Netzwerker der Zukunft
Interview mit Ulrich Dopfer, CFO der ADVA Optical Networking SE
Wirtschaftsforum: Herr Dopfer, ADVA Optical Networking ist weltweit Inbegriff für innovative optische Übertragungstechnik, in über 22 Ländern der Welt aktiv, hat knapp 1.900 Mitarbeiter und konnte 2020 trotz Pandemie ein hervorragendes Ergebnis erzielen. Was steckt hinter dieser Dynamik?
Ulrich Dopfer: Da spielen viele Faktoren eine Rolle, ganz sicher aber unsere Start-up-Mentalität. Wir sind für unsere Kunden über viele Jahre hinweg ein Trusted Partner, verkaufen nicht irgendetwas, sondern hören zu und erarbeiten bestmögliche Lösungen. Wir setzen auf direkte Kontakte und intensive Dialoge, sind dynamisch und flexibel und bieten natürlich eine gute Qualität.
Wirtschaftsforum: Gibt es Meilensteine, die das Wachstum besonders begünstigt haben?
Ulrich Dopfer: ADVA wurde Mitte der 1990er-Jahre gegründet; damals war die Idee, aus optischen Komponenten mehr zu machen. Die Entwicklung eines Systems zur Datenübertragung markierte den Beginn und illustrierte, wo-rum es dem Unternehmen ging – um den Added Value, deshalb ADVA. Der erste Kunde war eine Privatbank, deren Rechenzentrum an das Hauptgebäude angeschlossen wurde. Ende der 1990er-Jahre wurde Siemens auf ADVA aufmerksam. Der Konzern hatte ADVA-Produkte als OEM-Partner verkauft, so bekam ADVA Zugang zu größeren, internationalen Telekommunikationsfirmen. Ein ganz entscheidender Meilenstein ist natürlich der bevorstehende Zusammenschluss mit ADTRAN, einem führenden Anbieter von Lösungen für Glasfaserzugangs- und Teilnehmeranschlussnetze, der unsere Vision und Leidenschaft für innovative Netzlösungen teilt und damit der perfekte Partner ist. Wir können unser Produktangebot rund um die Bereitstellung von skalierbaren, sicheren und qualitativ hochwertigen Glasfaser-anbindungen für Privathaushalte, Unternehmen, 5G-Infrastrukturen und Cloud-verwaltete Wi-Fi-Lösungen ausbauen und unsere Position als globaler Innovationsführer für Glasfasernetze stärken. Das Portfolio ist in der Form einzigartig auf dem Markt.
Wirtschaftsforum: Auf den Internet-Hype folgte Anfang der 2000er das Platzen der Dotcom-Blase. Wie hat ADVA diese Entwicklung erlebt?
Ulrich Dopfer: Das Ende des Dotcom-Booms war für die Branche ein herber Rückschlag. Unser Glück war, dass wir verkaufbare, seriöse Produkte und echte Kunden hatten. Aber auch danach mussten wir weitere Herausforderungen meistern. Huawei ging damals sehr aggressiv in die optische Übertragungsindustrie, konnte von optischer Übertragung bis zum Handy alles bereitstellen und hat viele Mitbewerber vom Markt verdrängt. Wir haben überlebt, da wir sehr stark auf Enterprise-Kunden fokussiert waren, die eigene Netzwerke betrieben. Unsere Zahlen stimmten zwar immer, waren aber nie außerordentlich; dafür waren Wettbewerb und Preisdruck zu groß. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, mussten wir also wachsen. 2006 übernahmen wir zwei Firmen in den USA, um uns globaler aufzustellen. Akquisitionen haben immer den Impuls für Wachstum gegeben. Beispielhaft ist die Akquise eines Spezialisten für Netzsynchronisationstechnik 2014. Dank der Übernahme des gesamten Portfolios bieten wir heute einzigartige Produkte wie Cäsiumuhren für ePRC-Anwendungen an und stützen uns auf einen breiten Kundenstamm. Nicht zuletzt stärken umfassende Investitionen in neue Produkte und Technologien unsere Wettbewerbsfähigkeit; jedes Jahr investieren wir über 120 Millionen EUR in Forschung und Entwicklung.
Wirtschaftsforum: Ist die Strategie aufgegangen?
Ulrich Dopfer: Wir sind für Private Enterprises in Europa die Nummer 1 und haben einen großen Marktanteil bei Telekommunikationsnetzwerken. Durch den Zusammenschluss mit ADTRAN werden wir Kunden im Bereich der optischen Kommunikationsnetzlösungen noch besser bedienen können und von einem beispiellosen Investitionszyklus im Glasfaserbau profitieren.
Wirtschaftsforum: Wie sieht das Portfolio heute aus?
Ulrich Dopfer: Wir setzen auf einen Technology Tripod. Im Bereich Data Center Interconnect geht es um die Verbindung von Datencentern, um die Übertragung riesiger Datenmengen in kurzer Zeit. Im Segment Cloud Access beschäftigen wir uns mit der Frage, wie man in die Cloud oder ins Netzwerk kommt; über Mobilfunk oder Glasfaseranbindung. Wir machen beides. Bei der Netzwerksynchronisation steht schließlich das Thema 5G im Fokus.
Wirtschaftsforum: Wie lässt sich die Zielgruppe von ADVA definieren?
Ulrich Dopfer: Wir sind absolut offen und konstant auf der Suche nach neuen Kundengruppen. Weil bei Smart Power Grids die Netzwerksynchronisierung immer wichtiger wird, spielen beispielsweise Energieversorger eine immer größere Rolle für uns. Daneben haben wir Projekte mit der europäischen Raumfahrtbehörde. Im Prinzip ist unser Geschäft grenzenlos.
Wirtschaftsforum: Gibt es aktuell für ADVA interessante Branchentrends?
Ulrich Dopfer: Immer wichtiger wird das Thema Security und Trusted Partner. Wir haben gerade eine neue Verschlüsselungstechnologie auf den Markt gebracht, Post Quantum Secure – also auch sicher, nachdem Quantencomputer zur Verfügung stehen. Vertrauen spielt eine zentrale Rolle. Was passiert mit meinen Daten? Das ist eine entscheidende Frage. Wir arbeiten für anspruchsvolle Kunden wie Regierungen oder die Polizei und investieren gezielt in Verschlüsselung und Data Security. Einige Produkte sind bereits zertifiziert, zum Beispiel alle deutschen Standorte, nun arbeiten wir an einer BSI-Zertifizierung in der Breite.
Wirtschaftsforum: Gibt es konkrete Zukunftsstrategien?
Ulrich Dopfer: Anfang des Jahres haben wir eine Business Transformation Strategy verabschiedet mit dem Ziel einer stärkeren Vertikalisierung. Wir wollen bestimmte Komponenten, die wir zukaufen, inhouse entwickeln, um unabhängiger zu werden. Software wird immer wichtiger, genauso neue Marktsegmente. Momentan fokussieren wir uns natürlich auf den Zusammenschluss mit ADTRAN, von dem wir uns einen bedeutenden Wachstumsschub erhoffen und der uns ganz neue Perspektiven eröffnet.
Wirtschaftsforum: Wie beurteilen Sie die Chancen von morgen?
Ulrich Dopfer: Das Macro-Umfeld unserer Branche ist sehr gut. In vielen Regionen gibt es Digitalisierungsbestrebungen, der Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur schreitet unaufhaltsam voran. Gleichzeitig steigt die Bedeutung des Herkunftslandes bei der Technologieauswahl und steigende Sicherheitsanforderungen in Kommunikationsnetzen verändern die globale Wettbewerbslandschaft. Wir sind in Europa und den USA ein vertrauenswürdiger Lieferant innovativer Netzwerktechnik und profitieren vom Trend der Deglobalisierung. Zudem werden wir stark am 5G-Ausbau partizipieren und uns verstärkt in Bereichen außerhalb der klassischen Kommunikationsdienstleister positionieren. Wir sehen uns ganz klar als global führenden Anbieter von Ende-zu-Ende-Glasfasernetzwerklösungen für Netzbetreiber, Unternehmen und Behörden.