Slow Watches: Wenn nur ein Zeiger den Takt vorgibt
Interview mit Corvin Lask, Co-Gründer und CEO der Blackboard GmbH
Wirtschaftsforum: Ihre Uhr verzichtet auf Minuten- und Sekundenzeiger und begnügt sich mit einer vergleichsweise ungefähren Zeitangabe. Was hat Sie zu dieser Idee inspiriert – und wieso entscheiden sich Ihre Kunden gerade für eine Armbanduhr mir einer solchen Funktionseinschränkung?
Corvin Lask: Ist es eine Funktionseinschränkung, wenn man eine Uhr trägt, die einen daran erinnert, dass man es selbst in der Hand hat, wie man sein Leben gestalten möchte und ob man sich von Sekunden stressen lassen will? Ich finde, eine Slow Watch hat für viele Menschen – mich übrigens eingeschlossen – eine Funktion, die anderen Uhren eben fehlt. Denken Sie nur daran, wie oft man heute unter (gefühlten) Zeitdruck gerät. Die Slow Watch lädt da zur Reflexion ein: Ist es wichtig, diese E-Mail noch unbedingt um 22.00 Uhr rauszuschicken, obwohl sie vor dem nächsten Vormittag sowieso nicht mehr gelesen wird? Ist es wichtig, noch hektisch irgendetwas zu erledigen, bevor um exakt 13.33 Uhr der Bus kommt? Oder geht man lieber ganz in Ruhe fünf Minuten vorher an die Haltestelle und erspart sich die unnötige Hektik?
„Ist es eine Funktionseinschränkung, wenn man eine Uhr trägt, die einen daran erinnert, dass man es selbst in der Hand hat, wie man sein Leben gestalten möchte?“ Corvin Lask
Genau aus solchen Gründen kann man mit einer Slow Watch die Zeit nur auf eine oder zwei Minuten genau bestimmen. Wir sind der Überzeugung, dass es eben egal ist, ob es nun 13.33 Uhr oder 13.34 Uhr ist. Viel wichtiger ist es stattdessen, die Zeit wieder natürlicher zu betrachten und sie nicht zum Mittelpunkt des Lebens zu machen, sondern im Hier und Jetzt zu leben, den Moment zu genießen und nicht den Sekunden hinterherzujagen.
Wirtschaftsforum: Aber wie kann man in einer Welt, in der gerade Schnelligkeit und Effizienz hohes Ansehen genießen, Ihren Grundsatz „Be Slow“ leben?
Corvin Lask: Slow bedeutet ja nicht, dass man nicht effizient sein kann, oder dass man keinen Beruf ausüben darf, in dem Schnelligkeit gefragt ist. Ob man slow ist oder nicht, hängt in erster Linie vom persönlichen Mindset ab. Es geht darum, die Dinge zu tun, die gut für einen sind, und das eigene Leben so zu gestalten, wie man es wirklich will.
Dieser Gedanke ist der Ausgangspunkt von Slow. Auch wir waren gefangen in Sekunden und haben im Berufsleben mehr für das Morgen gearbeitet als für das Heute. Auch wir hetzten uns durch das Hamsterrad und waren unglücklich, weil wir deshalb das Gefühl hatten, nicht unser eigener Herr zu sein und die eigentlich wichtigen Dinge zu vernachlässigen. Es war ja schon ein Luxus, einfach mal an der Alster spazieren zu gehen und das Handy gar nicht mitzunehmen! Deswegen wollten wir ein Produkt schaffen, das einem eine kleine Stütze geben sollte, um etwas mehr slow zu sein und etwas weniger getaktet. Was war da besser geeignet als eine Armbanduhr?
Wirtschaftsforum: Die Uhren werden in der Schweiz gefertigt, dem wohl renommiertesten Uhrmacherland der Welt. Sehen Sie sich als Teil dieser Schweizer Tradition oder schlagen Sie ein komplett neues Kapitel auf?
Corvin Lask: Wenn Sie damit den Teil der Schweizer Uhrenindustrie meinen, der besonders teuer ist und mit dem protzen kann, schlagen wir mit Sicherheit ein neues Kapitel auf und gehen einen ganz anderen Weg. Denn mit Prestige und Statussymbolen hat Slow nichts zu tun. Eigentlich sind wir eher ein Anti-Statussymbol. Slow steht dafür, dass es nicht wichtig ist, zu zeigen, was man hat. Slow ist selbstbewusst und steht für eine Lebenseinstellung. Auch deswegen haben wir im Übrigen kein Logo auf dem Zifferblatt.
„Mit Prestige und Statussymbolen hat Slow nichts zu tun. Eigentlich sind wir eher ein Anti-Statussymbol.“ Corvin Lask
Wirtschaftsforum: Ihre Uhren haben es bereits in die Geschenkpakete der Oscar-Verleihung geschafft, und auch auf vielen Catwalks sind sie ein beliebtes Accessoire. Zu welcher Branche passt „Slow“ Ihrer Meinung nach besonders gut?
Corvin Lask: Es geht sicherlich mehr um den Menschen als um die Branche – und unsere Kunden sind vermutlich zu einem großen Teil Leute wie wir, die sich fühlen, als wären sie in einem Leben gefangen, das von Stress und Hektik diktiert wird, und für die dieser Umstand zunehmend zur Belastung wird. Unsere Uhr unterstützt sie darin, sich ihrer persönlichen Prioritäten bewusst zu werden – und wie glücklich es einen machen kann, einmal die Zeit zu vergessen und nicht von Minute zu Minute zu leben.
Wirtschaftsforum: In welchen Momenten vergessen Sie selbst besonders gern die Zeit?
Corvin Lask: Auch mir gelingt das nicht immer, aber ich habe mich immerhin schon auf den Weg gemacht. Wenn ich mit meiner kleinen Tochter spiele oder mit meinem gerade geborenen kleinen Sohn flirte, vergesse ich alles um mich herum. In solchen Momenten empfindet man ein unfassbares Glück, und einem wird bewusst, was das einzig Wichtige im Leben ist.