Die SVR-Studie „Diskriminierung am Ausbildungsmarkt“ belegt erstmals, dass junge Bewerber mit Migrationshintergrund bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen diskriminiert werden. Ein Korrespondenz-Test mit rund 3.600 Bewerbungen zeigt: Jugendliche mit einem türkischen Namen haben bei gleicher Qualifikation deutlich schlechtere Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden als solche mit einem deutschen Namen.
Für das von der Robert Bosch Stiftung geförderte Projekt wurden jeweils zwei Bewerbungen von gleich gut qualifizierten männlichen Bewerbern mit einem türkischen und einem deutschen Namen für die Ausbildungsberufe KFZ-Mechatroniker und Bürokaufmann bundesweit an rund 1.800 Unternehmen verschickt. Ergebnis: Um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten, muss ein Kandidat mit einem deutschen Namen durchschnittlich fünf Bewerbungen schreiben, ein Bewerber mit einem türkischen Namen hingegen sieben.
Benachteiligung unterschiedlich ausgeprägt
Im Ausbildungsberuf KFZ-Mechatroniker ist die Benachteiligung sogar noch stärker ausgeprägt: So muss ein Bewerber mit einem türkischen Namen etwa 1,5-mal so viele Bewerbungen schreiben wie ein Kandidat mit einem deutschen Namen. Bei einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz als Bürokaufmann sind es 1,3-mal so viele.
„Diskriminierung tritt also nicht in allen Branchen gleichermaßen auf“, sagt Dr. Jan Schneider, Studienautor und Leiter des SVR-Forschungsbereichs. „Einen wichtigen Einfluss auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung hat außerdem die Unternehmensgröße: Die Diskriminierungsrate ist bei kleinen Firmen mit weniger als sechs Mitarbeitern deutlich höher als bei mittleren und großen Unternehmen.“
Mittelstand setzt auf „Risikominimierung“
Die Gründe für die Benachteiligung von Bewerbern mit einem ausländisch klingenden Namen sind vielfältig. Eine Rolle spielen oft unbewusste Assoziationen, stereotype Zuschreibungen oder Erwartungen, die auf bestimmten Vorbehalten basieren. Dazu zählt beispielsweise die Annahme, dass ein Auszubildender mit Migrationshintergrund von Kunden weniger akzeptiert werden könnte.
Für mittelständische Unternehmen geht es häufig um „Risikominimierung“: Wenn eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch der Ausbildung oder Probleme bei der Integration ins Team vermutet werden, kann dies insbesondere die Aussichten von Bewerbern mit Migrationshintergrund verringern. „Erwartungshaltungen, Vorurteile und Projektionen erweisen sich in Verbindung mit betrieblichen Auswahllogiken als Nährboden für Diskriminierung“, so Schneider.
Gravierende Auswirkungen
Die Auswirkungen der Ungleichbehandlung können gravierend sein. „Wo diskriminiert wird, entgehen den Ausbildungsbetrieben geeignete Bewerber. Mittelfristig kann dies die Sicherung der Fachkräftebasis gefährden“, erläutert Schneider. „Wenn junge Menschen mit Migrationshintergrund die Erfahrung machen, dass sie auf ihre Bewerbungen immer wieder Absagen erhalten, kann das zu Resignation und Rückzugstendenzen führen.“
Zur Verringerung von Diskriminierung in Bewerbungsverfahren rät Schneider zur Anonymisierung. Um den flächendeckenden Einsatz anonymisierter Bewerbungen voranzubringen, solle eine kostengünstige EDV-Lösung entwickelt werden. Das wäre vor allem für kleine Unternehmen eine entscheidende Erleichterung. Darüber hinaus sollen Schulen und Unternehmen enger kooperieren, um Jugendlichen erste Kontakte zu Arbeitgebern zu ermöglichen, so Schneider.
Versagte Teilhabechance
„Jede Diskriminierungserfahrung ist eine versagte Teilhabechance. Das ist integrationspolitisch kontraproduktiv“, meint Schneider. „Doch die Unternehmen sollten Diskriminierung auch im wirtschaftlichen Eigeninteresse vermeiden. Denn bei der Sicherung des betrieblichen Nachwuchses sind die Betriebe in Zeiten des Fachkräftemangels mehr denn je darauf angewiesen, das gesamte Potential der Bewerber auszuschöpfen.“