„Deutschland liegt gerade auf der Intensivstation!“
Interview mit Prof. Dr. Werner Mang, Gründer, Inhaber und Chefarzt der BODENSEEKLINIK GmbH
Das Interview führten: Manfred Brinkmann und Dr. Endre Hagenthurn
Wirtschaftsforum: Herr Prof. Dr. Mang, vor Kurzem haben Sie Ihren 75. Geburtstag gefeiert – für viele Menschen wäre das ein Anlass, um zurückzublicken. Sie scheinen hingegen weiterhin lieber nach vorn zu schauen.
Prof. Dr. Werner Mang: Ich habe gerade mein Engagement als Chirurg hier in unserer Bodenseeklinik um weitere fünf Jahre verlängert – denn mein Leben ist und bleibt der OP. Als ich beim 350-Jahr-Festakt zum Westfälischen Frieden in Osnabrück mit dem Dalai Lama sprechen durfte, habe ich ihn nach dem schönsten Augenblick in seinem Leben gefragt. Seine Antwort lautete: „Jetzt!“ Diese Haltung fand ich enorm inspirierend: Was die Zukunft bringt, entscheide ich ganz allein, hier und heute.
Wirtschaftsforum: Dahinter steht eine sehr optimistische Lebensauffassung – entspringt diese auch Ihrer Biographie?
Prof. Dr. Werner Mang: Ich habe mit nichts angefangen und mir all meine Träume erfüllen können. Meine Mutter, die am Ende mit 94 Jahren und einem faltenfreien Gesicht am Frühstückstisch friedlich eingeschlafen ist, hat mir damals zu meinem Abitur gesagt: „Du bist ein Glückskind und aus dir wird einmal was!“ Vielleicht hatte ich auch deshalb immer den Gedanken im Kopf, dass ich es einmal schaffe und irgendwann Millionär werde. Ich bin sehr liebevoll, aber auch leistungsorientiert erzogen worden – bis zu meinem 18. Lebensjahr wusste ich nicht einmal, wie man Problem überhaupt schreibt. Später war es mir wichtig, diese Haltung auch an meine Kinder weiterzugeben: Aus meiner Sicht muss man als guter Papa nicht Helikoptervater sein und sie stundenlang mit dem Lastenrad durch die Gegend spazieren fahren – viel wichtiger ist doch eine nachhaltige und glaubwürdige Vorbildfunktion: Papa ist fleißig, geht einer erfolgreichen Beschäftigung nach und bringt seine Leistungsbereitschaft für die eigene Familie und die Gemeinschaft ein.
Wirtschaftsforum: Oft heißt es, diese Leistungsbereitschaft sei der deutschen Gesellschaft inzwischen abhanden gekommen.
Prof. Dr. Werner Mang: In der Bodenseeklinik behandeln wir nicht nur Patienten aus aller Welt, sondern arbeiten auch eng mit anderen Kliniken aus verschiedensten Ländern zusammen, unter anderem mit der Best Way Clinic in Shanghai. Ich kann nur jedem Mittelständler empfehlen, sich einmal diese Stadt anzuschauen, und was die 1,4 Milliarden Menschen starke chinesische Bevölkerung leistet. Ich glaube, dass wir von dem Fleiß, der Energie und der leistungsbereiten Lebenseinstellung der Chinesen enorm viel lernen könnten – und das auch schleunigst tun sollten. Denn wenn wir in Europa politisch und wirtschaftlich so weitermachen wie heute und nicht bald zu einem stärkeren Leistungsprinzip zurückfinden, werden wir auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig sein und in unserer Dekadenz den Weg des Alten Roms gehen. Im Moment liegt der Patient Deutschland auf der Intensivstation.
Wirtschaftsforum: Als Sie mit 38 Jahren einer der jüngsten Professoren für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und plastische Chirurgie waren, verließen Sie eine hochdotierte Chefarztstelle in Frankfurt, um in den Ort Ihrer Kindheit zurückzukehren – und dort ein Unternehmen zu gründen. Sind Sie damit mehr Arzt als Unternehmer geworden?
Prof. Dr. Werner Mang: Ich kaufte damals ein altes Haus, nahm 1 Million DM Schulden auf und gründete eine Klinik mit vier Betten, aus der viele Jahrzehnte später die größte Klinik ihrer Art in Deutschland wurde. Medizin und Unternehmertum waren für mich immer eine symbiotische Verbindung: Wie Ihnen all meine Assistenzärzte bestätigen werden, bin ich äußerst penibel im OP und gehe gleichzeitig als Unternehmer gezwungenermaßen beträchtliche Risiken ein.
Wirtschaftsforum: Welche Werte sind Ihnen bei dieser beruflichen und persönlichen Erfolgsgeschichte wichtig?
Prof. Dr. Werner Mang: Ich bin durch und durch ein alemannischer Junge vom Bodensee geblieben, der hart arbeitet, gerne mit alten Freunden am Stammtisch sitzt und jeden Tag Tennis spielt. Ich finde, wir haben in Deutschland bisweilen eine gewisse Neidkultur, die uns nicht gut tut. Natürlich habe ich in meinem Beruf viel Geld verdient – aber das bestimmt weder mein Leben noch meine Haltung. Ich fahre weiterhin jeden Morgen mit meinem Auto in die Klinik und freue mich auf einen spannenden Arbeitstag, auch wenn es anstrengend wird. Bodenständigkeit ist mir in meinem Leben immer besonders wichtig gewesen. Es gibt genug Schauspieler, Künstler und auch Ärzte, denen der Erfolg irgendwann zu Kopf steigt und die dann abheben, aber zu denen habe ich nie gehört. Mir war es vielmehr immer ein Anliegen, der Gesellschaft auch etwas zurückzugeben, beispielsweise durch mein Engagement im Immobiliensektor.
Wirtschaftsforum: In Ihrer Heimat Lindau haben Sie sich den Ruf als „Restaurator vom Bodensee“ erarbeitet. Prof. Dr. Werner Mang: Gemeinsam mit meinem Sohn, einem Diplomarchitekten, habe ich ein Unternehmen gegründet, mit dem wir viele alte Häuser von der Gemeinde und der Bahn gekauft und dann aufwendig saniert haben, um sie anschließend zu günstigen Mieten auf den Markt zu bringen. Natürlich steckt dahinter gleichzeitig ein beträchtliches wirtschaftliches Engagement – wir haben teilweise sehr viel Geld in die entsprechenden Häuser gesteckt, die meisten von ihnen sind Juwelen der Lindauer Insel und ein Riesenwirtschaftsfaktor vor Ort.
Wirtschaftsforum: Während Sie sich mit Ihrem Sohn im Immobiliensektor engagieren, arbeitet Ihre Tochter seit dem Abschluss ihrer Promotion bei Ihnen in der Bodenseeklinik – worin unterscheiden sich ihre Ansätze bisweilen von den Prioritäten, die Sie gesetzt haben?
Prof. Dr. Werner Mang: Die Digitalisierung ist für meine Tochter um ein Vielfaches präsenter als für mich. Ich bin grundsätzlich ein analoger Mensch geblieben, und ich betrachte viele Entwicklungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und in den sozialen Medien mit sehr großer Skepsis. Die Menschheit ist von den massiven technologischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre schier überrollt worden, in einer Geschwindigkeit, die niemand mehr zielgerichtet verarbeiten kann. Wenn das so weitergeht, mit selbstfliegenden Drohnen, selbstfahrenden Autos und digitalberatenden Ärzten, droht uns langfristig nicht nur der geistige, sondern auch der körperliche Verfall. Irgendwann haben wir dann keine Muskeln mehr, sitzen nur noch vor dem Bildschirm und lassen uns von dem digitalen Unterhaltungs- und Informationsangebot berieseln und beraten. Das wäre eine bittere Zukunft. Noch können wir gegensteuern und die Katastrophe abwenden, aber dazu verbleiben uns vielleicht noch zehn Jahre – und wir bräuchten gerade auch im Politikbetrieb Menschen, die bereit sind, sich Google und Amazon auch einmal als Korrektiv in den Weg zu stellen. Aber die haben wir nicht.
Wirtschaftsforum: Gleichzeitig hat sich das allgemeine Schönheitsbild durch die digitalen Medien beträchtlich verändert.
Dr. Werner Mang: Mit Facebook und Instagram sind wahre Monster erschaffen worden, deren Stars predigen, mit riesigen Brüsten und aufgespritzten Lippen bekomme man mehr Follower. In meiner Sprechstunde sitzen dann regelmäßig 14-jährige Mädchen, die so aussehen wollen und sich eine Schönheits-OP wünschen, weil sie mit ihrem eigenen Körper unzufrieden sind. Das ist eine enorme gesellschaftliche Fehlentwicklung.
Wirtschaftsforum: Aber liegt darin nicht die Basis der plastischen Chirurgie als Fachdisziplin?
Prof. Dr. Werner Mang: Nein, überhaupt nicht! Ich stand niemals für diesen fürchterlichen Schönheitswahn, sondern immer für eine vernünftige Schönheitschirurgie, die bei einem psychisch gesunden, normal entwickelten Patienten lebensverändernd sein kann – und zwar im durch und durch positiven Sinne. Ein Mann mit einem riesigen Doppelkinn, das ihn so stört, dass es ihn sogar seelisch belastet, kann durch einen kleinen korrektiven Eingriff einen enormen Gewinn an Lebensqualität erhalten. Gleiches gilt beispielsweise auch für eine junge Frau mit Reiterhosen, die sich wegen ihres körperlichen Erscheinungsbildes nicht ins Schwimmbad traut. Gleich nach unserem Interview operiere ich ein Mädchen, dem ein Hund die Nase abgebissen hat und das deswegen im Gesicht entstellt ist. Der damit einhergehende Leidensdruck kann enorm sein. Hier kann die plastische Chirurgie erfolgreich korrigierend eingreifen – und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig verbessern. Dafür werde ich auch den Rest meines Berufslebens einstehen!
Interview:
Manfred Brinkmann
und Dr. Endre Hagenthurn