„Frauen und ihr Beitrag zur Wirtschaftsleistung in Deutschland wurden jahrzehntelang unterschätzt“
Interview mit Stephanie Bschorr, Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen (VdU)

Wirtschaftsforum: Frau Bschorr, warum braucht es den Verband deutscher Unternehmerinnen in Deutschland?
Stephanie Bschorr: Seit über sechzig Jahren vertreten wir die Interessen unternehmerisch tätiger Frauen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Als sich unsere Gründerinnen damals zusammentaten, hatten sie in der Tat zunächst daran gedacht, sich einem der bestehenden Wirtschaftsverbände anzuschließen. Aber nach ihren Erfahrungen mit der männlich dominierten Verbandswelt haben sie beschlossen, dass sie ihre Belange am allerbesten selbst vertreten können. Und genauso sehen wir das heute auch noch. Die Unternehmerinnen im VdU sind die Stimme für die Frauen in der deutschen Wirtschaft.
Wirtschaftsforum: Inwiefern hat sich die Wahrnehmung von Unternehmerinnen in der Gesellschaft, aber auch in der Wirtschaft selbst, in den letzten Jahren geändert?
Stephanie Bschorr: Frauen und ihr Beitrag zur Wirtschaftsleistung in Deutschland wurden jahrzehntelang unterschätzt. Früher wurden Unternehmerinnen belächelt, sie galten als Ausnahmeerscheinung – was sie nicht waren. Heute sehen und erleben wir immer mehr erfolgreiche Frauen in Spitzenfunktionen. Eine von drei Selbstständigen in Deutschland ist eine Frau. Rund 700.000 Unternehmen im Mittelstand werden von einer Chefin geführt, Tendenz steigend. Und die beste Zahl: Über 40% der neuen Unternehmen werden von Frauen gegründet. Das alles ist gut so, sollte aber weiter voran gehen, denn ein Blick in die Vorstandsetagen der DAX-Unternehmen zeigt: Von gleichberechtigter Teilhabe an der Führungsverantwortung sind Frauen noch ein gutes Stück entfernt.

„Rund 700.000 Unternehmen im Mittelstand werden von einer Chefin geführt, Tendenz steigend.“ Stephanie Bschorr
Wirtschaftsforum: Gibt es denn Wirtschaftszweige, in denen gerade Unternehmerinnen besonders erfolgreich sind?
Stephanie Bschorr: Unternehmerisch ausgesprochen erfolgreiche Frauen gibt es allen Branchen. Überproportional vertreten sind sie im Bereich der unternehmerischen Dienstleistungen, einem besonders stark wachsenden Sektor unserer Volkswirtschaft, der inzwischen zwei Drittel der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ausmacht. Die Unternehmerinnen bilden insofern einen wichtigen Zukunftstrend unserer Wirtschaftsentwicklung mit ab.
Wirtschaftsforum: Zuletzt hat die Diskussion um die Frauenquote in Unternehmen Politik und Gesellschaft beschäftigt. Wie stehen Sie zu solchen Politika?
Stephanie Bschorr: Der VdU hat sich engagiert für die Quote in Aufsichtsratsgremien von börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen eingesetzt – übrigens als einziger Wirtschaftsverband. Die Quote ist ein wichtiges Signal für mehr Sichtbarkeit von Frauen in den Spitzengremien der deutschen Wirtschaft und soll vor allem auch auf die operativen Führungsebenen ausstrahlen. Die ersten Zahlen zeigen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir vom VdU werden in unserem Engagement für mehr Frauen in Führungspositionen nicht nachlassen.

„Wir erwarten mehr Wertschätzung und Förderung für unternehmerisch tätige Frauen.“ Stephanie Bschorr
Wirtschaftsforum: Stichwort Bundestagswahl: Welche Impulse würden Sie einer neuen Bundesregierung auf den Weg geben?
Stephanie Bschorr: Wir haben eine Reihe konkreter Forderungen aufgestellt, die allesamt unser wichtigstes Ziel spiegeln: Die Stärkung von Frauen in der Wirtschaft – als Unternehmerinnen, als Managerinnen und auch als Beschäftigte. Wir erwarten mehr Wertschätzung und Förderung für unternehmerisch tätige Frauen, deutliche steuerliche Entlastung der Leistungsträger der Mittelschicht, einen konsequenten Ausbau der öffentlichen Betreuungsangebote und nicht zuletzt eine Verbesserung der steuerlichen Anreize für mehr Frauenerwerbstätigkeit.
Interview: Markus Büssecker