„Unsere Branchenfremdheit war auch ein Vorteil“
Interview mit Stephanie Schädler, Geschäftsführerin der Allgäuer Alpenwasser GmbH

Wirtschaftsforum: Frau Schädler, vor zehn Jahren übernahm Ihr Schwiegervater Felix Schädler Allgäuer Alpenwasser, nachdem er sich zuvor als Architekt in der Hotelbranche engagiert hatte. Ein Jahr später traten Ihr Mann und Sie, von Beruf Bauingenieur und Textilbetriebswirtin, ebenfalls in das Unternehmen ein – was hat Sie damals zu diesem Schritt bewogen?
Stephanie Schädler: Allgäuer Alpenwasser besteht als Unternehmen schon seit über 100 Jahren und hat unsere Heimatregion in dieser Zeit mit seiner Marke und seinen Werten nachhaltig geprägt. 2015 stand es dann kurz vor der Insolvenz, und es fand sich einfach kein Käufer, der sich vorstellen konnte, dieses Unternehmen in die Zukunft zu führen. Mein Schwiegervater, der Allgäuer Alpenwasser seit seiner Kindheit kannte, wollte das nicht hinnehmen und hat sich – obwohl er völlig branchenfremd war – schließlich ein Herz gefasst und das Unternehmen erworben.
Wirtschaftsforum: Der Beginn einer erfolgreichen Turnaround-Geschichte.
Stephanie Schädler: Die kam erst später – denn die Zustände, die wir vorfanden, waren geradezu katastrophal. In den Maschinenpark war seit Urzeiten nicht mehr investiert worden. Die Fenster waren nicht mehr intakt und es wuchsen Bäume in das Produktionsgebäude. Tonnenweise Müll hatte sich angesammelt, den wir erst einmal entsorgen mussten. Während Start-ups bei null beginnen, mussten wir im Minusbereich anfangen. Das Gebäude ist inzwischen natürlich längst saniert und auch die Maschinen wurden sukzessive ausgetauscht; die drei verbleibenden Altanlagen werden noch diesen Herbst ersetzt. Die größte Herausforderung bestand jedoch darin, dass kaum noch nennenswerte Unternehmensstrukturen bestanden und auch das Qualitätsbewusstsein gelitten hatte. Diese Mentalität zu verändern, war wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen, denen wir auf unserem Weg begegnet sind.
Wirtschaftsforum: Wie konnten Sie in einem Unternehmen, in dem Bäume in die Werkshalle wuchsen, für Aufbruchstimmung sorgen?
Stephanie Schädler: Das hat viel Zeit gebraucht und auch einiges an Kraft gekostet – in der Geschäftsführung, aber auch in der Belegschaft. Wir haben damals alle Mitarbeiter übernommen, aber nicht jeder ist diese Reise auch bis heute mit uns mitgegangen. Das muss man akzeptieren. Umso wichtiger waren meiner Erfahrung nach Vertrauen und Verlässlichkeit. Alle im Unternehmen mussten die Ärmel hochkrempeln, egal in welcher Position man beschäftigt war. Ich glaube, das hat uns unglaublich zusammengeschweißt – und eine starke Basis für unsere gemeinsame Zukunft geschaffen. Wir durften miterleben, wie unsere Mitarbeiter wieder Freude an unseren Produkten fanden und eine starke Wachstumsgeschichte mitgestalten konnten: In knapp zehn Jahren steigerten wir uns von 12 Millionen Füllungen auf inzwischen 30 Millionen pro Jahr. Heute spüren wir, dass die Menschen im Unternehmen wieder alles für die Marke Allgäuer Alpenwasser geben.
Wirtschaftsforum: Worin liegt die Stärke Ihres Produktspektrums?
Stephanie Schädler: Wir stellen ein Naturprodukt her, mit dem sich viele Menschen in unserer Region identifizieren – und auch wir selbst spüren als Unternehmerfamilie eine enge Verbindung zu unserer Heimat. Unsere Branchenfremdheit war dabei manchmal sogar ein Vorteil für uns, zum Beispiel, als wir beschlossen, unser stilles Produkt ‘Bludde’ zu nennen; das bedeutet ‘nackt’ in unserem Heimatdialekt. Kollegen aus der Branche schlugen da die Hände über dem Kopf zusammen, schließlich hatten sich ‘Klassik’, ‘Medium’ und ‘Naturell’ als allgemeingültige Variantenbezeichnungen durchgesetzt, an denen niemand jemals etwas änderte. ‘Bludde’ wurde dann im Markt sehr gut angenommen, genauso wie ‘s‘pfizzige’ für unser Sprudelprodukt.
Wirtschaftsforum: Wie soll es auf dieser Basis nun in den nächsten Jahren weitergehen?
Stephanie Schädler: Langfristig möchten wir bei unserer Süßlinie den Kreislauf völlig schließen. Seit Anfang 2025 arbeiten wir nun mit Vertragsbauern am Bodensee zusammen, die wir persönlich kennen und die wir bei ihrer Ernte begleiten, sodass wir unsere Rohstoffe nun vielfach aus unmittelbarer geografischer Nähe beziehen können. Perspektivisch sehen wir zudem die Möglichkeit, Äpfel direkt bei uns vor Ort anzubauen, und haben hierzu bereits einige Testflächen lanciert, auf denen wir derzeit prüfen, welche Sorten dazu geschmacklich und im Hinblick auf ihren Ertrag besonders gut geeignet wären. Einen großen Teil der von uns benötigten Energie produziert derweil unser eigenes Wasserkraftwerk, das bereits seit 1904 in Betrieb ist. Schon 2018 haben wir zudem als erster Mineralbrunnen in Deutschland eine zu 100% recycelte PET-Flasche auf den Markt gebracht, die von herkömmlichen Produkten mit niedrigerem Recyclat-Einsatz kaum noch zu unterscheiden ist. All diese Entwicklungen bestätigen uns in der Überzeugung, dass wir mit Allgäuer Alpenwasser 2015 einen wahren Diamanten vorgefunden haben.









