Jeder 6. Deutsche liest auf Grundschulniveau
Alarmierende Bildungsstudie
Zwölf Jahre ist es her, als eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ganz Deutschland schockte. Die PISA-Studie, bei der die Fähigkeiten von Schülern erfasst wurden, attestierte dem deutschen Nachwuchs ein nahezu vernichtendes Urteil. Nun stellt die so genannte PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) den Erwachsenen in Deutschland ein kaum besseres Zeugnis aus.
Für den internationalen Vergleich „Skills Outlook 2013“ der OECD wurden insgesamt 166.000 Erwachsene im Alter von 16 bis 65 Jahren aus 24 Ländern getestet. In Deutschland nahmen allein 5.465 Personen an dem Test, bei dem die Schlüsselkompetenzen Lesen, Rechnen und Computer-Kenntnisse abgefragt wurden, teil.
Begrenztes Vokabular und Leseverständnis
Ergebnis: Während die Japaner (296 Punkte) und Finnen (288 Punkte) das beste mittlere Leseverständnis haben, erreichen die Deutschen nur 270 Punkte. So ist jeder sechste Erwachsene (17,5%) maximal in der Lage, kurze Texte mit einfachem Vokabular zu lesen und auch nur in begrenztem Maße zu verstehen. Der OECD-Schnitt für dieses Grundschulniveau beträgt gerade einmal 15,5%.
Etwas besser sieht es beim Lösen von mathematischen Aufgaben aus: Die höchsten Anforderungen erfüllen überdurchschnittlich viele Deutsche (14,2%). Jedoch beherrscht fast jeder Fünfte (18,5%) nur die Grundrechenarten sowie einfaches Zählen und Sortieren. Die besten Ergebnisse erreichen auch in diesem Punkt die Japaner (288 Punkte) und Finnen (282 Punkte), allerdings ist der Rückstand für Deutschland (272 Punkte) nicht ganz so gravierend wie beim Lesen.
Nicht fähig, eine PC-Maus zu bedienen
Die für die moderne Arbeitswelt ebenso wichtigen Fertigkeiten am Computer sind bei jedem achten Deutschen besonders schwach ausgeprägt. 12,6% sind nicht fähig, eine PC-Maus zu bedienen. Die meisten Testteilnehmer bewältigen lediglich vertraute Aufgaben, wie beispielsweise das Einsortieren von E-Mails in bereits angelegte Ordner. Probleme, die mit dem Navigieren über Webseiten zu lösen sind, schaffen nur rund ein Drittel der Erwachsenen (36%).
Ein Hauptgrund für das teilweise schwache Abschneiden sehen die OECD-Forscher in dem sozialen Hintergrund der befragten Personen. In keinem anderen Land hänge die Lesekompetenz so sehr vom Bildungsstand der Eltern ab wie in Deutschland. Wer Eltern ohne Abitur oder Berufsausbildung hat, schneidet im Test im Durchschnitt deutlich schlechter ab als diejenigen, bei denen mindestens ein Elternteil einen Meisterbrief oder Hochschulabschluss vorzeigen kann.
Japaner mit einfacher Erfolgsformel
Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Japan. Das Erfolgsgeheimnis des Inselstaates im fernen Osten ist einfach: Ein hohes Maß an Chancengleichheit führt zu einem hohen Kompetenzniveau und einer überdurchschnittlichen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung. Eine ähnliche Philosophie, wenn auch in geringerem Ausmaß, verfolgen Länder wie Australien sowie die europäischen Nachbarn Norwegen, Schweden und die Niederlande.
Wie sehr sich Bildung auszahlt, verdeutlicht einer der Autoren der Studie, Ludger Wößmann vom renommierten Münchener Ifo-Institut: „Wer im PIAAC-Test um eine von fünf Kompetenzstufen besser abschneidet, verdient 10% mehr – das sind über 250 Euro pro Monat.“ Zudem geht jedes zusätzliche Bildungsjahr den Angaben zufolge mit 8 bis 10% höherem Einkommen einher. Natürlich steigen damit ebenso die Chancen, überhaupt eine Beschäftigung zu finden. Als Fazit bleibt ein Merksatz für Politiker: Bildungspolitik ist gleichzeitig Arbeitsmarktpolitik.