Das wahre Potenzial im Banking? Die digitale Erfahrung spielerisch umsetzen

Interview mit Colin Weir, CEO von Moroku

Wirtschaftsforum: Herr Weir, Banking war nie einfacher als heute. Warum ist es trotzdem so schwierig, Menschen zum Sparen zu bewegen beziehungsweise sich überhaupt mit Finanzthemen zu beschäftigen?

Colin Weir: Das stimmt. Banking war nie einfacher, wenn wir es als rund um die Uhr verfügbare Benutzerplattform betrachten. Das Problem ist, dass Geld sparen und Darlehen abbezahlen der menschlichen Natur zuwiderlaufen. Der Grund dafür ist die sogenannte „present-bias“: Wir sind sehr schlecht darin, bei Entscheidungen der Zukunft den Vorzug gegenüber der Gegenwart zu geben. Wir sind einfach sehr in der Gegenwart verankert. Das hat auch absolut Sinn, wenn Sie an Höhlenmenschen denken. Ein Höhlenmensch hatte keinen Zehnjahresplan, er musste hier und heute überleben. Im Ergebnis bedeutet das ein über Millionen Jahre in der menschlichen DNA verankertes Verhaltensmuster gegenüber Sparplänen für die Zukunft beziehungsweise dem, worüber wir uns am nächsten Tag sorgen. Es ist heute viel einfacher, Geld auszugeben, eine direkte Befriedigung zu erhalten und sonst auf den großen Lottogewinn zu hoffen. Natürlich ist das konträr zum Banking, das auf Planung basiert und schwierig, langweilig sowie unbefriedigend ist.

Colin Weir
„Das Problem ist, dass Geld sparen und Darlehen abbezahlen der menschlichen Natur zuwiderlaufen.“ Colin WeirCEO

Wirtschaftsforum: Moroku beabsichtigt Banking mit spielerischen Elementen erfahrbar zu machen. Das Stichwort ist „Gamification“ – wie kann eine einfache Überweisung etwas Angenehmes werden?

Colin Weir: Wenn Sie sich im Internet bei Ihrer Bank einloggen, bekommen Sie sehr wenig Feedback. Sie erhalten vielleicht: „Auftrag ausgeführt“. Das ist sehr technisch. Es soll dem Nutzer ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, dass mit der Technik alles geklappt hat. So etwas gibt weder auf Facebook, noch bei Spielen, und es ist ganz bestimmt nicht die Art von Rückmeldung, die der Nutzer braucht. Da sind größere Fragen: War die Entscheidung für die Überweisung richtig? Hilft Sie dem Kunden, bei seinen Zielen voranzukommen? Das führt zur Essenz von Gamification.

Wenn wir uns Spiele wie Clash of Clans oder Candy Crush betrachten, sehen wir, dass es dort unheimlich viele Rückmeldungen gibt, die eine lenkende und leitende Funktion haben. Wenn ein Spieler/Nutzer gewinnt, wird gefeiert! Es gibt eine Medaille, es gibt Feedback, um wie viel man besser war als andere Spieler. Solche Mechanismen haben ein enormes Potenzial für die Finanz- und Bankenbranche. Am besten lässt sich das am Beispiel eines Hypothekendarlehens erläutern: Wenn jemand ein Darlehen aufnimmt, dann mit der Absicht, ein Haus zu besitzen. Der Kunde hat also sein Darlehen über 20, 30, 40 oder 50 Jahre abbezahlt. Dann endlich macht er die letzte Überweisung und alles was von der Bank kommt, ist: „Auftrag ausgeführt“. Das ist in dieser Situation schrecklich. Der Kunde hat jeden Monat 30 Jahre lang gewissenhaft bezahlt und die Bank kommentiert das mit „Auftrag ausgeführt.“ Was da stehen sollte ist: „Herzlichen Glückwunsch, du bist ein Held. Du bist einer von lediglich fünf Menschen in ganz Deutschland, die heute ein Haus gekauft haben! Du bist ein hervorragender Kunde. Hier ist eine Kiste Champagner, ein Schachtel Pralinen, eine Auszeichnung als Finanzheld und ein Bild von dir, wie du es allen Widrigkeiten zum Trotz geschafft hast, ein Haus zu besitzen.“ DAS bedeutet gamifiying oder Gamifiaction wirklich!

„Diese Idee, Kunden beim Gewinnen zu helfen, nimmt zunehmend Fahrt auf bei den Banken, mit denen wir sprechen.“ Colin WeirCEO
Colin Weir

Wirtschaftsforum: Wie kommen Sie mit Banken und Finanzdienstleistern ins Gespräch, um deren Interesse für Gamification zu wecken?

Colin Weir: Jeder hat heutzutage eine Meinung, und auch wir bei Moroku haben sicherlich einige. Es gibt viele Banken, die weiterhin allein über den Preis erfolgreich sein werden. Das gilt besonders für die größeren Banken, die Top 100 oder 200 auf der Welt. Nichtsdestotrotz gibt es weltweit zwischen 8.000 und 16.000 Banken, die nicht ausschließlich über den Preis am Markt aktiv sein können, sondern für sich ein anderes Konzept finden müssen. Diese Idee, Kunden beim Gewinnen zu helfen, nimmt zunehmend Fahrt auf bei den Banken, mit denen wir sprechen. Klar, man muss sich auch preislich am Markt orientieren. Wenn man aber ein Set von Produkten und Services aufbauen kann, das technisch komplett darauf ausgerichtet ist, dem Nutzer das Gewinnen bei möglichst vielen Gelegenheiten zu ermöglichen und ihn zusätzlich auf einer individuellen, familiären und sozialen Ebene anerkennt, ist das eine massives Plus. Banken können das als eine sehr zweckorientierte Strategie nutzen, um Familien oder Gruppen um ihre Produkte zu versammeln, anstatt ihnen lediglich ein Bankkonto bereitzustellen.

Wirtschaftsforum: Spaß ist eine Seite der Medaille. Aber Sie sind in der Lage, alle gewünschten Banking-Funktionen in die App zu implementieren, richtig?

Colin Weir: Selbstverständlich. Hier geht es nicht darum, Spiele zu programmieren. Hier geht es darum, die digitale Erfahrung mit spielerischen Elementen umzusetzen. Mit unserer eigenen Plattform und unserem technischen sowie unternehmerischen Know-how können wir alle möglichen Apps gestalten. Wir beherrschen das für Darlehen genauso wie für Kreditkarten oder pädagogische Zwecke. Der Schlüssel bei der Konstruktion liegt in dem Fundament in Form von Spielen, indem man sich wirklich damit beschäftigt, was Erfolg für den Kunden bedeutet und nicht für die Bank. Was sind die Herausforderungen für den Kunden und was sind all die Spaßfaktoren, mit denen wir helfen können, diese Herausforderungen zu meistern und am Ende zu gewinnen? Das lässt sich auch gut bei Versicherungen und anderen Finanzdienstleistungen anwenden.

Colin Weir, Ceo of Moroku
„Der Schlüssel bei der Konstruktion liegt in dem Fundament in Form von Spielen, indem man sich wirklich damit beschäftigt, was Erfolg für den Kunden bedeutet und nicht für die Bank.“ Colin WeirCEO

Wirtschaftsforum: Die Finanzbranche ist bedingt durch die Digitalisierung gewaltigen Veränderungen ausgesetzt. Besonders das traditionelle Bankgeschäft hat sich ins Internet verlagert, Filialen werden geschlossen. Glauben Sie, dass die Branche ihre menschliche Note verliert?

Colin Weir: Banken haben sich damit ein mächtiges Problem geschaffen. Was ist passiert: Indem die Banken Funktionen digitalisiert haben, sind sie vom Menschen abgerückt. Im Zuge dieses Prozesses haben sie die persönliche Bindung zu den Kunden verloren. Wenn Sie einmal die Bindung verloren haben, bleibt nur ein Gespräch über Preise und Konditionen übrig. Also versuchen die Banken nun mit allen Mitteln, die Kunden wieder zurück in die Filiale zu bekommen. Sie versuchen auf Teufel komm raus künstliche Intelligenz (AI) in Form von Chatbots einzuführen. Wenn Sie heute die Website aufrufen, taucht plötzlich der kleine Chatbot auf: „Hi, wie kann ich Ihnen heute helfen? Oh, und nebenbei bemerkt gibt es etwas, das ich Ihnen verkaufen kann?“ Schon wieder so eine schreckliche Situation, in der es immer und immer nur darum geht, Produkte zu verkaufen. Wir bei Moroku haben eine andere Sichtweise. Wenn du eine wechselseitige emotionale Bindung mit jemandem aufbauen möchtest, dann mache das zu einer angenehmen und schönen Erfahrung, indem du sagst: „Danke geschätzter Kunde. Herzlichen Glückwunsch. Gut gemacht.“ Bevor man einem Kunden etwas verkauft, muss man sich das Recht dafür erarbeiten, indem man anerkennt, was er erreichen möchte und ihm dabei hilft. Auf diese Art baut man eine Beziehung auf.

„Bevor man einem Kunden etwas verkauft, muss man sich das Recht dafür erarbeiten, indem man anerkennt, was er erreichen möchte.“ Colin WeirCEO
Colin Weir, CEO of Moroku

Wirtschaftsforum: Eine letzte Frage: Wenn Sie einen Spielecharakter, beispielsweise Nintendos Super Mario, implementieren dürften, welchen würden Sie wählen und warum?

Colin Weir: Das wäre der Barbar aus Clash of Clans. Der Grund dafür ist, dass seine Rolle in dem Spiel eine Vielzahl an generellen Problemen widerspiegelt. Eigentlich ist da lediglich eine Gruppe von Leuten, die so gut es geht versucht zu leben, Häuser zu bauen und die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Dahinter verbirgt sich viel von dem, was Banking heute sein könnte. Gerade die lokalen Banken haben hier eine reale Chance, positiv aufzufallen. Sie können einer Gemeinschaft beim Gewinnen helfen beziehungsweise besonders viel dazu beitragen. Clash of Clans ist daher eine grandiose Analogie zu den Möglichkeiten im Banking.

Interview: Markus Büssecker

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