"Würde keinen Wahlkampf für die AfD machen"

Interview mit "Höllenritt Wahlkampf"-Autor Frank Stauss

Wirtschaftsforum: Herr Stauss, in Ihrem neuen Buch „Höllenritt Wahlkampf“ gewähren Sie einen Blick hinter die Kulissen der Wahlkampfmaschinerie. Sie haben überwiegend Wahlkämpfe für die SPD bestritten. Jetzt arbeiten Sie für ein konservatives Lager. Eine Partei braucht also nicht zwangsläufig jemanden als Wahlkämpfer, der die gleichen Überzeugungen und parteipolitischen Positionen teilt?

Frank Stauss: Für mich ist die Wahlkampf-Tätigkeit eher an Persönlichkeiten gebunden und weniger an Positionen. Mit Herrn Spindelegger von der ÖVP habe ich mich getroffen, wir haben mehrere Stunden zusammen geredet und die Sympathie war da. Mir haben seine Ansichten gefallen, er ist für mich ein moderner Konservativer. Ich würde allerdings nicht für jemanden Wahlkampf machen, wenn ich denke, dieser Mensch sei schlecht für das Land.

Wirtschaftsforum: Kommen wir noch einmal auf die Parteipositionen zurück und nehmen wir einmal das Beispiel der neuen Bundespartei „Alternative für Deutschland“. Hätten Sie für AfD den Wahlkampf übernommen, wenn diese an Sie herangetreten wäre?

Frank Stauss: Nein, das kommt nicht in Frage, denn ich bin ein glühender Anhänger Europas und des Euro.

Wirtschaftsforum: Also gibt es für Sie als Wahlkämpfer auch Grenzen, wenn es um die politische Ausrichtung einer Partei geht?

Frank Stauss: Ja, ich würde in dem genannten Fall mit der Partei ein Gespräch führen, aber eine Zusammenarbeit könnte ich vor mir nicht verantworten.

Wirtschaftsforum: Lassen Sie uns beim aktuellen Bundestagswahlkampf bleiben. Die SPD muss in diesem Jahr ohne Sie auskommen. Die Partei arbeitet in diesem Jahr – ähnlich wie in den USA – mit sogenannten Kampaignern zusammen, die von Haus zu Haus ziehen und die Menschen auf ihren Wohnzimmer-Sesseln für die Wahlen begeistern wollen. Wie finden Sie dieses Konzept?

Frank Stauss: Also, eine Kampagne muss auf die Partei und auf den Kandidaten oder die Kandidatin zugeschneidert sein – das muss passen. Und wenn ich jetzt ein Konzept für den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück entwickelt hätte, dann wäre es kein Wohlzimmer-Wahlkampf gewesen. Denn ich habe einfach das Gefühl, dass dies nicht wirklich das ist, was ihm am ehesten entspricht.

Wirtschaftsforum: Aber was läuft denn schief, dass Herr Steinbrück in den Umfragen bei einer Direktwahl so weit hinter der Kanzlerin liegt? Ist das von Ihnen beschriebene Stärkenprofil vom SPD-Kanzlerkandidaten – also „kantiger Macher und Wirtschaftsfachmann mit Herz“ – noch nicht deutlich genug herausgearbeitet?

Frank Stauss: Man kann wirklich nicht behaupten, dass die letzten Wochen für Peer Steinbrück besonders gut gelaufen sind – insbesondere der Wahlkampfauftakt. Ich würde indes noch nicht das Totenglöckchen läuten. In meinem Buch beschreibe ich auch den Wahlkampf aus dem Jahr 2005, wo der Abstand zwischen der CDU und der SPD bei über 20 Prozent lag, und am Wahltag lag er nur noch bei einem Prozent. Da ist immer noch Musik drin, und die meisten Menschen haben sich auch noch gar nicht mit dem Wahlkampf beschäftigt. Gleichwohl ist es wichtig, dass aus dem verstolperten Start die richtigen Lehren gezogen werden.

Wirtschaftsforum: Was empfehlen Sie Herrn Steinbrück konkret?

Frank Stauss: Es geht jetzt nicht darum, die sanfte Seite von Herrn Steinbrück zu betonen, sondern diejenige Seite, die ihn zu einem der populärsten Politiker gemacht hat. Das war er ja zu Zeiten der Großen Koalition von Schwarz-Rot und auch nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett. Dort muss er wieder andocken. Die soziale Kompetenz der SPD ist unbestritten, und Steinbrück muss jetzt bei diesem Thema mit seiner Wirtschaftskompetenz punkten und klarmachen, dass der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft eben auch ein wichtiger Grund für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands ist.

Wirtschaftsforum: Und wer trägt eigentlich die Verantwortung am Stolperstart des Kanzlerkandidaten?

Frank Stauss: Offensichtlich hat sich die Parteiführung am Anfang nicht ordentlich auf die drei potenziellen Kandidaten Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel vorbereitet. Zeit genug war eigentlich vorhanden, um für jeden Kandidaten ein entsprechendes Drehbuch zu entwickeln. Auch hätte mit den Kandidaten über deren Angriffsflächen gesprochen werden müssen.

Wirtschaftsforum: Drehbücher sind also wichtig?

Frank Stauss: Ja, ich erinnere an das Jahr 1998, als lange Zeit offen war, ob Oskar Lafontaine oder Gerhard Schröder Kanzlerkandidat werden würden. Die Parteizentrale wurde damals von Franz Müntefering geführt, und es waren eben zwei Drehbücher in der Schublade. Das lässt sich vorbereiten.

Wirtschaftsforum: Könnte es sein, dass der Steuerfall Uli Hoeness Steinbrück rettet? Eine stärkere Steuersünder-Bestrafung wird in diesen Tagen vom SPD-Kanzlerkandidaten lautstark vorangetrieben.

Frank Stauss: Langfristig nicht, denn das Thema für die meisten Menschen nicht attraktiv genug. Es geht nicht darum, weniger Steuern zu zahlen, sondern dass überhaupt Steuern gezahlt werden.

Wirtschaftsforum: Aber diejenigen zu bestrafen, die enorme Summen am Fiskus vorbeigemogelt haben, ist doch ein emotional besetztes Thema.

Frank Stauss: Es sind auf jeden Fall Emotionen im Spiel und treffen den Gerechtigkeitskern, doch Herr Hoeness ist keine politische Figur, der etwa für die CDU oder CSU steht. Insofern kann Steinbrück damit nicht wirklich punkten.

Wirtschaftsforum: An welcher Stelle muss Herr Steinbrück denn jetzt noch an seinem Profil feilen?

Frank Stauss: Er ist ein Mann mit Erfolgen, dem die Menschen in der Wirtschaftskrise 2007/2008 vertraut haben. Aber er muss jetzt wieder diesen Kern freiarbeiten, warum er in die SPD eingetreten ist. Ich kenne seine Einstellung. Er will nicht, dass diese Gesellschaft auseinander fällt und spricht von diesen Fliehkräften, die wir alle spüren. Er ist der festen Überzeugung, dass ein Land, das keinen inneren Frieden hat, auch keinen wirtschaftlichen Erfolg haben kann – eine nachvollziehbare These, wie ich finde. Es ist für einen Wahlkampf noch viel Zeit, aber jetzt müssen sie wirklich langsam die Kurve bekommen, die SPD und Peer Steinbrück.

Wirtschaftsforum: Ohne uns säuft der Kahn ab, schreiben Sie. Sind Parteien – im Umkehrschluss – bei Wahlen nur erfolgreich, wenn sie eine gute Werbekampagne einkaufen?

Frank Stauss: Nein, darum geht es nicht. Mit ,uns‘ meine ich, unabhängig von den Parteien, die Wahlkämpfer, die sich am Wochenende an einen Infostand stellen. Zehntausende von Menschen, die alle vier Jahre bei Wind und Wetter draußen stehen, um ein politisches Gespräch zu führen. Letztlich habe ich genauso angefangen, und meine Freizeit dafür genutzt.

Wirtschaftsforum: Was macht einen erfolgreichen Wahlkämpfer aus?

Frank Stauss: Sie müssen die Leidenschaft mitbringen. Genauso wie andere ein großartiges Fußballspiel packt, so hat mich schon immer der Wahlkampf gepackt und elektrisiert. Der Wahlkampf ist die Krönung der Demokratie. Wenn sich von den rund 60 Millionen Wahlberechtigten etwa 46 Millionen am Wahltag aufmachen und in die Wahllokale gehen, dann findet eine große Emotionalisierung statt.

Wirtschaftsforum: Welches war denn in Ihrer Wahlkämpfer-Karriere bisher das bewegendste Erlebnis?

Frank Stauss: Der Wowereit-Wahlkampf im Jahr 2001, der erste Wahlkampf, den ich selbst zu verantworten hatte. Das war für mich eine emotionale Achterbahnfahrt, zumal die Wahlen zwei Wochen nach dem 11. September stattfanden. Bedrückend, aber letztlich erfolgreich. Dann kam natürlich der eigentliche Höllenritt im Jahr 2005, als es für die SPD um die Existenz ging, und eine beispiellose Aufholjagd begann, und die Partei am Schluss nur ein Prozent von der CDU trennte…

Wirtschaftsforum: Welches ist Ihre persönliche Prognose für die Bundestagswahl?

Frank Stauss: Michael Spindelegger wird Bundeskanzler von Österreich. Das ist die Wahl, die mich im Moment interessiert.

Wirtschaftsforum: Wer überzeugt sie denn hier in Deutschland mehr – Merkel oder Steinbrück?

Frank Stauss: Ich bevorzuge Menschen mit Haltung und einer klaren Aussprache.

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