Vom Küchenherd zur Wärmebehandlungsanlage 4.0

Interview mit Dipl.-Ing. Dr. Thomas Dopler, Geschäftsführer der AICHELIN Ges.m.b.H.

Die Wurzeln von AICHELIN liegen in Stuttgart, wo Jakob Aichelin 1868 das Unternehmen gegründet hat. „Eines seiner ersten Produkte war ein Küchenherd, wie er heute noch in unserem hauseigenen Museum zu sehen ist“, erzählt Geschäftsführer Dipl.-Ing. Dr. Thomas Dopler.

In der Zwischenkriegszeit widmete man sich der technischen industriellen Wärmebehandlung und arbeitete intensiv mit der Firma Bosch zusammen. „Damals wurde das System der Gasaufkohlung entwickelt, die heute noch die Basis unseres Verfahrens ist“, so der Geschäftsführer.

Dieses Verfahren dient der Behandlung von Metalloberflächen, denen Moleküle zugeführt werden, um einen Härteprozess in Gang zu setzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete AICHELIN die Niederlassung in Österreich in der Nähe von Wien, um von dort aus Osteuropa bedienen zu können.

Als Gruppe international stark

Heute unterhält die AICHELIN Group, die zur familiengeführten Industriedynastie Berndorf AG gehört, zehn Standorte mit insgesamt 1.000 Mitarbeitern, von denen knapp 100 am Firmensitz in Mödling beschäftigt sind. Zur Gruppe zählen ferner drei Unternehmen in Deutschland sowie Werke in Frankreich, der Schweiz, Slowenien, Indien, China und den USA. „Als Gruppe generieren wir einen Jahresumsatz von 180 Millionen EUR“, sagt Thomas Dopler. Da AICHELIN stark in der Automobilindustrie vertreten ist, ist der Exportanteil hoch.

Dipl.-Ing. Dr. Thomas Dopler
„Deutschland hat die Elektromobilität verschlafen.“ Dipl.-Ing. Dr. Thomas DoplerGeschäftsführer

Gehärtet wird fast alles

„Wir fertigen unterschiedliche Formen von Öfen, alles Einzelstücke, die nach Kundenvorgaben entwickelt werden. In ihnen können kleinste Teile wie Minischrauben mit einem Durchmesser von 1 mm oder Uhrzeiger gehärtet werden, aber auch Teile von 20 m Länge, die bis zu 40 t schwer sein können“, erklärt Thomas Dopler.

Die Kunden aus unterschiedlichsten Industrien wie Schmuck und Uhren, Kraftwerksbau, Schrauben, erneuerbare Energien und natürlich Automobilbau erhalten ein Gesamtpaket, das Entwicklung, Assemblierung, Lieferung und Inbetriebnahme vor Ort umfasst.

Letzteres sei derzeit Corona-bedingt eine Herausforderung, so der Geschäftsführer. Ansonsten sei das Unternehmen nach anfänglichen Problemen in der Supply Chain dank schneller interner Maßnahmen relativ gut durch die Corona-Krise gekommen.

„Bis zu diesem Zeitpunkt lief das Jahr sehr gut. Dass die Aufträge jetzt zurückgegangen sind, liegt zum Teil auch an der Automobilkrise – Das Zeitalter der Elektromobilität wurde in Deutschland verschlafen“, sagt er. Dennoch habe diese Branche für AICHELIN enormes Potential.

#jakob, der digitale Helfer

In 150 Jahren hat das Unternehmen viel Erfahrung und Know-how sowie gute Referenzen angesammelt. Doch nicht zuletzt überzeugt AICHELIN mit seinen Produkten, wie Thomas Dopler deutlich macht: „Unsere Öfen sind robust und stabil und haben eine sehr lange Lebensdauer von 40 bis 60 Jahren. Dazu bieten wir einen hervorragenden Kundenservice.“

Ein nicht nur für die Kunden besonders interessantes digitales Werkzeug trägt den Namen #jakob. Der Geschäftsführer erklärt, was es damit auf sich hat: „Es handelt sich um eine digitale Unterstützung für den Kunden, die ihm hilft, notwendige Ersatzteile zu erkennen und zu bestellen. #jakob dient aber auch der präventiven Wartung sowie durch bis zu 70 zusätzliche Sensoren auch der Zustandsbeurteilung. Es weist den Kunden darauf hin, wann welche Teile erneuert werden müssen. Die Anwendung sorgt für Kostenersparnis, da durch präventive Maßnahmen Produktionsausfälle vermieden werden können.“

Die Lösung wurde speziell für die Öfen von AICHELIN entwickelt und kann sowohl bei Bestandsanlagen als auch bei neuen Anlagen eingesetzt werden. Darüber hinaus kann sie aber auch an Anlagen anderer Hersteller angepasst werden. „Wir haben schon entsprechende Nachfragen“, erzählt der Geschäftsführer, dem es auch ein persönliches Anliegen ist, Innovation voranzutreiben, digitale Entwicklungen zu fördern und vorauszudenken – „immer im Team natürlich“, betont er.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Industrielle Zulieferer

Von der grauen Masse zur ästhetischen Vielfalt: Beton neu gedacht

Interview mit Alexander Bauer, Geschäftsführer der Kirchdorfer Kies und Beton GmbH

Von der grauen Masse zur ästhetischen Vielfalt: Beton neu gedacht

Mit fünf Transportbetonwerken, drei Kieswerken und einer Lkw-Flotte produziert und liefert die Kirchdorfer Kies und Beton GmbH aus dem Großraum Linz Transportbeton und Zuschlagstoffe für verschiedenste Bauprojekte im ober­österreichischen Zentralraum.…

„Wir setzen auf Mitarbeiter ab 50“

Interview mit Benjamin Pastuszak, Geschäftsführer und Aaron Knoblich, Geschäftsführer der DTZ Dichtungs-Technik-Ziegler GmbH

„Wir setzen auf Mitarbeiter ab 50“

Pumpenreparaturen und Gleitringdichtungen sind ihre Spezialität: Die DTZ Dichtungs-Technik-Ziegler GmbH aus Bünde hat auf diesem Gebiet jahrzehntelange Erfahrung. Im Gespräch mit Wirtschaftsforum berichten die Geschäftsführer Benjamin Pastuszak und Aaron Knoblich…

Präzision aus Metall – Wertschöpfung in Perfektion

Interview mit Rob Paulissen, Managing Director der Doesburg Components B.V.

Präzision aus Metall – Wertschöpfung in Perfektion

Vom Guss bis zum einbaufertigen Bauteil: Die Doesburg Components B.V. steht für metallurgisches Know-how, moderne Fertigung und enge Kundenbeziehungen. Das Unternehmen produziert präzise bearbeitete Gusskomponenten für Motoren, Getriebe und Fahrwerke.…

Spannendes aus der Region Mödling

Wie der Klimawandel Wachstumschancen eröffnet

DI Friedrich Xaver Gruber, Geschäftsführer der KLINGER Fluid Control GmbH

Wie der Klimawandel Wachstumschancen eröffnet

Die steigenden Anforderungen an die Bewältigung des Klimawandels eröffnen auch in traditionellen Branchen neue Geschäftsmöglichkeiten, zum Beispiel im Maschinenbau. Die KLINGER Fluid Control GmbH produziert Armaturen für anspruchsvolle Industrieanwendungen, insbesondere…

„Wir bringen die Prozesse auf die Businessebene!“

Interview mit Annemarie Pucher, Geschäftsführerin der ISIS Papyrus Europe AG

„Wir bringen die Prozesse auf die Businessebene!“

Seit seiner Gründung im Jahr 1988 hat sich der österreichische Softwareentwickler ISIS Papyrus mit einer Plattform zur Steuerung der Geschäftskommunikation sowie Prozesse weltweit im Markt etabliert und dabei stets auf…

Heiße Themen können wir

Interview mit Dipl.-Ing. Thomas Peinkofer, und Dipl.-Ing. Michael Reisner, beide Geschäftsführer der AICHELIN Ges.m.b.H.

Heiße Themen können wir

Viele Industrieprodukte erhalten durch die entsprechende Wärmebehandlung erst ihre Funktion. Dazu braucht es speziell angepasste Industrieöfen – und genau hier hat sich die AICHELIN Ges.m.b.H. mit Hauptsitz in Österreich einen…

Das könnte Sie auch interessieren

Medizin, die zuhört und weiterdenkt

Interview mit Florian König, Geschäftsführer der HNO-Klinik Bogenhausen Dr. Gaertner GmbH

Medizin, die zuhört und weiterdenkt

Die Gesundheitsbranche in Deutschland befindet sich im tiefgreifenden Wandel: Kostendruck, Fachkräftemangel, Digitalisierung und die Krankenhausreform stellen Kliniken vor enorme Herausforderungen. Gerade in diesem Umfeld zeigen kleinere, spezialisierte Häuser, wie patientennahe…

Starke Marken: „Die Kraft der Frauen sehen lassen!“

Interview mit Karel Verlinde, CEO der Van de Velde NV

Starke Marken: „Die Kraft der Frauen sehen lassen!“

Lingerie ist weitaus mehr als nur Unterwäsche für Damen. Sie ist gleichermaßen auch Statement und Ausdruck der Persönlichkeit ihrer Trägerin. Die drei Premiummarken der belgischen Van de Velde NV werden…

Klarer Kurs und Transformation in der Sportmode

Interview mit Marco Hoffmeyer, Geschäftsführer der Scoretex GmbH

Klarer Kurs und Transformation in der Sportmode

Die Sport- und Freizeitbranche steht unter hohem Veränderungsdruck – von globalen Lieferketten bis zu wachsenden Onlinemärkten. Die Scoretex GmbH, die fünf Marken unter dem Plattformansatz Home of Brands bündelt, reagiert…

TOP