Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!

Andererseits

Also: die Wortpaare lauten

„müssen“ und „dürfen“,

„Haben“ und „Sein“,

„Verstand“ und „Gefühl“.

Und, haben Sie sich entschieden? War es leicht für Sie, sich zu entscheiden. Ich will nun keine Vermutungen anstellen, welches der jeweils zwei Worte Sie dem „Vertrauen“ und der „Kontrolle“ zugeordnet haben. Aber wenn Sie mögen, kann ich Ihnen verraten, wofür ich mich entschieden haben: für mich gehören die Worte „müssen“, „Haben“ und „Verstand“ eindeutig zur Kontrolle, „dürfen“, „Sein“ und „Gefühl“ zu Vertrauen.

Natürlich (natürlich?) gibt es Lebensbereiche, in denen Kontrolle sinnvoll, ja notwendig ist wie beispielsweise in der Fliegerei. Ich würde nie in ein Flugzeug einsteigen, wenn ich nicht darauf vertrauen (merken Sie etwas?) könnte, dass es vorher gründlich kontrolliert und gecheckt worden ist.

Überall, wo sicherheitsrelevante Themen eine Rolle spielen, macht es Sinn, Kontrollmechanismen, möglichst umfassende, möglichst sichere, zu haben. Paul Watzlawick hat schon vor Jahrzehnten darüber geschrieben, dass mit der Komplexität der Systeme das Bedürfnis (die Notwendigkeit?) von Kontrolle wächst.

Zugleich hat er über die Paradoxien geschrieben, die dadurch ins Rollen gebracht werden. Ein simples Beispiel: je schneller der Straßenverkehr wird, umso dringlicher scheint es erforderlich, Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuführen, die durch Schilder signalisiert werden. Manche halten sich daran, andere nicht. Folglich werden Radaranlagen installiert, welche die Geschwindigkeitsbegrenzungen kontrollieren. Und selbst diese müssen gesichert werden. Logisch, notwendig, sinnvoll? Wer beispielsweise in Indien oder in italienischen Großstädten mit dem Auto unterwegs gewesen ist, der hat die Erfahrung gemacht, dass es auch anders funktionieren kann, dass sich, je weniger Kontrollen vorgegeben sind, der Verkehr umso mehr selbst reguliert.

Um es auf den Punkt zu bringen: ja, Kontrollen können sinnvoll sein, sind aber nur da sinnvoll, wo Freiwilligkeit nicht greift. Andersherum: je mehr Kontrollen da sind, umso öfter wird das Bedürfnis da sein, diese zu umgehen. Warum? Weil Freiheit ein menschliches Grundbedürfnis ist. Je mehr der Mensch kontrolliert wird, umso größer werden sein Widerstand und sein Bedürfnis, sich Kontrollen zu entziehen. Kontrollen erzeugen Widerstände. Das Spannende ist: dies gilt nicht nur für menschliche Systeme sondern auch in der Natur: jahrzehntelang hat man Flüsse begradigt und in Betonbetten gegossen. Was haben die Flüsse getan? Sie haben Widerstand geleistet, und wir haben die Flüsse "renaturiert".

Zwischenbemerkung: der derzeitige NSA-Skandal, der verblüffender weise nur beschränkt Widerstände zu erzeugen scheint, vielleicht deshalb, weil Daten abstrakt zu sein scheinen, dieser NSA-Skandal geht von einem Land aus, das sich als das freiheitlichste der Erde bezeichnet. Um diese Freiheit zu sichern, kontrolliert dieses Land alles und jeden. Paradox und widersinnig!

Zurück zu Kontrolle und Vertrauen: ich wage die Behauptung aufzustellen, dass Kontrolle überall da einen Sinn macht, wo es um Technik geht. Zugleich wage ich zu behaupten, dass menschliche Systeme – und das gilt auch für Organisationen – umso schwächer werden, ja sind, je mehr sie kontrolliert werden.

Regeln sind für das menschliche Miteinander (überlebens)notwendig. Sie machen aber nur dann einen Sinn, wenn sie so weit wie eben möglich auf Freiwilligkeit, auf freiwilligen Vereinbarungen beruhen, und wenn diese Systeme (Familien, Unternehmen) nicht auf Misstrauen setzen, sondern wenn Vertrauen die (Ausgangs)basis ist. „Müssen“ erzeugt immer Widerstände. Wenn ich etwas nicht frei und willig tun darf, suche ich nach Ausflüchten, Fluchtmöglichkeiten, weil es meinem Grundbedürfnis nach Freiheit widerstrebt.

Menschliche Systeme sind umso stärker, werden umso stärker, je größer der Spielraum an Freiwilligkeit, je mehr Vertrauen in sie und ihre einzelnen Mitglieder gesetzt wird. Die Kraft jeden menschlichen Systems – auch die Widerstandkraft gegen Missbräuche und Vertrauensbrüche –wächst mit Freiwilligkeit, mit Eigen-Verantwortung, dem Gefühl, dass meine Verantwortung etwas mir Eigenes ist, die Kraft menschlicher Beziehungen sei es im Privaten wie im Beruflichen wächst mit Freiheit und Vertrauen, wenn, ja wenn die Regeln für alle klar und gleich sind, und wenn diese Regeln frei-willig angenommen werden.

Nochmal: Kontrollen, Kontrollpunkte erzeugen immer Widerstände, sind Widerstände, führen zu Energieverlusten in menschlichen Beziehungen, sie schränken ein und blockieren statt frei zu machen. Kontrollen führen zu mehr Kontrollen, dem Zwang, immer sicherere Kontrollmechanismen einzuführen. Und sie führen zugleich zum Bedürfnis der Kontrollierten, sich diesen Mechanismen zu widersetzen: menschlich allzu menschlich.

Je größer hingegen das Vertrauen, umso größer die (emotionale) Hürde, dieses Vertrauen zu brechen.

Meine These ist also die: wir sollten sehr genau überlegen, wann und wo Kontrolle Sinn macht, wo sie kontraproduktiv ist, und wo Vertrauen möglich, ja vielleicht sogar nötig ist.

Beides hat Konsequenzen, beides hat Risiken. Da schließlich ist Selbstvertrauen, ist selbst vertrauen gefragt, was mehr Sinn macht. Mein Tipp: vertrauen Sie Ihrem Gefühl und denken Sie daran: je mehr Sie dürfen, umso weniger werden Sie müssen wollen.

Ein Kommentar von Georg-W. Exler

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