Von Kometen und Klassikern
Interview mit Alois Clemens Lageder, Geschäftsführer der Alois Lageder SpA
Wirtschaftsforum: Herr Lageder, die Alois Lageder SpA ist ein traditionsreiches Weingut aus Südtirol, das auf eine lange Geschichte zurückblickt und mit außerordentlichem Erfolg Tradition und Moderne vereint. Ist das ein entscheidendes Charakteristikum?
Alois Lageder: Unsere Geschichte geht in das Jahr 1823 zurück, als mein Urgroßvater Johann Lageder mit dem Weinhandel begann. 1855 kaufte dann sein Sohn Alois das Weingut; ich selbst vertrete inzwischen die sechste Generation. Diese lange Tradition bildet das Fundament unserer Arbeit; mit ihr verbunden sind Erfahrung und Know-how, das wir wiederum nutzen, um Innovationen zu entwickeln. Wir haben Spaß daran, neue Wege zu gehen und zu experimentieren. Das ist ein entscheidendes Merkmal und der Wachstumsmotor.
Wirtschaftsforum: Sie vertreten die sechste Generation der Familie und leiten das Unternehmen gemeinsam mit ihrer Schwester. Was sind für Sie die wichtigsten Strategien des Betriebes?
Alois Lageder: Der Generationenwechsel hat bei uns bereits 2014 begonnen; damals haben mein Vater und ich uns in ein Kloster zurückgezogen und gemeinsam die Visionen des Weinguts erarbeitet. Ein zentrales Element ist natürlich, dass wir bereits seit 2004 nach der biologisch-dynamischen Methode arbeiten und eigene Weine unter dem Demeter-Zertifikat verkaufen. Wir wollen in Einklang mit der Natur arbeiten, auch in Zeiten von Monokulturen – und der Weinbau ist eine Monokultur. Für uns ist der Weinberg ein komplexes Ökosystem, mit dem wir respektvoll umgehen.
Wirtschaftsforum: Was genau heißt das?
Alois Lageder: Wir verwenden grundsätzlich keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel, Herbizide, Fungizide, Insektizide oder Mineraldünger. Damit die Erde fruchtbar bleibt, fördern wir durch Einsaaten, Sträucher und Pflanzen die Artenvielfalt. Wir haben Kühe, die in den Wintermonaten zwischen den Reben weiden; der Mist ist ein optimaler Dünger und der Humus, der mit der Zeit entsteht, verbessert die Bodenqualität und die Fruchtbarkeit der Rebe.
Wirtschaftsforum: Auf welcher Fläche arbeiten Sie mit dieser biologisch-dynamischen Methode?
Alois Lageder: Auf der gesamten Fläche und damit auf 55 ha. Wir arbeiten zudem mit rund 80 Winzerpartnern zusammen, sodass wir insgesamt auf eine Fläche von etwa 150 ha kommen. Unsere Partner haben zum Teil auch Demeter-Zertifikate, einige arbeiten nach biologisch-dynamischen Methoden, andere nicht. Etwa zwei Drittel gehen den Weg des biologisch-dynamischen Anbaus. Wir versuchen, unsere Partner von unserer Philosophie zu überzeugen, aber es ist natürlich kein Zwang; wir wissen aus eigener Erfahrung, dass der Übergang vom konventionellen zum biologisch-dynamischen Anbau Zeit braucht.
Wirtschaftsforum: Wieviel Wein produziert das Weingut heute und was charakterisiert die Weine?
Alois Lageder: Wir produzieren heute etwa eine Million Flaschen Wein jährlich, Weißwein und Rotwein. Es sind frische, saftige, vertikale Weine, die keine extrem hohen Alkoholwerte haben und die Vielfalt Südtirols widerspiegeln. Unsere Bestseller sind der ‘Löwengang Chardonnay’ und der ‘Löwengang Cabernet’, die international bekannt sind. Der ‘Löwengang Chardonnay’ zeigt, dass es sich lohnen kann, Neues zu wagen. Wir waren Mitte der 1980er Jahre die Ersten, die in Südtirol Chardonnay in Barrique ausbauten.
Wirtschaftsforum: Wo zeigt sich noch die für Alois Lageder typische Experimentierfreude?
Alois Lageder: Das Klima verändert sich nicht erst seit ein paar Jahren, sondern schon länger. Wir müssen uns darauf einstellen und uns selbst verändern. Deshalb experimentieren wir zum Beispiel mit Rebsorten aus Südeuropa. Wir bauen probeweise Reben aus Griechenland an und schauen, wie sie sich entwickeln. So haben wir jedes Jahr 100 verschiedene Experimente, aus denen fünf bis zehn ausgewählt werden. Für dieses Projekt haben wir die Serie ‘Kometen’ ins Leben gerufen – Kometen, die vorrübergehend und richtungsweisend sind. Genauso sind es die Weine, die in limitierten Mengen von 115 bis 1.000 Flaschen pro Code auf den Markt kommen. Diese experimentierfreudige Haltung, der Wille, neue Wege und mit der Zeit zu gehen, werden auch in Zukunft unsere Arbeit prägen. Wir alle haben eine Verantwortung gegenüber der Natur. Wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst; wir wollen mit und nicht gegen die Natur arbeiten.