Geboren mit Hemd und Krawatte

Interview mit Maurizio Marinella, Geschäftsführer der E. Marinella SRL

Jeden Morgen um 5:30 Uhr steht Maurizio Marinella aus dem Bett auf. Dann macht er sich fertig und geht zur Arbeit – zu Fuß. „Ich mache einen kleinen Spaziergang und sehe dabei die schönsten Sonnenaufgänge über dem Golf von Neapel. Das ist fantastisch und treibt mich voran. Wenn die Kunden unseren Laden betreten, sollen sie auch bei uns Neapel erleben“, schwärmt der Unternehmer.

Ein Stück England in Neapel

Sechs Standorte hat die E. Marinella SRL heute: Neben dem Hauptsitz in Neapel gibt es zwei Geschäfte in Tokio, eines in Mailand, eines in Lugano und seit kurzem ein weiteres in Rom. Dass das Unternehmen es jemals zu einer solchen Größe und Bekanntheit bringen würde, hätte sich 1914 wohl kaum jemand träumen lassen.

„Damals wollte mein Großvater, Eugenio, eine kleine englische ‘Ecke’ in Neapel schaffen. Die eleganten Herren von damals zogen sich wie die Engländer an, die Damen bevorzugten die französische Mode“, erzählt Maurizio Marinella. „Also fuhr mein Großvater nach England und begann, Markenartikel von dort zu importieren. Zunächst verkaufte er Trenchcoats und Regenschirme. Mit der Zeit baute meine Familie dann zwei Werkstätten für die Herstellung von Hemden und Krawatten auf.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Marinella, auch italienische Mode zu produzieren. Seit der Gründung vor 103 Jahren hat das Geschäft in Neapel jeden Tag von 6:30 Uhr bis 19:30 Uhr geöffnet. Das hat eine ganz besondere Tradition, wie der Inhaber verrät: „Einst gab es genau gegenüber eine Villa, die ‘Ville Royale’. Hier kamen die Nobelfamilien zusammen. Gleich in der Frühe gingen sie mit den Pferden hinaus. Die Polizei kontrollierte streng, dass nur Befugte Zugang zur Villa hatten. In unserem Laden trafen sich dann junge Männer, die die reichen Damen beobachten wollten. Eine Schriftstellerin verglich unser Geschäft mit einer Dorfapotheke, in der sich die Leute aus dem Dorf treffen und über Gott und die Welt diskutieren. Diese Tradition wollen wir beibehalten.“

Und so wird die Firma auch noch heute mit großer Leidenschaft geführt. „Wir wollen, dass sich unsere Kunden wohlfühlen. Unser Motto war schon immer, die Kunden gebührend zu empfangen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie in der schönsten Stadt der Welt sind“, betont Maurizio Marinella.

Zum Angebot gehören Hemden, Pullover, Jacken, Regenmäntel und Schuhe. Herzstück und Steckenpferd sind aber die Krawatten. Viele berühmte Persönlichkeiten kommen nach Neapel, um in den Genuss des besonderen Marinella-Stils zu kommen.

„Viele Politiker haben unsere Krawatten getragen und tragen sie noch heute. Wir haben das Glück, eine besondere Klientel zu haben. Es ist nicht lange her, dass ich einen Brief aus dem Buckingham Palace erhielt, in dem sich Herzogin Camilla bei uns anmeldete.“

Ein solcher Erfolg kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern erfordert jede Menge Arbeit. „Wir haben eine große Auswahl, die Kollektion ändert sich jede Woche. Wir wechseln Muster, Farben oder wir nehmen alte Muster und mischen sie neu. Pro Tag haben wir eine Nachfrage von etwa 800 bis 900 Krawatten, aber wir können nur 200 anfertigen“, so der Geschäftsführer.

Das Wichtigste aber ist für ihn noch immer ein gutes Gespür für die Kunden. „Wir konzentrieren uns wirklich nur auf die Kunden. Sie kommen zu uns, wir bieten ihnen einen Espresso an und beraten sie. Niemand soll sich gezwungen fühlen, etwas zu kaufen. Viele kommen im Anzug zu uns und wollen die passende Krawatte kaufen. Die Wahl der richtigen Krawatte sollte eine Bauchentscheidung sein, der Instinkt ist dabei wichtig. Wenn ein Kunde nicht die passende Krawatte findet, kann er uns sagen, was er möchte und wir fertigen es für ihn an.“

Interessierte Kunden können außerdem die Werkstatt besuchen und den Mitarbeitern dort bei der Arbeit über die Schulter sehen. Darüber hinaus wird bei Marinella auch Tradition großgeschrieben. „Wir machen kein E-Commerce, sondern möchten weiterhin traditionell arbeiten“, verrät der Chef, der schon die Unternehmensübergabe an seinen Sohn im Kopf hat. Ihm vermittelt er bereits jetzt die Leidenschaft, die E. Marinella über 100 Jahre Erfolgsgeschichte eingebracht hat. „In Italien gibt es einen Spruch: Wenn man sagen will, dass jemand ein Glückspilz ist, sagt man, er ist mit dem Hemd geboren. Wir können von uns behaupten, dass wir mit Hemd und Krawatte geboren wurden.“

Mehr zum Thema

Raum für Innovationen

Interview mit Silvio Stark, Geschäftsführer der Schiffler-Möbel GmbH

Raum für Innovationen

Die Auswahl der Möbel trägt entscheidend zu einer sicheren, komfortablen und funktionalen Umgebung in Klinik- und Pflegeeinrichtungen, Seniorenwohnheimen, Hotels, Kitas, Schulen und Jugendwohnheimen bei. Die Möbel sollen einerseits die Anforderungen…

Die Zukunft der Magnetfeldmesstechnik

Interview mit Rainer Prigge, Geschäftsführer der List-Magnetik Dipl.-Ing. Heinrich List GmbH

Die Zukunft der Magnetfeldmesstechnik

Die List-Magnetik Dipl.-Ing. Heinrich List GmbH ist ein innovatives Unternehmen mit langer Tradition, das auf die Entwicklung und Herstellung von Messgeräten auf der Basis von Magnetismus spezialisiert ist. Mit maßgeschneiderten…

Pionierarbeit für Innovation und Fortschritt

Interview mit Dr. Holger Jené, CEO und Andreas Prillmann, CSO der SEGULA Technologies GmbH

Pionierarbeit für Innovation und Fortschritt

Engineering-Dienstleistungen spielen eine entscheidende Rolle in der modernen Industrielandschaft, indem sie technische Expertise und Lösungen für komplexe Herausforderungen bieten. Sie sind das Rückgrat für die Entwicklung von Produkten…

Spannendes aus der Region Neapel (NA)

Italienische Überflieger

Interview mit Remo De Feo, Geschäftsführer der Vulcanair Spa

Italienische Überflieger

Der Traum vom Fliegen hat die Menschen schon in der Antike fasziniert. Im 19. Jahrhundert begann Otto Lilienthal mit Flügeln aus Stoff und Holz von Hügeln zu springen – und…

Waschen auf höchstem Niveau

Interview

Waschen auf höchstem Niveau

Gott sei Dank sind die Zeiten, in denen wir unsere Wäsche von Hand und auf dem Waschbrett waschen mussten schon längst vorbei. Heute ist die Waschmaschine neben dem Auto und…

Wir bringen Licht in dunkle Tunnel

Interview

Wir bringen Licht in dunkle Tunnel

Abgase und Staub haben an den Innenwänden des Vittoria-Tunnels in Neapel deutliche Spuren hinterlassen. Es wird höchste Zeit für eine Komplettreinigung. Dafür ist in Italien Seven Service Srl genau der…

Das könnte Sie auch interessieren

Von Motorradfahrern für Motorradfahrer

Interview mit Tom Grymonprez, CEO der Richa NV

Von Motorradfahrern für Motorradfahrer

Seit mehr als sieben Jahrzehnten pflegt Familie Rigaux ihre Leidenschaft für Motorradbekleidung. Heute sind die hochwertigen Produkte der Richa NV weltweit in 50 Ländern gefragt. Doch nicht nur private Motorradenthousiasten…

„Fokus liegt auf Design, Service und Qualität!“

Interview mit Joris Noll, Geschäftsführer der Clothing Network GmbH

„Fokus liegt auf Design, Service und Qualität!“

Kleider machen Leute. Diese Redensart gilt auch für Unternehmen, die Kleidung für Mitarbeiter, Kunden und Fans auch als dezente Werbeträger in eigener Sache nutzen können. Dabei spiegeln die Textilien auch…

Starke Modemarken unter einem Dach

Interview mit Anna-Lena Schulte-Angels, Geschäftsführerin und Raphael Heinold, Geschäftsführer sowie Mairin Wehage, Marketing & PR Manager der R.Brand Group GmbH

Starke Modemarken unter einem Dach

Die Modebranche ist ein faszinierendes Universum, das nicht nur Kleidung und Accessoires umfasst, sondern auch Trends, Kreativität und Identität verkörpert. Seit Jahrhunderten hat Mode die Art und Weise, wie Menschen…

TOP