammen, insbesondere im Bereich Schlaganfall-Rehabilitation.

„Schwierig, gute Leute zu finden“

Viele der Kooperationen spielen sich auf internationaler Ebene ab, insbesondere in den USA. „Aber auch in Deutschland haben wir viele Kontakte zu Forschern, zum Beispiel an der Universität Freiburg zu Prof. Dr. Ziemann und Prof. Dr. Coenen, zur Universität Tübingen oder zu Prof. Dr. Fries am Ernst Strüngmann Institut in Frankfurt am Main. Wir haben ein hervorragendes Netzwerk“, so Dr. Oliver Bärtl. CorTec behandelt ein Zukunftsthema. Trotzdem sei es schwierig, gute Mitarbeiter zu finden, berichtet er. Das Unternehmen beschäftigt deshalb viele Werkstudenten und Praktikanten.

„Hier haben wir ein effektives Netzwerk. Wenn die Leute gut sind, versuchen wir, sie an uns zu binden. Unser Vorteil ist: Unser Thema ist sexy, und man ist am Ende in der Lage, Menschen zu helfen.“ Das Unternehmen bietet nicht nur ein interessantes Produkt. Die Mitarbeiter schätzen auch die offene Kommunikation und die flachen Hierarchien. Den Mitarbeitern werden Verantwortung übertragen und Spielräume zur Entfaltung gegeben. „Wir haben ein konstruktives Miteinander“, sagt der Geschäftsführer.

Plattform der Zukunft

Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine haben auch CorTec vor Herausforderungen gestellt – zuletzt waren es die Preissteigerungen in Europa und den USA, Lohnerhöhungen, die Energiekrise und die Inflation. Für 2023 hat sich Dr. Oliver Bärtl vorgenommen, die drei Bereiche, in denen CorTec tätig ist, voranzutreiben. Das Technologiebusiness soll weiter wachsen und die Plattform vorangebracht werden.

Ein Fokus wird auch darauf liegen, die Zulassungsstudie im Bereich Schlaganfall-Rehabilitation voranzutreiben. Seine Vision für das Unternehmen formuliert der Geschäftsführer so: „Mein Wunsch ist, dass wir DIE neue Plattform für Neuromodulation werden. Wir haben eine tolle Hardware, die es so bisher nicht gibt. Wenn sie geschickt mit Software und Applikationen verknüpft wird, dann hat man so eine Art iPhone, eine Plattform, die verschiedene Anwendungen zur Verfügung stellt.“

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