Ein Konzept für die Energiewende
Interview mit Sebastian Haag, Geschäftsführer der Stadtwerke Bruchsal GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Haag, Anfang 2025 hat der Aufsichtsrat der Stadtwerke Bruchsal eine umfassende Strategie für das Transformationsprogramm verabschiedet, mit dem Sie in Bruchsal die Energie- und Wärmewende umsetzen möchten – auf welchen Eckpfeilern basiert dieses Konzept?
Sebastian Haag: Wir waren in der glücklichen Lage, dass es für Bruchsal bereits einen kommunalen Energieleitplan gibt, auf dem wir bei der Erarbeitung unserer holistischen Strategie aufbauen konnten: Diese soll nun als Orientierung für die Bürger unserer Stadt, die Politik, aber auch unsere Mitarbeiter dienen. In unserem Strategiepapier haben wir dabei zunächst – Geschäftsfeld für Geschäftsfeld – die konkreten Marktgegebenheiten sowie die Erwartungen für die Zukunft und den Investitionsbedarf beschrieben. So prognostizieren wir bis 2045 ein Gesamtinvestitionsvolumen von 275 Millionen EUR, was etwa einer Verdopplung unserer jährlichen Investitionssummen entspricht, sowie eine Bilanzerhöhung um etwas mehr als das Dreifache des derzeitigen Wertes.
Auch wenn am Kapitalmarkt immer zielgerichtetere strukturierte Finanzprodukte für derartige Vorhaben angeboten werden, stehen bei Themen der Grundversorgung letzten Endes doch auch die politischen Strukturen vom Bund bis zur Kommune in der Pflicht: Denn am Ende muss die Energiewende auch für die Bürger und die Industrie finanzierbar bleiben. Wir sind froh, dass wir als Stadtwerke gemeinsam mit der Stadt mit einem solch umfassenden Konzept die Energiewende vor Ort angehen und damit Verantwortung für die Energieversorgung der Zukunft für unsere Bürgerinnen, Bürger und die Industrie übernehmen können.
Wirtschaftsforum: Wie ambitioniert fallen die Ziele Ihrer Gemeinde dabei aus?
Sebastian Haag: Wir wollten uns mit diesem Strategiepapier im Hinblick auf die erreichbaren Ziele ehrlich machen: Während die Europäische Union bis 2050 CO2-neutral werden will, will der Bund dieses Ziel bereits bis 2045 erreicht haben, das Land Baden-Württemberg bis 2040. Mit unserem umfassenden Transformationskonzept verfügen wir nun über eine starke Grundlage, auf deren Basis wir in einen Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern eintreten und ihnen klar vorstellen können, mit welchen Kosten eine vollständige Dekarbonisierung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einhergehen wird. Für den Moment gehen wir davon aus, unser Transformationskonzept bis zum Jahr 2045 abgeschlossen zu haben.
Wirtschaftsforum: Zu welchen inhaltlichen Ergebnissen kamen Sie im Rahmen dieser Strategieentwicklung?
Sebastian Haag: Wir haben genau sondiert, welche erneuerbaren Energien für uns in der Zukunft wichtig werden – im Ergebnis stand, dass Windkraft für uns eine höhere Bedeutung haben wird als etwa Photovoltaikanlagen. Den Genehmigungsantrag für die Errichtung unseres Windparks konnten wir bereits einreichen – ein wichtiger Schritt, auch um der allgemeinen Öffentlichkeit zu verdeutlichen, dass wir schnell in die Umsetzung gehen werden: Denn die Menschen erwarten nun selbstverständlich zeitnah konkrete Maßnahmen. Gleichzeitig ertüchtigen wir bereits unser Geothermiekraftwerk, das neben Großwärmepumpen das Herzstück unseres Fernwärmenetzes bilden soll. Der systematische Ausbau des entsprechenden Leitungsnetzes wird über die nächsten Jahre erfolgen. In diesem Zuge spielt auch die Sektorenkopplung eine wichtige Rolle. Neben unserem Fernwärmeangebot rechnen wir mit einer deutlichen Zunahme der Wärmepumpen im Markt, weswegen wir den Ausbau unseres Stromnetzes ebenso entschieden vorantreiben – mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von über 100 Millionen EUR.
Wirtschaftsforum: Ein ausgefeiltes Konzept ist sicherlich eine wichtige Basis – aber wie lässt es sich in Zeiten des Fachkräftemangels auch verlässlich und planbar umsetzen?
Sebastian Haag: Derzeit haben wir keine großen Schwierigkeiten, offene Stellen mit qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen – auch auf der Führungsebene. Das dürfte auch an unserem klaren Fahrplan sowie den vielfältigen Möglichkeiten liegen, sich bei dieser wirklich gesamtheitlichen Transformation wirksam einzubringen: Wer anpacken will, ist bei uns richtig. Gleichzeitig möchten wir als Stadtwerke Bruchsal auch nicht alles selbst machen, sondern setzen an vielen Stellen auf ein starkes Netzwerk aus örtlichen Handwerksbetrieben, die so ebenfalls an dieser Transformation Anteil haben können – etwa durch die Einrichtung von Wärmeübergabestationen oder den Einbau von Wärmepumpen. So wollen wir den Betrieben vor Ort deutlich machen, dass wir ihnen kein Geschäft wegnehmen. Im Gegenteil – denn die Aufgaben sind so umfangreich, dass am Ende mehr als genug Geschäft für alle da ist.
Wirtschaftsforum: Wie nehmen Sie die Bürger von Bruchsal mit auf diesen Weg?
Sebastian Haag: Eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung ist sicherlich die wichtigste Grundlage überhaupt, damit diese Transformation gelingen kann. Denn wir werden in den nächsten Jahren auch für viele größere Baustellen in der Stadt verantwortlich sein: Idealerweise – auch wenn das vielleicht ein hehres Ziel ist – sollen sich die Menschen aber eher darüber freuen und nicht zu sehr davon verärgert sein. Gleichzeitig stehen wir in intensivem Austausch mit Bürgerenergieinitiativen – denn wenn neue Infrastruktur vor der eigenen Haustür entsteht, sollen sich die Menschen vor Ort auch daran beteiligen können.