„Viele haben noch nicht mal ein Bild davon, was mit Blockchain auf uns zukommt“

Interview mit Bernhard Hecker, Vice President Business Development Europe von Cryptowerk

Wirtschaftsforum: Herr Hecker, alle sprechen von Blockchain, doch viele meinen nur Bitcoin. Müssten wir eigentlich nicht zuerst die Inhalte von Begriffen klären, bevor wir sinnvoll über eine komplett neue Technologie sprechen können?

Bernhard Hecker: Bitcoin ist eine Anwendung der Blockchain-Technologie – so wie das Web eine Internetanwendung ist. Und nicht nur hier gibt es Unschärfen zwischen dem was die Fachwelt sagt und wie es der Volksmund nennt. Ich denke, damit können wir eigentlich ganz gut leben. Ich erwarte aber auch, dass sich das Thema nach der aktuellen Hype-Phase rund um Bitcoin auf eine sachliche Ebene zubewegt und wir vermehrt über Blockchain als Technologie sprechen und lesen werden. Es werden neue, produktiv sinnvolle Anwendungsfälle bekannt werden und sich durchsetzen, und dann ist das Thema Kryptowährungen bald nicht mehr das zentrale Thema dieser Technologie.

Wirtschaftsforum: Sie bezeichnen sich selbst als Blockchain-Enthusiast. Woher rührt diese Begeisterung? Schließlich gibt es auch weitere spannende digitale Themenfelder!

Bernhard Hecker: Das liegt vielleicht daran, dass ich schon immer schnell für neue spannende Technologien zu begeistern war.

Bernhard Hecker
„Ich glaube, dass Blockchain eine ähnlich große Auswirkung auf unser Leben haben kann wie Email oder das Internet selbst.“ Bernhard Hecker

Ich habe mal vor circa 30 Jahren die Welt (zumindest die Arbeitswelt) nachhaltig verbessert, als ich als einer der Ersten E-Mail als Technologie und System an Unternehmen verkauft habe. Davor wurden Daten zumeist per Diskette ausgetauscht – und das dauerte Tage. Dank E-Mail ist die Welt eine andere. Ich glaube, dass Blockchain eine ähnlich große Auswirkung auf unser Leben haben kann wie Email oder das Internet selbst. Das liegt schlicht daran, dass wir über Blockchain Transaktionen anders abwickeln können, als wir das heute tun, und viele haben noch nicht einmal eine Vorstellung davon, was da auf uns zukommt.

Ich habe großen Spaß daran, die Welt mal wieder ein wenig zu verändern und mit Blockchain bietet sich mir gerade diese Möglichkeit, auch wenn es heute viel mehr Kollegen und Mitstreiter gibt als damals bei E-Mail. Das Schöne an der aktuellen Blockchain-Szene ist auch, dass alle, die daran arbeiten, enthusiastisch zusammenarbeiten und nicht konkurrieren.

Wirtschaftsforum: Zuletzt waren Sie Speaker auf der CeBIT in Hannover. Zuhörer lobten Ihre klaren Aussagen frei nach dem Motto: Ich bin mir bewusst, dass Blockchain in der Anwendung für 90% der Menschen (noch) keinen Sinn ergibt. Inwiefern brauchen neue Technologien vielleicht gerade diese Herangehensweise?

Bernhard Hecker: Das ist eigentlich eine völlig normale Situation in der Frühphase der Forschung an einer Technologie. Die ersten Autos von Herrn Ford oder Herrn Daimler waren auch für 90% der Bevölkerung weniger sinnvoll als die damals üblichen Kutschen oder Eselskarren, aber was die Weiterentwicklung gebracht hat, müssen wir heute nicht diskutieren. Blockchain ist eine sehr neue Technologie, die sich in der frühen Phase der Erprobung befindet. Es gibt viele Proof of Concept-Projekte und sehr wenig produktiven Einsatz. Durch die Experimente und die aktuellen Projekte lernen wir alle gerade sehr schnell und viel über die Technologie. Wir befinden uns auch immer noch in der Diskussion darüber, was man so alles damit anstellen könnte, und nicht darüber, wie wir unsere Geschäftsmodelle verbessern. Diese zweite Diskussion wird erst aufkommen, wenn wir genug Erfahrungen gemacht haben. Ich begrüße die engagierte Experimentierfreudigkeit im Blockchain-Umfeld sehr. Es ist spannend zu beobachten, wie viel Geld und Ressourcen in die Ideen gesteckt werden. Durch diese Investitionen wird sich der erfolgreiche und nachhaltige Einsatz eher früher als später einstellen.

„Wir befinden uns auch immer noch in der Diskussion darüber, was man so alles damit anstellen könnte, und nicht darüber, wie wir unsere Geschäftsmodelle verbessern.“ Bernhard Hecker
Bernhard Hecker

Wirtschaftsforum: Dennoch generiert die Blockchain schon neue Geschäftsfelder. Was genau bietet Ihr Unternehmen Cryptowerk an, und sind die Lösungen auch für Mittelständler interessant?

Bernhard Hecker: Wir fokussieren uns mit unseren Produkten und unserer Technologie auf einen sehr kleinen, aber sehr schnell umsetzbaren Anwendungsfall von Blockchains, nämlich die unbestreitbare Integrität von Daten herzustellen. Alles was in einer Blockchain gespeichert wird, kann dort nicht mehr verändert oder gelöscht werden. Wir nutzen dieses Phänomen, um Daten unbestreitbar, auditierbar und beweisbar zu machen. Das findet Anwendung in Unternehmen jedweder Größe. Stellen Sie sich vor, wir können Forschungsdaten zum Beispiel in der Medizin fälschungssicher machen, wir können beweisen, dass bestimmte Nachrichten nicht modifiziert wurden, wir können sicherstellen, dass Produkte echt sind oder welcher Code zu welcher Zeit auf welchem System ausgeführt wurde. Unternehmen können Verbrauchern Daten offenlegen und das manipulationssicher. Die Kunden können den Unternehmen vertrauen. Geschäftsvorfälle können nachvollzogen und sehr schnell überprüft werden.

Bernhard Hecker
„Unsere Technologie und unsere Produkte machen Daten beweisbar, wie ein digitaler Notariatsservice – zu Preisen, die gerade auch für mittelständische Unternehmen interessant sind.“ Bernhard Hecker

Wir stellen APIs (Schnittstellen) bereit, die sich an bestehende Prozesse und Produkte anbinden lassen und diese Prozesse quasi automatisch und sehr günstig absichern und belegbar machen. Unsere Technologie und unsere Produkte machen Daten beweisbar, wie ein digitaler Notariatsservice – zu Preisen, die gerade auch für mittelständische Unternehmen interessant sind. Ich verweise an dieser Stelle gern auf meinen CeBIT-Vortrag, in dem ich ein paar aktuelle Beispiele aus unterschiedlichen Industrien erläutere.

Wirtschaftsforum: Welche Möglichkeiten der Blockchain nutzen Sie denn heute bereits persönlich?

Bernhard Hecker: Zum einen natürlich unsere eigenen Produkte, mit denen ich zum Beispiel Nachrichten und Dokumente manipulationssicher mache. Dann habe ich ein paar digitale Währungen, aber das ausschließlich aus experimentellen Gründen, und ich nutze einen auf Blockchain basierten Identitätsservice – in einer frühen Beta-Phase. Solche Dinge mache ich, um meine Neugier zu befriedigen und ein besseres Gefühl für die Technologie zu bekommen. Vom Lesen spannender Whitepaper bekommt man zwar theoretisches Wissen, aber an einer Rose zu riechen ist nun einmal etwas anderes als das Betrachten eines Fotos derselben Blume.

Interview: Markus Büssecker, Fotos: Cryptowerk

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