Heute gehen die Uhren anders

Interview mit Herbert Auer, CEO der Pollmann International GmbH

Franz Pollmann, der Gründer des gleichnamigen Unternehmens, hätte zweifellos nicht schlecht gestaunt, wenn er hätte sehen können, was aus seinem Handwerksbetrieb, der vor 130 Jahren Wanduhren und feinmechanische Geräte herstellte, geworden ist: Ein mittelständisches, aber international aufgestelltes Unternehmen mit vier Standorten weltweit, 1.700 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 170 Millionen EUR.

Und sicherlich hätte es ihn besonders gefreut, dass der Betrieb noch immer in der Hand seiner Familie ist. Inhaber Robert und Markus Pollmann vertreten heute bereits die vierte Familiengeneration.

Geändert hat sich seit 1888 jedoch vieles. In den 1970er-Jahren schwenkte Pollmann von den Uhren auf die Automobilindustrie um. „Es begann damit, dass wir mechanische Kilometerzähler produzierten“, erzählt der CEO der Pollmann International GmbH Herbert Auer. In den 1990er-Jahren wurde das Automotive-Spektrum erheblich erweitert. „Die starke Internationalisierung fand erst in den letzten 10 bis 15 Jahren statt“, berichtet der Diplom-Ingenieur.

Neben dem Stammwerk in Österreich betreibt Pollmann einen Standort in Tschechien. Seit 2001 produziert das Unternehmen außerdem in den USA und seit 2006 in China. „Der Standort in China soll 2018 auf die doppelte Größe erweitert werden. Außerdem bauen wir für 17 Millionen EUR ein zweites Werk in Österreich – das ist die größte Einzelinvestition in unserer Firmengeschichte“, betont Herbert Auer.

Dächer und Türen

Als klassischer Tier-2-Lieferant in der Automobilindustrie produziert Pollmann Komponenten für komplexe Mechatronik-Bauteile. Die Kernkompetenz des Unternehmens liegt im Verbund von Metall, Kunststoff und Elektronik.

„Wir legen den Fokus auf Prozessinnovationen, die wir in die Bauteile einbringen. Darin sind wir Marktführer“, hebt Herbert Auer hervor. Bei den Kunden handelt es sich um die großen Tier-1-Marken.

Pollmann deckt die fünf Produktbereiche Dach, Tür, Motorraum, Powertrain und E-Mobilität ab. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Bereichen Dach und Tür, die 70% des Umsatzes ausmachen. So fertigt das Unternehmen beispielsweise ein Aktuator für Türschlosssysteme für Jaguar und Landrover. Für die verschiedenen Fahrzeugtypen aller großen Marken liefert Pollmann auch die spezifischen Schiebedachmechaniken.

Großes Wachstum ist laut Herbert Auer allerdings in den Bereichen E-Mobilität und Powertrain – dem Antriebsstrang eines Fahrzeugs – zu erwarten. „Aufgrund der Megatrends findet auf diesen Gebieten ein starker Wandel statt. Das berücksichtigen wir für unsere zukünftige Projektstrategie und engagieren uns frühzeitig in entsprechenden Projekten.“

Gemeinsam zur Industrie 4.0

„In der Produktion nähern wir uns der Industrie 4.0“, so der CEO. Der Anteil an Robotik nehme stetig zu, erklärt er. „In Hochlohnländern laufen die Produktionsprozesse bis zur Rückverfolgung bereits vollautomatisch ab.“ Auf dem Weg zur I4.0 sind die Kunden wichtige Sparringspartner.

„Sie kommen schon mit einem ersten Design- Sharing zu uns. Wir entwickeln dann das Produkt gemeinsam, zunächst den Prototypen, dann die Serie. Ihm ist es daher wichtig zu betonen: „Wir sind nicht nur Produzent, sondern Entwicklungspartner. Die besten Produkte entstehen, wenn man von Anfang an dabei ist.“ In der Regel ergibt sich daraus eine langjährige Zusammenarbeit mit den Kunden.

Ein wichtiges Erfolgskriterium sieht Herbert Auer in der Unternehmensgröße. So sei Pollmann groß genug, um international tätig zu sein, und klein genug, um seine Flexibilität zu erhalten. Die Innovationskraft des Unternehmens kommt nicht von ungefähr: „Wir investieren viel in Forschung und Entwicklung, und suchen neue Wege und Lösungen.“ Das verlangt qualifiziertes Personal. Die Branche klagt jedoch über einen Fach- und Führungskräftemangel.

Besonders Entwicklungsingenieure im IT-Bereich seien schwer zu finden, bedauert Herbert Auer. Pollmann unterhält deshalb Kontakte zu benachbarten technischen Schulen und bildet in seinem Stammhaus in Karlstein im großen Stil Lehrlinge aus. Die Fluktuation im Unternehmen ist gering. „Viele Mitarbeiter sind schon lange bei uns. Entsprechend groß ist die Akkumulation von Know-how.“

Digital in die Zukunft

Mit seinen Niederlassungen in Österreich, den USA, China und Tschechien, die ihren jeweiligen Kontinent versorgen, ist Pollmann in den wichtigsten Märkten vertreten. International wird sich aber noch einiges tun. Neben der Standorterweiterung in China denkt man über weiteres Wachstum im amerikanischen Raum nach. „Hier ist noch Potenzial für uns. Derzeit befinden wir uns in Mexiko noch in der Evaluierungsphase“, so Herbert Auer.

In den nächsten fünf Jahren soll der Umsatz auf 240 bis 250 Millionen EUR wachsen, die Beschäftigung von 2.300 Mitarbeitern wird eingeplant. Zur Wettbewerbssicherung wird Pollmann einstellige Millionenbeträge in Digitalisierung, IT und Industrie 4.0 investieren.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Automobil & Fahrzeugbau

Die Kraft der Kartoffel entfesseln

Interview mit Pieter Donck, Sales Manager bei AVR nv

Die Kraft der Kartoffel entfesseln

Die Kartoffel genießt eine hohe Position unter Lebensmitteln vor allem in Mitteleuropa und gehört zu den Hauptnahrungsmitteln in vielen Ländern. Dieser Schatz versteckt sich allerdings in der Erde und es…

Leuchtende Ergebnisse in der Autoreparatur

Interview mit Michael Siegel, Betriebsleiter der Brillant GmbH

Leuchtende Ergebnisse in der Autoreparatur

Die Automobilbranche erlebt stetige Wandlung und dennoch bleiben gewisse Aspekte beständig. Trotz der Wende zur E-Mobility gibt es Unfallschäden und Instandsetzung. Die Brillant GmbH in Köln ist ein glänzendes Beispiel…

„Bei der Circular Economy liegt Europa sehr weit vorn!“

Interview mit Martin Aeschlimann, General Manager Engineering Plastics der Asahi Kasei Europe GmbH

„Bei der Circular Economy liegt Europa sehr weit vorn!“

Der über 50.000 Mitarbeiter starke japanische Weltkonzern Asahi Kasei setzt mit seiner „Materials“-Sparte in seiner europäischen Niederlassung in Düsseldorf auf wichtige Innovationen, aus denen sich mitunter auch neue Ansätze für…

Spannendes aus der Region Karlstein

Mit Schiebedach und Tür immer im Trend

Interview mit DI Herbert Auer, CEO der Pollmann International GmbH

Mit Schiebedach und Tür immer im Trend

Mit Mechatronik-Lösungen für die Automobilindustrie ist die Pollmann International GmbH mit Sitz in Karlstein innerhalb von rund 50 Jahren zu einem international agierenden Unternehmen herangewachsen. Jetzt möchte das österreichische Familienunternehmen…

Sonnenblumenöl aus der Ukraine: vom Feld direkt auf den Teller

Interview mit Hans Karall, Geschäftsführer der Vimeksim International GmbH

Sonnenblumenöl aus der Ukraine: vom Feld direkt auf den Teller

Bisher hat sich die ursprünglich in der Ukraine gegründete Vimeksim International GmbH vornehmlich in der Urproduktion von Agrarrohstoffen engagiert. Vor einem Jahr brachte das Unternehmen unter der Marke Vieno schließlich…

Clevere Maschinen, smarte Prozesse

Interview mit Ing. Rainer Haag, Geschäftsführer der ematric gmbh

Clevere Maschinen, smarte Prozesse

Internationaler Wettbewerb, steigende Kosten und anhaltender Fachkräftemangel formen ein dynamisches Umfeld für produzierende Unternehmen. Entsprechend effizient und fehlerfrei müssen Produktionsprozesse funktionieren, um wettbewerbsfähig zu sein. Die ematric gmbh aus Österreich…

Das könnte Sie auch interessieren

„Wir wollen die Menschen immer wieder überraschen!“

Interview mit Anneke Snijders, Geschäftsführerin der Silk-ka BV

„Wir wollen die Menschen immer wieder überraschen!“

Was für wunderbare Blumen und Pflanzen! Und so natürlich! Was auf den ersten Blick wie eine perfekte Kreation der Natur aussieht, ist doch nur eine Illusion, denn die täuschend echt…

Selbstbestimmte Energieversorgung

Interview mit Michael Schnakenberg, CEO der Commeo GmbH

Selbstbestimmte Energieversorgung

Eine wirtschaftliche Energieversorgung ist zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für Industrie- und Gewerbeunternehmen geworden und Voraussetzung, um die steigenden gesetzlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit zu erfüllen. Mit flexiblen Energiespeichersystemen ermöglicht die Commeo…

Einsatz für eine zukunfts-fähige Landwirtschaft

Interview mit Stephan Paulke, Geschäftsführer der EgeSun GmbH

Einsatz für eine zukunfts-fähige Landwirtschaft

Nachhaltige Biolebensmittel spielen eine immer wichtigere Rolle in unserer Gesellschaft. Im Zeitalter, in dem Umweltbewusstsein und Gesundheit einen zentralen Stellenwert einnehmen, gewinnen biologisch angebaute Lebensmittel zunehmend an Bedeutung. Die EgeSun…

TOP