Wir leben offenbar, ja offensichtlich in einer Welt, die Denkleistung mit Rechenleistung gleichsetzt. Alle anderen Hirnfunktionen sind oder werden ausgeschaltet. Wir leben in einer Welt, die im wahrsten Sinne des Wortes berechnend ist, in der alles, was nicht gezählt werden kann, nicht zählt.
"Nie wieder", hieß und heißt es, wenn wir an das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte denken. Stimmt. Warum denselben Fehler zweimal machen. Machen wir doch einfach andere, setzen wir doch wieder alles auf eine Karte. Und das Schöne: Alle, wirklich alle auf diesem Planeten scheinen mitzumachen. Alles wird gleichgeschaltet auf Geld. Wie wunderbar: Alles lässt sich heute auf die Fragen reduzieren, was es kostet oder was es bringt. Alles, was nicht unter diesen Perspektiven betrachtet werden kann, ist nicht existent.
Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Die Antwort der europäischen Regierungschefs auf dem letzten EU-Gipfel für dieses Problem ist - na, Sie können sich das natürlich denken: Geld. Sechs oder waren es acht Milliarden Euro und, schwupps, schon ist das Problem gelöst. Oder besser und treffender: Schon hat man eine moderne Form des Ablasshandels installiert.
Die Politik gibt einen Milliardenbetrag frei, über dessen konkrete Verwendung in Kommissionen monate- oder jahrelang gestritten wird und der schließlich in von Lobbyisten gelenkten dunklen Kanälen versenkt wird, die sich Förderprogramme nennen, und schließlich landet das Geld bei denen, für das es eigentlich bestimmt war: Bürokraten und Lobbyisten.
War bei Marx noch Religion Opium fürs Volks, so ist es heute Geld. Geld macht bewegungslos, besinnungslos, hilflos und betäubt. Diejenigen, die Hilfe benötigen, verstehen darunter nur noch "Gebt uns Geld!", und diejenigen, die helfen sollten oder könnten, betrachten Hilfestellung nur noch diese Frage: "Wieviel Geld müssen wir geben, um die Hilfsbedürftigen ruhig zu stellen, um soziale Unruhen zu vermeiden oder in Grenzen zu halten?"
Geld ist ein Symbol für die Hilflosigkeit und Einfallslosigkeit der Regierenden, die längst das Primat "Geld regiert die Welt" bedingungslos akzeptiert haben. In biblischen Zeiten wurde in Krisen ein Opferlamm geschlachtet. Das Opferlamm heute heißt Geld. Egal ob Klimawandel, Jugendarbeitslosigkeit, Flutkatastrophe oder Finanzkrise: Man nehme einen Haufen Geld, je größer desto besser, verbrenne ihn und schon ist das Problem gelöst. Je mehr desto besser oder wie der amerikanische Psychologe Paul Watzlawick einmal sagte: "Mehr vom immer Gleichen verschlimmert nur."
Nein, in Wirklichkeit bräuchten die Millionen von arbeitslosen Jugendlichen etwas völlig anderes: Sie bräuchten Zuwendung, das Gefühl, dass mit ihnen gemeinsam kreativ nach neuen Wegen gesucht wird. Sie bräuchten Aufgaben, die sinnstiftend sind, Ziele, für die es zu leben und zu arbeiten lohnt. In der Entwicklungshilfe galt lange das Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe". Die Art und Weise, wie Geld heute zur Problemlösung eingesetzt wird, ist hingegen völlig wirkungslos.
Weder Griechenland noch den arbeitslosen europäischen Jugendlichen ist mit Geld zu helfen. Helfen kann nur, was Sinn macht, was sinnstiftend ist. Geld ist da - so paradox es klingen mag - völlig wertlos und im mehrfachen Sinne völlig sinnlos.
Geld ist ein Zeichen der Hilflosigkeit und macht hilflos. Papst Johannes XXIII. hat bei der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils gefordert: "Macht die Fenster und Türen auf, damit frischer Wind hineinkommt!" Täten wir das heute, würden wir feststellen, dass Geld nicht mehr als Papier ist, das vom Winde verweht wird. Probleme werden eben nicht durch Geld gelöst sondern durch Tatkraft und Menschen, die nicht berechnend sind, sondern neu, anders, ungewöhnlich denken können.
Ein Kommentar von Georg-W. Exler