Wie man komplexe Technik leicht bedienbar macht
Interview mit Klaus Welte, CEO der Stockert GmbH

Stockert ist spezialisiert auf medizinische Geräte für die Bereiche Hochfrequenzablation und Nervenstimulation. Zum Produktangebot gehören minimalinvasive Therapiesysteme für die Behandlung von Herzrhythmusstörungen und Stimulatorlösungen für die präzise Nervenlokalisation in der Regionalanästhesie. Darüber hinaus bietet das mittelständische Unternehmen fertig konfektionierte Kabellösungen für verschiedene medizintechnische Anwendungen.
Firmengründer Rüdiger Stockert hat 1985 den Grundstein für den Betrieb mit der Entwicklung eines Gerätes für die Neurochirurgie gelegt. „Im Jahr 2011 hat Herr Stockert das Unternehmen an die Metechon AG, eine mittelständische Beratungs- und Beteiligungsholding mit Sitz in München, verkauft“, erklärt CEO Klaus Welte, der seit über 30 Jahren in der Medizintechnik-Branche arbeitet.
Fokus auf Usability
Rüdiger Stockert hat sich mit zwei medizinischen Disziplinen beschäftigt: der elektrischen Stimulation von Nerven im Körper – er hat zum Beispiel ein Gerät entwickelt, mit dem man periphere Nervenblockaden auflösen kann – und der Ablation, einem Verfahren, bei dem Gewebe durch Hochfrequenzenergie zerstört wird. „Heute sind wir Weltmarktführer in der Elektrophysiologie, also der Behandlung von Herzrhythmusstörungen, hier generieren wir den meisten Umsatz und sehen auch weiterhin großes Potenzial“, sagt Klaus Welte. „Stockert hat es geschafft, das erste wirklich kommerziell erfolgreiche Gerät zu entwickeln, das in den Kliniken auch gut anwendbar war. Technik wird immer komplexer, Ärzte sollten jedoch immer den Patienten im Fokus haben.“
Die Geräte von Stockert sind mittlerweile in der dritten Generation erhältlich und so gehalten, dass sie sich leicht bedienen lassen und sicher sind, auch wenn sie von unterschiedlichen Personen bedient werden. „Usability spielt eine sehr große Rolle bei unseren Lösungen“, bestätigt Klaus Welte. Für die minimalinvasive Behandlung von Herzrhythmusstörungen bietet Stockert das Hochfrequenz-Ablationssystem SmartAblate™, das weltweit über eine Partnerschaft mit Biosense Webster vertrieben wird. Für den zweiten Schwerpunkt im Portfolio, die Regionalanästhesie, bietet Stockert mit dem Nervenstimulator Stimuplex® HNS12 die ideale Lösung für die präzise Lokalisierung von Nerven und der anschließenden Betäubung. „Mit einer effektiven lokalen Anästhesie lassen sich die Risiken einer Vollnarkose vermeiden“, so Klaus Welte.
Neue Geräte für neue Märkte
Stockert beschäftigt 85 Mitarbeiter und erzielt mit seinen hochentwickelten Medizintechnik-Produkten einen Umsatz von über 20 Millionen EUR. Derzeit ist man dabei, das Produktspektrum zu erweitern, um andere Marktsegmente zu erschließen. „Wir wollen unsere Konzepte auf andere Bereiche ausdehnen, zum Beispiel andere Geräte mit ähnlicher Technologie in der Elektrophysiologie, und dafür unsere weithin bekannte Marke nutzen“, erklärt Klaus Welte.
„Usability spielt eine sehr große Rolle bei unseren Lösungen.“ Klaus WelteCEO

Stockert produziert sämtliche Geräte am Standort in Freiburg; der Vertrieb erfolgte bis vor einiger Zeit auf exklusiver Basis über mehrere große Distributoren. „Inzwischen arbeiten wir nicht mehr exklusiv und haben damit unsere Technologie auch anderen zugänglich gemacht, sodass wir unsere Kundenbasis verbreitern konnten“, so Klaus Welte. „Allerdings arbeiten wir nach wie vor mit wenigen großen Vertriebspartnern zusammen.“
Viele der Medizingeräte aus Freiburg gehen ins Ausland: Stockert ist in über 100 Ländern vertreten. Den weltweiten Erfolg begründet Klaus Welte mit der Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette: „Wir arbeiten mit kleinen Stückzahlen und können schnell agieren, von der Entwicklung über die Produktion bis zur Logistik.“
Agilität wichtiges Element
Eine Herausforderung für Stockert stelle die europäische Verordnung über Medizinprodukte MDR (Medical Device Regulation) dar, welche seit Mai 2021 gilt. „Die Medizinprodukterichtlinie ist für kleinere und mittlere Firmen unheimlich aufwendig und teuer“, sagt Klaus Welte. „Wir haben Technologien, die sich seit Jahren bewähren, und trotzdem tut man mit der MDR so, als würde es diese klinischen Daten nicht geben. Ich glaube, dass wir uns damit in Deutschland einen wirklichen Standortnachteil schaffen. Ich würde mir wünschen, dass die Politik mehr für den Mittelstand tut statt weniger. Es gibt unendlich viele Gesetze und Vorschriften, und in einer kleinen Firma da hindurch zu navigieren, ist oft sehr hinderlich.“
Stockert sei ein erfolgreicher Mittelständler und wolle das auch bleiben. „Agilität ist für uns ein ganz wichtiges Element, wir stellen Leute ein, die Lust haben, in einem Unternehmen viel zu gestalten“, erläutert Klaus Welte. „Es ist schön zu sehen, wie unsere Technologie Menschen ganz unmittelbar hilft.“ Mittelständler bleiben, und das ganz bewusst am Standort Freiburg, bedeutet jedoch nicht, dass Stockert nicht wachsen möchte. „Wir werden weiter wachsen müssen, sowohl organisch als auch über Firmenkäufe, um die Kosten breiter zu verteilen“, sagt Klaus Welte. „Wir sind da sehr offen für Neues. Der Schwerpunkt wird aber immer auf elektronischen Medizinprodukten mit hohen Einstiegshürden bleiben.“