Eine Unternehmenskultur mit Leben füllen? Daran muss man jeden Tag arbeiten
Interview mit Pia Meier, Mitglied der Geschäftsleitung der Seidel GmbH & Co KG
Wirtschaftsforum: Frau Meier, als Personalchefin treffen Sie täglich Entscheidungen und setzen Impulse im Betrieb. Ein Aufruf zur Spende von Überstunden und Urlaubstagen klingt aber überhaupt nicht nach Tagesgeschäft?
Pia Meier: Nun, genau solche Aktionen sind es, die Seidel besonders machen: Bei uns sind diese Themen, die den Mitarbeiter psychisch belasten, explizit Bestandteil unseres Tagesgeschäftes. Wir sehen den Menschen nicht nur als Mitarbeiter, sondern als Persönlichkeit mit all seinen Bedürfnissen, Stärken und Schwächen – das schafft Vertrauen, was die Mitarbeiter ermutigt sich anzuvertrauen.
Tagtäglich gehört es zu meinen Aufgaben– oft eben auch nach Arbeitsende – beispielsweise Mitarbeiter zu entschulden, Ehekrisen aufzufangen oder gar nach einem Wohnungsbrand zu unterstützen.
Wirtschaftsforum: Die Aktion läuft jetzt fast ein Jahr. Inwiefern machte beziehungsweise macht sie sich in der Firma und bei den Mitarbeitern bemerkbar?
Pia Meier: Unter anderem stärkte diese Aktion das Gemeinschaftsgefühl und gibt den Mitarbeitern die Sicherheit, in Notlagen aufgefangen zu werden. Seidel als Unternehmen insgesamt profitiert extrem von dem sehr guten Betriebsklima.
Wirtschaftsforum: Unternehmenskultur ist ein viel strapaziertes Wort, bei Seidel scheint sie tatsächlich gelebt zu werden. Wie haben Sie es geschafft, den Begriff mit Leben zu füllen?
Pia Meier: Das sehe ich ganz genauso. Es ist so leicht darüber zu reden und bleibt leider in den meisten Fällen dabei. An einer guten Unternehmenskultur muss man nämlich tatsächlich jeden Tag arbeiten. Kultur ist Beziehung. Beziehung muss man leben und pflegen. Das ist täglich nötig, wichtig und richtig.
Wirtschaftsforum: Die Spendenaktion hat für viel positive Resonanz gesorgt, dennoch Ihre Einschätzung: Kann der Aufruf als Best Practice über Seidel hinaus Schule machen oder bleibt er ein Einzelfall?
Pia Meier: Wissen Sie, ich bin ein sehr positiver Mensch. Ich glaube fest daran, dass dies in vielen Firmen möglich sein kann und vor allem nötig ist. Ich wünsche mir, dass es Schule macht und mehr Firmen ihre besondere, soziale Verantwortung tragen.