Die deutsche Wirtschaft warnt eindringlich vor den Konsequenzen eines Handelskonflikts mit Russland. "Die Krim-Krise kann nur durch politische Verhandlungen gelöst werden. Wirtschaftssanktionen gegen Russland würden wie ein Bumerang den deutschen Mittelstand treffen", sagt Mittelstandspräsident Mario Ohoven in einem Zeitungsinterview. Den Angaben Ohovens zufolge seien die Mehrzahl der 6.300 deutschen Unternehmen in Russland kleine und mittlere Betriebe. "Viele mittelständische Maschinenbauer, speziell Landmaschinenhersteller, aber auch Nahrungsmittelproduzenten und Pharmafirmen könnten ein Wegbrechen des Russland-Geschäfts nur schwer verkraften", so Ohoven.
Die Dimensionen der gesamtwirtschaftlichen Verflechtungen macht Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), in einem Zeitungsinterview deutlich: „Deutsche Firmen haben 20 Milliarden Euro Direktinvestitionen in Russland. Und wir beziehen von dort rund 40 Prozent unseres Erdgases und gut ein Drittel des Erdöls. In Deutschland hängen 400.000 Arbeitsplätze vom Handel mit Russland ab. Harte Sanktionen gegen Russland hätten auf die deutsche Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze erhebliche Auswirkungen.“
Der Hintergrund: Nach Angaben des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) treiben 6.200 deutsche Unternehmen Handel mit Russland bzw. haben dort investiert. Das bilaterale Handelsvolumen liegt bei über 76 Milliarden Euro, Exporten in Höhe von 36 Milliarden Euro stehen Importe von 40,4 Milliarden Euro gegenüber. Russland steht auf Platz elf der deutschen Handelspartner.
„Konflikt wäre für die russische Wirtschaft existenzbedrohend“
Die deutsch-russische Außenhandelskammer (AHK) spricht sich ebenfalls klar gegen Wirtschaftssanktionen aus. „Sie wären aktuell weder durchsetzbar noch hilfreich. Stattdessen müssen die Ukraine und die Russische Föderation an den Verhandlungstisch“, sagt AHK-Präsident Rainer Seele. Eine internationale Kontaktgruppe könne dabei unterstützen, so Seele, „sofern der Dialog vorurteilsfrei geführt wird.“
Dass ein handfester Handelskonflikt Russland sehr viel härter treffen würde als Deutschland, meint BGA-Präsident Anton F. Börner. "Im Ergebnis wäre ein Handelskonflikt für Deutschlands Wirtschaft schmerzhaft, für die russische Wirtschaft aber existenzbedrohend“, so Börner.
„Jede Sanktion hat ihren Preis“
„Allerdings hat jede Sanktion auch ihren Preis“, warnt Börner. „Der Preis ist nicht nur ökonomischer, sondern auch politischer Natur. Wirtschaftliche Sanktionen treffen selten die Richtigen und bringen die Gesprächspartner noch weiter auseinander.“ Eindringlich mahnt der BGA-Präsident daher zur Deeskalation. Nicht nachlassende Verhandlungen seien das Gebot der Stunde. „Wir Händler sind immer dafür, einen Gesprächskanal offenzuhalten. Wir versuchen zu vermitteln und sagen, Reden ist besser als jemanden in die Ecke zu treiben“, so Börner.
Deutschland in der Vermittlerrolle
Deutschland komme dabei eine entscheidende Vermittlerrolle zu. Es habe traditionell innerhalb der westlichen Welt auf allen Ebenen die besten Verbindungen zu Russland: Politisch, diplomatisch, wirtschaftlich, kulturell. Jeden dieser Kanäle gelte es zu nutzen, nicht zuletzt die vielen Tausend direkten Geschäftskontakte.
Doch wie ist die Krise zu lösen? „Nicht ohne oder gar gegen, sondern nur mit Russland“, sagt Börner. „Die EU muss Russland, muss Putin in die Entscheidungsprozesse einbinden. Und zwar auf Augenhöhe und als Teil der Lösung. Man sollte Putin größtmögliches Verständnis für seine Situation entgegenbringen, aber gleichzeitig aufzeigen, dass die einseitige Veränderung von völkerrechtlich gültigen Verträgen und Grenzen sein Land ins Abseits führen wird.“