2019 als Schlüsseljahr für den Klimaschutz
Interview mit Prof. Volker Quaschning
Wirtschaftsforum: Herr Quaschning, aktuell vergeht kaum ein Tag ohne Nachrichtenmeldung mit Klimabezug. Inwiefern kann 2019 ein Schlüsseljahr für den Klimaschutz werden?
Volker Quaschning: Im Prinzip ist das Jahr 2019 das letzte Jahr, von dem an wir mit ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen bis 2035 klimaneutral werden könnten. Nur dann hätten wir noch eine einigermaßen realistische Chance, die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten und die globale Erwärmung sicher auf 1,5°C zu begrenzen. Im Moment deutet relativ wenig darauf hin, dass die politischen Entscheidungsträger willens sind, die nötigen Entscheidungen dafür zu treffen. Insofern geht es in diesem Jahr um die finale Entscheidung, ob wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten werden oder nicht. Die Welt geht zwar auch nicht gleich unter, wenn wir die Ziele verfehlen, aber die negativen Folgen und die Konsequenzen für die kommenden Generationen werden rasant zunehmen. Daher bin ich sehr glücklich, dass der Druck auf die Politik gerade enorm steigt.
„Es ist geradezu grotesk, dass vor allem die Politiker, die nicht einmal ihre eigenen Gesetze und Beschlüsse einhalten können oder wollen, sich am Einhalten der Schulpflicht aufhängen.“ Volker Quaschning
Wirtschaftsforum: Mit „Fridays for Future“ verschaffen sich junge Menschen Gehör und werden dafür immer wieder gerade aus der Politik kritisiert. Wie stehen Sie zu der Bewegung und ihren Kritikern?
Volker Quaschning: Ich habe vor der jungen Generation enormen Respekt. Ich habe mit vielen Menschen aus der Bewegung gesprochen und bin begeistert, welchen fachlichen Background Schülerinnen und Schüler sich angeeignet haben und mit welcher Professionalität sie Aktionen angehen und umsetzen. Da könnte sich manch ein Politiker eine Scheibe von abschneiden. Die Kritik der Politik soll im Prinzip nur vom eigenen Versagen ablenken. Die Herausforderungen und die nötigen Maßnahmen für den Klimaschutz sind in Deutschland seit 30 Jahren bekannt, ohne dass seitdem auch nur ansatzweise die erforderlichen Schritte unternommen wurden. Während überwiegend alte Politiker damit gerade die Zukunftschancen der kommenden Generationen zerstören, ist die junge Generation die erste, die innerhalb ihrer Lebenserwartung katastrophale Veränderungen durch den Klimawandel zu erwarten hat. Da ist es nur konsequent, dass sie entschlossen auf die Straße geht. Es ist geradezu grotesk, dass vor allem die Politiker, die nicht einmal ihre eigenen Gesetze und Beschlüsse einhalten können oder wollen, sich am Einhalten der Schulpflicht aufhängen.
„Für den Klimaschutz ist es absurd, dass die Regierung künftig kleine Solaranlagen schlechter vergüten will als Kohlestrom.“ Volker Quaschning
Wirtschaftsforum: Sie selbst machen sich für die Aktion „Der PV-Deckel muss weg“ stark. Was ist der Hintergrund und hat Bundesminister Peter Altmaier schon auf Ihr Schreiben an ihn reagiert?
Volker Quaschning: Im derzeit gültigen Erneuerbaren Energien Gesetz EEG ist vorgesehen, die Vergütung für neue Photovoltaikanlagen komplett zu streichen, sobald deren installierte Leistung 52 Gigawatt überschreitet. Momentan ist dahin noch ein wenig Luft. Aber im Laufe des nächsten Jahres droht der Deckel zu greifen. Dann erhält man in Deutschland nur noch für große Solaranlagen eine Vergütung, die eine Ausschreibung gewonnen haben. Kleine Dachanlagen gehen dann leer aus. Deren Wirtschaftlichkeit wird dadurch weitgehend zerstört und dieses Marktsegment würde größtenteils wegbrechen. Für den Klimaschutz ist es absurd, dass die Regierung künftig kleine Solaranlagen schlechter vergüten will als Kohlestrom. Um darauf aufmerksam zu machen, habe ich als Protest symbolisch einen Klodeckel an Herrn Altmaier geschickt und über die sozialen Medien aufgefordert, dem Beispiel unter dem Hashtag #DerPVDeckelMussWeg zu folgen. Inzwischen haben schon Dutzende die Idee aufgegriffen und Deckel an den Wirtschaftsminister, andere Politiker und sogar Medienvertreter geschickt. Herr Altmaier hat inzwischen antworten lassen, dass der 52-GW-Deckel in einer Arbeitsgruppe erörtert werden soll. Nach einem baldigen Aufheben des Deckels klingt das nicht. Aber das Thema rückt jetzt zunehmend in die Öffentlichkeit und das erhöht den Druck, endlich Gesetze für den Klimaschutz und nicht die Rettung von Energiekonzernen mit Kohlekraftwerken zu machen.
Interview: Markus Büssecker | Fotos: Janine Escher