COVID19: Umdenken und neue Wege gehen

Interview mit Tim-Alexander Karußeit, Geschäftsführer der Hoffmann Dienstleistungen für die werbende Wirtschaft GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Karußeit, was haben der Ausbruch der COVID19-Pandemie in Deutschland und der damit verbundene Lockdown im März 2019 für Sie persönlich und für Ihr Unternehmen bedeutet?

Tim-Alexander Karußeit: Ich habe vor der Übernahme von Hoffmann Dienstleistungen bereits zweimal ein Unternehmen gegründet, geführt und dann verkauft. Ich habe ein Unternehmer-Gen in mir - ich habe noch nie angestellt gearbeitet - und auch ein Start-Up Gen - ich gründe immer Firmen. Nach dem Verkauf der Unternehmen habe ich drei Jahre lang Full-Time und eigenfinanziert, ein Unternehmen gesucht, in das ich als Nachfolger einsteigen und dies im Sinne der Inhaber weiterführen kann. Ich wollte nicht noch einmal neu gründen. Dabei habe ich mich auf die Messebau-Branche fokussiert.

Die Branche hat viele Vorteile, zum Beispiel regelmäßig wiederkehrende Umsätze, da die Messen immer wieder stattfinden. Meist sind die Messen am gleichen Standort, zur gleichen Zeit, mit immer den gleichen Kunden. Ich habe mir in den drei Jahren rund 300 Firmen angesehen, davon waren 50 Messebauer. Am Ende blieb einer übrig - die Hoffmann Dienstleistungen. Ab Ende 2018 bis über das ganze Jahr 2019 habe ich nichts anderes gemacht, als den Unternehmensverkauf zu vollziehen.

Mein erster Jahrestag hier im Unternehmen war der 8. Januar 2020. Ich habe mich an dem Tag den Mitarbeitern als neuer Eigentümer vorgestellt und habe in meiner Antrittsrede verkündet, unter meiner Leitung würde sich nicht viel ändern, da Hoffmann Dienstleistungen ja ein stabiles und gesundes Unternehmen sei. Es gelte jetzt, dieses gesunde Unternehmen ohne große Experimente in die Zukunft zu führen. Das habe ich auch so gemeint - und die Auftragsbücher 2020 waren extrem voll. Ende Februar kam das Thema COVID19, Anfang März wurden im Minutentakt alle Messen abgesagt. Ich war wie in einer Schockstarre. Ich hatte das Unternehmen zu 100% finanziert, war also hochverschuldet. Die Firma sollte aus sich selbst heraus den Kaufpreis verdienen. Am 9. März habe ich mich wieder vor die Mitarbeiter gestellt und musste verkünden, dass wir Kurzarbeit angemeldet haben und in einer starken wirtschaftlichen Krise stecken.

Wirtschaftsforum: Was haben Sie dann unternommen? Das Unternehmen war ja praktisch ohne Aufträge.

Tim Karußeit: Gemeinsam mit meinen Teams haben wir uns zurückerinnert, welche Ideen wir in der Flüchtlingskrise hatten. Denn: Wir bauen nicht nur Messestände, sondern sind auch ein Systemhersteller, bauen zum Beispiel auch die Wände, aus denen die Messestände sind, aus Aluminium mit Stoffdruck, selbst. Wir haben dadurch einen hohen Bestand an Messewänden. In der Flüchtlingskrise hatten wir Messewände vermietet. So entstand die Idee für mobile Krankenhäuser. Man sah im TV, wie überlastet die Krankenhäuser waren und dass Behelfskrankenhäuser gebaut wurden. Mit unseren Messebausystemen wurden dann tatsächlich drei große Behelfskrankenhäuser gebaut. Wir haben also komplett umgedacht und überlegt, was wir mit unserem Bestand machen können.

Weiter haben wir überlegt, dass man mit unseren Wänden auch Raum-in-Raum-Lösungen schaffen kann, zum Beispiel in Turnhallen, für Behandlungsräume. Unser größtes Projekt waren knapp 500 Zimmer in einem Behelfskrankenhaus auf dem Messegelände der Deutschen Messe AG in Hannover. Das Ganze haben wir innerhalb einer Woche realisiert. Auch für Seniorenheime haben wir Besuchslösungen entwickelt. In Schulen haben wir temporäre Raum-in-Raum-Lösungen geschaffen. Diese Projekte waren natürlich alle keine Umsatztreiber wie der Messebau, aber wir hatten zu tun, die Stimmung im Team war gut und wir haben neue Kunden und Kundengruppen kennengelernt.

Wirtschaftsforum: Wie soll es in den nächsten Monaten weitergehen? Was erwarten Sie für 2021?

Tim Karußeit: Unsere Branche war die erste, die in die Krise hineingekommen ist und wir werden die letzten sein, die herauskommen. First in, last out. Wir rechnen damit, von Februar 2020 bis Februar 2021 keinen einzigen Euro Umsatz mit Messen machen zu können. Letzte Woche hat der letzte Kunde für dieses Jahr abgesagt. Wir hoffen, dass wir wieder für Messen im Februar und März 2021 bauen können. Viele Betriebe in unserer Branche haben einfach geschlossen. Das ist für mich keine Option. Ich denke, irgendwo gibt es immer einen Markt und auch Kunden. Man muss überlegen, wie man die Bedürfnisse des Marktes und das Know-how der Mitarbeiter miteinander in Einklang bringt.Ich habe mit meinen Mitarbeitern in mehreren Betriebsversammlungen Modelle entwickelt und Geschäftsfelder identifiziert, in denen wir mit unserem bestehenden Können punkten können.

Die Strategie für die nächste Zeit ist es, vom B2B Bereich in den B2C Bereich zu gehen. Wir bieten Tischlerleistungen für Privatkunden, vor allem mit Eigenheimen an. Wir haben verschiedene Firmen gefunden, die Interesse haben, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen, wie zum Beispiel der Türenhersteller Portas. Bei unseren Projekten stehen die Themen Renovierung und Upcycling im Vordergrund. Auch mit einer Firma, die feuchte Keller trockenlegt, arbeiten wir jetzt zusammen. Aus diesen neuen Geschäftsfeldern haben wir inzwischen 14.000 EUR Umsatz, aber es fehlen 5 Millionen. Obwohl ich am 8. Januar gesagt habe, ich verändere nichts, verändere ich jetzt alles. Ich will dieses Unternehmen auf mehrere Standbeine stellen. Irgendwann wird das Messegeschäft wieder anlaufen. Der Messebau wird immer das Hauptstandbein dieses Unternehmens bleiben. Aber auch dann werden wir die Bereiche Mauerentfeuchtung und Trockenbau weiter vorantreiben, so dass unser Geschäft auf mehreren Säulen steht.

„Irgendwo gibt es immer einen Markt und auch Kunden. Man muss überlegen, wie man die Bedürfnisse des Marktes und das Know-how der Mitarbeiter miteinander in Einklang bringt.“ Tim KarußeitInhaber und Geschäftsführer
Tim Karußeit

Wirtschaftsforum: Wie finanzieren Sie Ihre Aktivitäten?

Tim Karußeit: Ich war durch die Firmenübernahme ja ständig mit Banken im Austausch. Ich glaube, ich war der schnellste Fall einer Firmenkrise. Ende Dezember hatte ich die Finanzierungsverhandlungen abgeschlossen, im Februar wurde ich wieder bei der Bank vorstellig. Ich bekam sofort eine Intensivbetreuung. Die Banken haben mich sehr gut betreut und mich nicht im Stich gelassen. Es wurde nachfinanziert. Sowohl die Hannoversche Volksbank, als auch unsere stille Beteiligung und die KfW haben alle einen tollen Job gemacht. Man traut mir etwas zu, man glaubt an das Konzept und an mich. Meine Kollegin Frau Türk hat massiv Pressearbeit gemacht in den vergangenen Monaten und die Stärke unseres Unternehmens und unseres Teams deutlich nach außen kommuniziert. Das hat uns sicher sehr geholfen, auch bei den Finanzverhandlungen.

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