Von Visionen, Visualiserungen und einer besseren Welt

Interview mit Nicolas Delaporte, Geschäftsführer und Maryline Ehlermann, Senior Advisor der GRTgaz Deutschland

Wirtschaftsforum: Herr Delaporte, womit beschäftigt sich die GRTgaz?

Nicolas Delaporte: Als Fernleitungsbetreiber transportieren wir große Erdgasmengen durch den Süden Deutschlands. Wir betreiben ein 1.161 km langes Netz, das die Gasinfrastruktur Deutschlands mit den Netzen in Frankreich, Österreich und Tschechien verbindet, und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Aktuell ist unser großes Thema die Entwicklung hin zu Wasserstoff. Gemäß dem Pariser Abkommen wollen wir bis 2050 Erdgas durch klimaneutral erzeugten Wasserstoff ersetzen. Das ist ein langer, kapitalintensiver Weg, eine große Herausforderung vieler Akteure. Gleichzeitig ist es extrem spannend und eine außergewöhnliche Chance, als Netzbetreiber bei diesem wichtigen Zukunftsthema einen Beitrag zu leisten.

Wirtschaftsforum: Was ist vor diesem Hintergrund die größte Herausforderung?

Nicolas Delaporte: Die größte Herausforderung ist die Transformation, die Gleichzeitigkeit des gesamten Prozesses. Es muss sichergestellt sein, dass entsprechende Wasserstoffmengen auch produziert werden; im Idealfall grüner Wasserstoff, das Endprodukt einer Elektrolyse, die vollständig mit erneuerbaren Energien ausgeführt wird. Man muss also Elektrolysen zur Verfügung haben, ein Transportnetz und Verbraucher, die sich für einen Wechsel entschieden haben. Der Prozess dieser Umstellung aller Beteiligten ist eine Aufgabe der Politik und einzelner Akteure, die zusammen an einem Strang ziehen müssen. Wir sind sehr stark engagiert, diesen Wasserstoffmarkt entstehen zu lassen und damit den Weg zu einer besseren Welt zu ebnen.

Wirtschaftsforum: Neben der Entwicklung des Wasserstoffmarktes stellt sich GRTgaz mit der Plattform appygas einer weiteren zukunftsweisenden Herausforderung. Wofür steht appygas?

Nicolas Delaporte: Die digitale Transformation ist das zweite große Thema hier. Gasnetze produzieren riesige Mengen an Daten, die visualisiert und verstanden werden müssen.

Maryline Ehlermann: appygas startete 2017 mit dem Ziel, mehr Transparenz für alle Teilnehmer über den europäischen Gasmarkt zu schaffen. Zwar waren alle Daten der einzelnen Betreiber einsehbar, aber es gab keine zentrale Plattform, alles war sehr unübersichtlich und kompliziert. Wir haben deshalb das Motto ‘The gas market made easy’ kreiert. Ziel ist, den Marktteilnehmern sämtliche Daten schnell und effizient zur Verfügung zu stellen. Dank unserer Erfahrung können wir einen Service von Experten für Experten bieten.

Wirtschaftsforum: appygas war anfangs ein Start-up; wie hat sich die Plattform entwickelt?

Maryline Ehlermann: appygas ist heute viel mehr als eine Plattform; wir bieten Kunden maßgeschneiderte Lösungen inklusive Produktdesign, Visualisierung, individuellem Datenabruf, agilem Projektmanagement und Entwicklung. Damit wenden wir uns an alle Trader und großen Gaslieferanten. Letztlich ist die Energiewende auch eine Datawende; Daten sind extrem wichtig für Gastrader. Heute läuft alles digital; Transportkapazitäten werden stunden- oder tageweise verkauft; früher gab es dafür langfristige Verträge. Dank der intelligenten Visualisierung durch appygas können Daten schneller verstanden werden – Verbraucher-, Transport-, Speicher- und LNG-Daten. Man versteht, wie das Gas gerade fließt, wo es Engpässe gibt, wo Wartungen, erkennt sofort Trends und hat das Big Picture vor Augen.

Wirtschaftsforum: Was passiert gerade auf dem europäischen Markt?

Nicolas Delaporte: Es passiert sehr viel. Der Gasmarkt ist heute sehr volatil. Daten müssen schneller verstanden werden, um ein besseres Handeln und rasche Entscheidungen zu ermöglichen. Hier kommt die smarte Visualisierung der Gasmarktdaten durch appygas ins Spiel.

Wirtschaftsforum: Wie ist appygas aufgenommen worden?

Maryline Ehlermann: 2018 war die Plattform eine kleine Revolution, etwas vollkommen Neues. Kunden waren beeindruckt, dass wir so schnell eine funktionierende Plattform implementieren konnten, wo der Gasmarkt im Allgemeinen eher langsam ist. Das Vertrauen in unsere Kompetenz war von Anfang an einfach da.

Wirtschaftsforum: Was schätzen Sie persönlich an der Arbeit bei GRTgaz?

Nicolas Delaporte: Wir konnten die Politik davon überzeugen, dass eine ‘All Electric World’, von der vor einigen Jahren gesprochen wurde, nicht funktionieren wird. Unser Motto ist, gemeinsam eine sichere, erschwingliche, klimaneutrale Energiezukunft zu ermöglichen – Wasserstoff bietet da Lösungen. Wir haben in Berlin ein motiviertes, junges Team; hier spielen Werte wie Respekt, Integrity und Diversity eine große Rolle. Es ist extrem motivierend, daran zu arbeiten, morgen in einer besseren Welt zu leben.

Maryline Ehlermann: Hier hat man jeden Tag das Gefühl, etwas gemeinsam zu machen; es gibt immer spannende Ideen, die motivieren, weiterzumachen, um zusammen eine neue Zukunft zu bilden.

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