Gitarristen-Glücklichmacher

Interview mit Jacques Isler, Geschäftsführer der G66 GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Isler, was macht ihre Firma G66?

Jacques Isler: G66 ist ein europäischer Vertrieb für Fractal Audio, einen der innovativsten Gitarrenprozessor-Hersteller weltweit. Wir sind quasi der Fractal-Ableger in Europa und vertreiben Geräte, die es Musikern ermöglichen, komplexe Gitarrensounds zu kreieren.

Wirtschaftsforum: Wie sind Sie zu diesem Geschäftsmodell gekommen?

Jacques Isler: Die Entstehung von G66 ist eng mit meiner persönlichen Unternehmensgeschichte verwoben. Nach Jahren als erfolgreicher Vertriebsunternehmer in Deutschland und der Schweiz, mit etwa 60 bis 70 Markenvertretungen, erlebte ich 1993 einen kompletten Zusammenbruch. Meine erste Firma zerfiel, meine Ehe wurde geschieden, und ich stand praktisch vor dem Nichts.

1996 startete ich in Deutschland neu. Doch auch dieser Neustart endete nicht wie geplant – mein Geschäftspartner manipulierte die Vereinbarungen, sodass ich meine versprochenen 50% der Firma nicht übernehmen konnte. Mit meiner Frau und vier Kindern entschieden wir uns 2000, nach Amerika auszuwandern. Wir hatten buchstäblich nur sechs Rucksäcke und keine Perspektive. Wir verschickten 1.100 Faxe an verschiedene Unternehmen und versuchten, Fuß zu fassen. Tatsächlich gelang uns dies mit SWR, einem Bassverstärker-Hersteller. Innerhalb eines Jahres steigerten wir deren Umsatz um 400%, was dazu führte, dass SWR für 8,5 Millionen an Fender verkauft wurde.

Wirtschaftsforum: Und wie kam es zur Gründung von G66?

Jacques Isler: 2006 gründeten wir G66. Der Name hat eine besondere Bedeutung: Die Sechs ist in der Gitarrenwelt allgegenwärtig – sechs Saiten, berühmte Röhrenbezeichnungen wie 6L6. Das Jahr 1966 zählt zu den prägendsten Jahren der Popmusik. Wir wollten einen kurzen, internationalen Namen.

Wirtschaftsforum: Wie sind Sie auf Fractal Audio gestoßen?

Jacques Isler: Ich hörte von diesem innovativen Gitarrenprozessor aus den USA und kontaktierte den Erfinder Cliff Chase. Als er nicht antwortete, flog ich kurzerhand zu ihm, klingelte an seiner Tür und überzeugte ihn von einem europaweiten Vertrieb. Unsere Philosophie war, direkt an Endkunden zu verkaufen, nicht über Händler.

Wirtschaftsforum: Was macht Ihre Produkte so besonders?

Jacques Isler: Unsere Gitarrenprozessoren von Fractal Audio sind technologische Meisterwerke. Sie emulieren klassische Röhrenverstärker mit unglaublicher Präzision. Unser Flaggschiff-Modell AXE-FX enthält mittlerweile 328 verschiedene Verstärker-Emulationen. Musiker vom Amateur bis zum Weltstar nutzen unsere Geräte – von U2 über Pink Floyd bis Rammstein.

Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre Kunden?

Jacques Isler: 90% sind keine Bühnenprofis, sondern begeisterte Hobbymusiker. Wir haben mittlerweile 80.000 Kunden in Europa – von Anfängern bis zu Weltstars. Unsere Kunden erreichen wir hauptsächlich über YouTube-Tutorials. Wir haben mehrere Kooperationen mit YouTubern – andere Werbungen schalten wir gar nicht mehr.

Wirtschaftsforum: Was macht G66 anders als andere Onlinehändler?

Jacques Isler: Wir haben eine ganz besondere Philosophie des Kundenservice. Im Zeitalter des anonymen Onlinehandels setzen wir auf wirklichen Kundenkontakt. Ich schreibe jedem Kunden persönlich. Meine Nachrichten gehen über Standardbestätigungen hinaus – ich beziehe mich auf frühere Bestellungen oder Meinungsaustausche, füge persönliche Bemerkungen hinzu und habe echtes Interesse. Jeder Besteller oder auch Interessent kann mich immer persönlich erreichen, und unsere Kunden in ganz Europa schätzen das sehr. Oft entstehen dabei echte, freundschaftliche Kontakte. Unsere Mitarbeiter in Italien, Spanien und Frankreich folgen ebenfalls diesem Ansatz. Kunden fühlen sich nicht wie eine Nummer, sondern wie geschätzte Musikenthusiasten. Wir schaffen eine Brücke zwischen klassischem Einzelhandel und digitalem Vertrieb – eine Art persönliches Zwischending, das uns von Giganten wie Amazon unterscheidet und meines Wissens ein echtes Alleinstellungsmerkmal von G66 ist. 

Wirtschaftsforum: Wie haben Sie die wirtschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahre gemeistert?

Jacques Isler: Überraschend gut. Während der Coronapandemie stiegen unsere Umsätze. Professionelle Musiker litten unter Auftrittsverboten, aber Amateurmusiker nutzten die Zeit zum Üben und Investieren. 

Wirtschaftsforum: Wie groß ist das Unternehmen mittlerweile?

Jacques Isler: Wir beschäftigen 22 Mitarbeiter. Meine Ehefrau Sussi ist eine tragende Säule von G66 und betreut die englischsprachigen Kunden. Mehrere meiner Kinder sind bereits aktiv bei G66 dabei. Dario arbeitet Vollzeit im Unternehmen, Flurina und Sybill halbtags neben ihrem Studium. Die Familie ist für G66 mehr als nur ein Konzept – sie ist das Herzstück des Unternehmens.

Wirtschaftsforum: Was haben Sie für die Zukunft geplant?

Jacques Isler: Es soll so weiter laufen wie bis jetzt. Wir sind sehr zufrieden. Ich hatte ein bewegtes Leben als Musiker und erfolgreicher Rennfahrer – ich war dreimal Automobil-Schweizermeister, einmal Formel 3 – und möchte, wenn ich mal leiser treten sollte, dass meine Kinder ein bisschen das Zepter übernehmen. 

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