Konkurrenz ist auf einem neuen Markt immer eine gute Sache
Interview mit Niclas Sandin, CEO von BookBeat

Wirtschaftsforum: Herr Sandin, Audible, Deezer oder Spotify – es gibt viele Player im Audio-Streaming-Geschäft. Wie hebt sich BookBeat gegenüber den anderen am Markt ab?
Niclas Sandin: Ein Markt mit hohen Wachstumsraten bietet immer Raum für mehrere Player. Unterschiedliche Schätzungen der Branche weisen darauf hin, dass der Markt für digitale Hörbücher in Deutschland kontinuierlich um über 30% pro Jahr wächst. Wir glauben, dass das nur der Anfang ist und sehen zweistellige Wachstumsraten für die kommende Dekade in Deutschland voraus. Ich bin der Meinung, dass Konkurrenz immer eine gute Sache ist, da sie das Bewusstsein für ein Medium erhöht. Sie ermöglicht es dem Markt, sich zu entwickeln und ein nachhaltiges Umfeld zu schaffen.
Wir glauben, dass Musik und Hörbücher zwei unterschiedliche Medientypen sind und unterschiedliche Ansätze im Hinblick auf die Nutzererfahrung, Merkmale, Marketing und Präsentation erfordern. Um mit anderen Diensten zu konkurrieren, bieten wir eine Flatrate an, die sich ausschließlich auf Hörbücher in unserer App bezieht. Unser Dienst wird künftig der einfachste Weg sein, um neue Hörbücher zu entdecken und anzuhören – egal welches –, indem man einfach das Smartphone antippt.
„Ein Markt mit hohen Wachstumsraten bietet immer Raum für mehrere Player.“ Niclas SandinCEO

In der aktuellen Phase konzentrieren wir uns auf das Marktwachstum und darauf, neue Hörer zu gewinnen, nicht auf die Konkurrenz. BookBeats‘ Kernparameter bei der Erschließung eines neuen Markts ist immer die Höhe des Anteils, den wir uns in dem vorhandenen Markt erschließen können. Welches Wachstum können wir mit unserem Geschäftsmodell erreichen? Beispielhaft für das Potenzial von Märkten, in denen wir schon länger als ein Jahr sind, ist Schweden, wo vier Anbieter miteinander konkurrieren und der Verkauf von digitalen Hörbüchern 2017 um 50% stieg. Und Finnland, wo es drei Dienste gibt und der Markt um fast 200% wuchs.
Wirtschaftsforum: BookBeat hat schwedische Wurzeln und seinen Firmensitz in Stockholm. Inwiefern wirkt sich dieser Hintergrund auf die Firmenkultur aus?
Niclas Sandin: Aus Schweden beziehungsweise Stockholm zu kommen ist natürlich ein großer Vorteil, weil Streaming-Dienste seit über einem Jahrzehnt für uns das Hauptgeschäftsmodell bei digitalen Medien sind – Spotify ist dafür ein Paradebeispiel. Das gibt uns ein tiefgehendes Verständnis für das Nutzerverhalten. Gleichzeitig haben wir eine Menge talentierter Entwickler angestellt, die sich mit dem Programmieren dieser Art von Plattform bestens auskennen. Wir haben die Erfahrungen bereits erfolgreicher schwedischer Start-ups als Vorlage genutzt, als wir BookBeat 2015 gegründet haben. Jetzt sind wir dabei, Struktur, Dienstleistung und Geschäftsmodell gleichzeitig den neuen Anforderungen anzupassen. Um das zu erreichen, besteht die Hälfte unseres Teams aus Entwicklern und Datenwissenschaftlern. Für uns geht es vor allem darum, unsere Nutzer zu verstehen und mit hoher Geschwindigkeit und Agilität auf die gewonnenen Einsichten zu reagieren, die den Weg für das nächste Jahrzehnt vorgeben könnten.

„Aus Schweden beziehungsweise Stockholm zu kommen ist natürlich ein großer Vorteil, weil Streaming-Dienste seit über einem Jahrzehnt für uns das Hauptgeschäftsmodell bei digitalen Medien sind.“ Niclas SandinCEO
Wirtschaftsforum: BookBeat ist gegenwärtig in sieben Ländern aktiv. Konnten Sie unterschiedliche Vorlieben in Bezug auf Genre oder Sprache bei Ihrer internationalen Kundschaft ausmachen?
Niclas Sandin: Unsere ersten beiden Markteinführungen waren 2016 in Schweden und Finnland. 2017 haben wir einen sanften Einstieg in Deutschland und Großbritannien durchgeführt, um mehr über die dortigen Nutzer zu erfahren und unseren Dienst, das Marketing sowie das Geschäftsmodell anzupassen, bevor wir in 2018 dahingehend höhere Summen investieren. Wir haben zudem weitere Verträge mit Verlegern in europäischen Märkten unterzeichnet, unseren Dienst aber noch nicht für Nutzer geöffnet. Bisher ist es zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen; besonders, da wir in Deutschland erst seit ein paar Monaten präsent sind. In Schweden, wo wir am längsten aktiv sind und über die meisten Daten verfügen, sind 75% unserer Nutzer weiblich und im Durchschnitt 38 Jahre alt. Sie mögen hauptsächlich Fiction und da der Service unbegrenzt ist, hören sie gern den kompletten Katalog eines Autors durch. Das ist so, als ob man eine tolle TV-Serie bei Netflix gefunden hat und direkt alle Staffeln schaut. Wir glauben, dass auch in Deutschland unser Dienst viele Frauen ansprechen und das Hörverhalten ähnlich sein wird. Generell bietet eine Flatrate den Nutzern die größte Flexibilität – keine Einschränkungen, keine Verpflichtungen. In der Konsequenz sehen wir, dass unsere Nutzer darauf aus sind, eine größere Auswahl an Buchtiteln zu entdecken und auszuprobieren, die sie nicht in Betracht gezogen hätten, wenn das Abo die Menge an Büchern reduziert hätte.
Wirtschaftsforum: Wir wichtig ist die Rolle des Bonnier Verlags für Ihre Aktivitäten, gerade wenn Sie an künftige Expansion denken?
Niclas Sandin: Zu einem der führenden Verlage in Europa zu gehören, ist in zweierlei Hinsicht entscheidend: zum einen, um das Geschäftsmodell mit eigenem Content zum Laufen zu bringen und zum anderen, um Glaubwürdigkeit und Vertrauen innerhalb der Buchindustrie zu generieren. Der einzige Weg, diese Art von Geschäftsmodell nachhaltig und erfolgreich zu gestalten, ist es, großartige Inhalte anzubieten – und um das tun zu können, braucht man einen Verlag. Dadurch, dass wir zu einem Verlag gehören, signalisieren wir jedermann, dass wir langfristig planen und unseren Fokus darauf legen, etwas zu erschaffen, das der kompletten Wertschöpfungskette Vorteile bringt: dem Verbraucher, den Verlegern, den Autoren und den Rechteinhabern. Wir gehen nur in Märkte, in denen wir die Verlagsbranche komplett kennen und wichtige Verlagshäuser mit an Bord haben.
Wirtschaftsforum: Würden Sie bitten den folgenden Satz vervollständigen: Ich höre am liebsten ein Hörbuch, wenn ich…
Niclas Sandin: …mich entspannen muss und das Beste aus einem Nachtflug zwischen Deutschland und Schweden herausholen möchte.