Pensionsverpflichtungen im Spannungsfeld zwischen Inflation und Zinsen

Keine höheren Pensionsverpflichtungen durch DAX-Erweiterung

Obwohl im Analysezeitraum der DAX von 30 auf 40 Unternehmen erweitert wurde, ist die Gesamthöhe der Pensionsverpflichtungen nur minimal höher. Im Jahr 2020 (30 Unternehmen) lagen die Pensionsverpflichtungen bei 408 Milliarden Euro, im Jahr 2021 (40 Unternehmen) bei 418 Milliarden Euro.

Dass die Pensionsverpflichtungen kaum zugenommen haben, liegt laut den Analysten primär am deutlich höheren Rechnungszins. Dieser stieg von durchschnittlich 0,77 % (2020) auf 1,18 % (2021), was dazu führte, dass die Pensionsverpflichtungen bei manchen Unternehmen um bis zu zehn Prozent sanken. Hinzu kommt, dass die meisten DAX-Neuzugänge ohnehin nur geringe Pensionsverpflichtungen hatten, die mit Ausnahme von Airbus, Siemens Energy und Siemens Healthineers bei unter einer Milliarde Euro lagen.

Im Jahr 2021 profitieren die DAX-Konzerne überdies von der positiven Stimmung auf den Kapitalmärkten und konnten hohe Renditen erzielen. Das durchschnittliche Deckungsvermögen und der Ausfinanzierungsgrad sind deshalb deutlich gestiegen. Mit einem Ausfinanzierungsgrad von 72 Prozent erreichten die DAX-Unternehmen einen neuen Höchststand, der die Last der Pensionsrückstellungen in den Bilanzen erkennbar minderte.

Prognose der kommenden Pensionsverpflichtungen

Laut den Analysen von Aon hat die aktuelle Zins- und Inflationsentwicklung starke Auswirkungen auf die Rückstellungen der Unternehmen. Die Zinsen sind seit Beginn des Jahres 2022 deutlich gestiegen und liegen aktuell bei etwa 3,5 Prozent. Dies reduziert laut den aktuellen Quartalsberichten der DAX-Unternehmen die Pensionsverpflichtungen gegenüber dem letzten Jahresabschluss um 20 bis 30 Prozent. Problematisch ist hingegen laut der Risikoanalysen innerhalb der Geschäftsberichte der DAX-Unternehmen die Zunahme der Inflationsannahme, die zu etwa vier Prozent höheren Pensionsverpflichtungen führt.

„Während der Rechnungszins nach internationalen Rechnungslegungsstandards eine Momentaufnahme zum Bewertungsstichtag darstellt, sind die weiteren Bewertungsparameter langfristige Annahmen für die nächsten Jahre bis Jahrzehnte. Das heißt, dass die aktuelle Inflationsrate von circa 7 Prozent durchaus eine gewisse Rolle bei der Festlegung der nächsten Bewertungsannahmen spielen wird. Mittel- und langfristig wird man sich jedoch weiterhin an den Prognosen und Zielen der Europäischen Zentralbank orientieren, sodass die inflationsabhängigen Bewertungsannahmen voraussichtlich bei der kommenden Jahresabschlussbewertung moderat im Bereich von 50 Basispunkten steigen werden“, erklärt Christoph Tellmann, Senior Consultant bei Aon.

Probleme durch deutlichen Zinsanstieg?

Wie die Analysten erklären, ist der drastische Zinsanstieg ein „zweischneidiges Schwert“. Die höheren Zinsen führen einerseits dazu, dass bei der Bewertung der Pensionsverpflichtungen niedrigere Verpflichtungsumfänge bestimmt werden, andererseits wirken sich die hohen Zinsen jedoch oft negativ auf Kapitalanlagen der Unternehmen aus.

Ein Zinsanstieg wie im ersten Halbjahr 2022 wurde seit der Einführung des Euro noch nicht beobachtet. Verantwortlich dafür waren die geopolitische Situation und die schlechten wirtschaftlichen Aussichten, die bei den meisten liquiden Anlageklassen (Aktien, Staatsanleihen, Pfandbriefe, Unternehmensanleihen) zu Kursrückgängen führten. Im ersten Halbjahr 2022 sind eigentlich als stabil und risikoarm geltende Investments wie Staatsanleihen aus der Eurozone um etwa 12 Prozent im Wert gesunken.

Die normalerweise existierenden Diversifikationseffekte zwischen Aktien- und Anleiheinvestments, die das Risiko eines Anlageportfolios reduzieren sollen, sind deshalb weitgehend nicht eingetreten. Angesichts des Kriegs in der Ukraine und den Unsicherheiten bei der Energieversorgung wird diese Entwicklung laut Aon weiter anhalten. Langfristig kann zudem die Klimakrise die Inflation und die wirtschaftlichen Risiken weiter anheizen.

„Im vergangenen Jahr führte ein positives Marktumfeld im Kapitalanlagebereich und ein Anstieg der Rechnungszinsen zu einer Entlastung bei den Pensionsrückstellungen. Pauschale Prognosen für den kommenden Jahresabschluss sind derzeit noch schwierig, da sich aus erheblich steigenden Rechnungszinsen und höheren Inflationsannahmen sowie tendenziell wohl eher rückläufigen Deckungsvermögen gegenläufige Effekte ergeben. Insgesamt ist mit einem deutlichen Rückgang bei den Pensionsrückstellungen nach internationalen Bilanzierungsvorschriften zu rechnen. Unternehmen sind diesbezüglich gut beraten, frühzeitig konkrete Auswertungen der verschiedenen Einflussfaktoren vorzunehmen, um erhebliche bilanzielle Überraschungen zu vermeiden“, konstatiert Rafael Krönung, Geschäftsführer der Aon Solutions Germany GmbH.

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