Kaffeeform: Wie aus Kaffeesatz eine Ressource wurde
Interview mit Julian Lechner, Gründer und Geschäftsführer von Kaffeeform

Wirtschaftsforum: Ihr Unternehmen stellt Kaffeetassen und –becher aus benutztem Kaffeesatz her. Ist Ihre Motivation allein in der Freude an den besonderen Produkten begründet, oder stecken dahinter auch konkrete ökologische Ambitionen?
Julian Lechner: Hinter der gesamten Idee und Philosophie des Unternehmens steckt natürlich ein ganz wichtiger ökologischer Ansatz. Kaffeeform ist nicht nur ein schönes Produkt in Form unserer Tassen, Kaffeeform ist vor allem ein innovatives, nachhaltiges Material, das von uns entwickelt wurde.
Am Anfang stand die Frage, was mit all dem gebrauchten Kaffeesatz passiert, wenn wir unseren Kaffee getrunken haben. Diesen vermeintlichen Abfall weiter zu nutzen und daraus etwas völlig Neues zu erschaffen, ist unser Kerngedanke. Wir sind gegen die Verschwendung von solch wertvollen Rohstoffen und Ressourcen, der zirkuläre Gedanke ist in unserer Unternehmens-DNA. Wir wollen ein neues Bewusstsein erzeugen. Mit unserem Take-Away-Becher kämpfen wir gegen die Berge an Einweg-Kaffeebechern, und langfristig wollen wir alle Produkte aus erdölbasiertem Plastik durch unseren innovativen Materialmix ersetzen. Denn auch jenseits des gebrauchten Kaffeesatzes verwenden wir ausschließlich recycelte und nachwachsende Rohstoffe.

„Mit unserem Take-Away-Becher kämpfen wir gegen die Berge an Einweg-Kaffeebechern, und langfristig wollen wir alle Produkte aus erdölbasiertem Plastik durch unseren innovativen Materialmix ersetzen.“ Julian Lechner
Wirtschaftsforum: Ihre Kaffeesatz-Kaffeetassen sind nicht nur bruchsicher, sondern auch spülmaschinenfest. Wie viel technologische Raffinesse war nötig, damit aus dem bröseligen Kaffeesatz ein so stabiles Produkt werden konnte?
Julian Lechner: Ich bin Produktdesigner und schon währendes meines Studiums bin ich diesen Fragen nachgegangen und habe mit der Ressource Kaffeesatz experimentiert. Mehrere Jahre Forschung, der Austausch mit Experten und unzählige – oft sehr missglückte – Experimente waren nötig, bis ich die richtige Formel und Materialzusammenstellung für unsere Produkte fand. Und wir sind noch lange nicht fertig. Derzeit erforschen wir noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten.
Wirtschaftsforum: Ihre Tassen und Becher bewegen sich eher im hochpreisigen Segment. Sind Ihre Kunden ausschließlich Kaffee-Connaisseure oder streben Sie die Masse der Endkunden an?
Julian Lechner: Das kommt ganz darauf an, mit welchen Produkten man uns vergleicht. Hochwertige Keramik- oder Porzellan-Tassen sind oft deutlich teurer. Unsere Produkte sind dafür besonders robust und langlebig, sogar bruchsicher. Wir wollen, dass sie unseren Kunden viele Jahre lang Freude machen. Sie sind auch in vielen Cafés im Einsatz und dort äußerst beliebt, eben weil sie so leicht und robust sind. Unsere Endkunden sind keineswegs nur Coffee-Fans, sie sind sehr vielseitig und auch außerhalb der Ballungszentren zu finden. Weil sie etwas Besonderes sind und noch dazu einen wertvollen Beitrag gegen die Vermüllung unserer Welt leisten, werden unsere Tassen auch gern verschenkt. Und wer keinen Kaffee mag, kann auch sehr gut Tee daraus trinken.
„Wir zeigen, dass Nachhaltigkeit auch gut aussehen kann – eine vollendete Produkt-Optik und eine angenehme Haptik sind uns wichtig.“ Julian Lechner

Wirtschaftsforum: Für ihr herausragendes Design sind Ihre Tassen und Becher letztes Jahr mit dem Red Dot Award ausgezeichnet worden. Wie wichtig ist die Komponente Optik bei Ihren Produkten, und was macht für Sie ein gutes Design aus?
Julian Lechner: Diese Auszeichnung, die wir in der Rubrik Material gewonnen haben, hat uns natürlich sehr auf unserem Weg bestätigt. Für uns gehen gutes Design und Nachhaltigkeit Hand in Hand. Unsere Welt wird bestimmt von Ressourcenknappheit und Umweltzerstörung durch Plastikmüll – vor diesem Hintergrund kann man Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen nicht einfach ausblenden. Wir zeigen stattdessen, dass Nachhaltigkeit auch gut aussehen kann – eine vollendete Produkt-Optik und eine angenehme Haptik sind uns wichtig, die Produkte müssen gut und leicht in der Hand liegen.
Wirtschaftsforum: Bei der Herstellung Ihrer Tassen und Becher wird das benutzte Kaffeepulver aufbereitet. Würde sich dieses Verfahren auch für andere vermeintliche Abfallstoffe eignen – etwa, um Teetassen aus altem Teesatz zu kreieren?
Julian Lechner: Der gebrauchte Kaffeesatz wird von uns in Zusammenarbeit mit einer sozialen Werkstatt gesammelt und getrocknet, anschließend wird er mit den anderen Rohstoffen versetzt und aufbereitet. Dies ist theoretisch auch mit anderen Rohstoffen möglich. Zunächst haben wir uns auf die Ressource Kaffeesatz konzentriert, weil Kaffeesatz als Abfall nicht unproblematisch ist – und da der Kaffeekonsum global immer weiter ansteigt, ist auch die Ressource Kaffeesatz in immer größeren Mengen verfügbar.
Interview: Julian Miller | Bilder: Luke Marshall; Kaffeeform