Inklusives Design bringt Menschen und Unternehmen (Wettbewerbs)-Vorteile

Inklusiv ist ein wichtiger Begriff in unserer Gesellschaft geworden. Aber was bedeutet er im Zusammenhang mit Design?
Inklusives Design ist ein relativ breiter Begriff. Ich verstehe darunter Erlebnisse und Nutzungen, die niemanden ausschließen: barrierefrei, gendergerecht, altersgerecht, ethisch und universell. Für uns als Designer bedeutet es sicherzustellen, dass digitale Produkte jederzeit für so viele Nutzer:Innen wie möglich zugänglich und anwendbar sind.
Warum ist Ihnen inklusives Design wichtig?
Ich habe Produkte für Firmen in allen Größen gestaltet - von Start-ups bis Konzerne, in Europa, Nord- und Lateinamerika. Auch wenn es kulturelle Unterschiede gab, war der Design Prozess immer sehr ähnlich. Als ich jedoch zum ersten Mal Feedback von blinden Nutzer:Innen gelesen habe, vor allem ihre Kritik zur Inkompatibilität mit dem Screen Reader, hat sich ein komplett neuer Horizont für mich eröffnet. Mir wurde klar, dass wir Designer – unabhängig der Herkunft – für Nutzer:Innen wie diese statt nur für uns selbst gestalten müssen. Es ist wichtig inklusiv zu denken und Menschen nicht als „Edge Case“ (Grenzfall) zu betrachten - die Welt braucht mehr Freundlichkeit. Reicht das noch nicht aus, sollten wir darüber nachdenken, dass jeder von uns ein Edge Case sein kann: Das kann situativ oder temporär sein. Zum Beispiel versteht man eine wichtige Mitteilung im Ausland nicht, die Hände sind nach einem Unfall beeinträchtigt oder man kann ein Video nicht mit Ton abspielen usw.
Bringt inklusives Design nur Vorteile für Menschen mit Handicap?
Den Hauptvorteil haben vor allem Nutzer:innen, die sich bisher ausgeschlossen gefühlt haben. Es bedeutet eine reibungslose Verwendung ohne Kompromisse der Onlineprodukte. Menschen, z.B. aus anderen sozialen Hintergründen oder bestimmte Behinderungen haben, werden offensichtlich die ersten sein, die davon profitieren werden. Aber auch die Mehrheit von Nutzer:innen, die nicht in diese Kategorien fallen, werden davon profitieren: durch bessere Architektur oder höhere Kontraste können auch Menschen ohne Behinderungen einen Nutzen aus inklusivem Design ziehen.
Welche Vorteile hat inklusives Design für Unternehmen?
Für Unternehmen hat es viele Vorteile, denn es bedeutet bessere Produkte für alle. Unternehmen können Produkte entwickeln, die einen höheren Prozentsatz des Marktes zufriedenstellen und erschließen neue Kundensegmente und ungenutzte Möglichkeiten für Innovationen. Untersuchungen hierzu ergaben, dass bei barrierefreien Produkten und Designs der Absatz um bis zum vierfachen steigen kann.
Wie lässt sich inklusives Design umsetzen und mit welchen Herausforderungen sollte man rechnen?
Zunächst ist es wichtig den ersten Schritt des Design Thinking Ethos zu verfolgen: Emphasize. Mit anderen Worten: Empathie und Verständnis aufbauen. Man muss versuchen die Realität des Lebens besser zu verstehen. Das wird konkret auf zwei Wegen ermöglicht:
- Kundenforschung: Bei der Gestaltung von Nutzerprofilen, Nutzungsszenarien und Nutzungsumgebungen. Konzentrieren Sie sich während des gesamten Entwurfsprozesses auf die Bedürfnisse und Einschränkungen der Nutzer.
- Usability-Tests: Evaluieren Sie Produkte und Dienstleistungen während der Entwicklung und führen Sie Tests regelmäßig und schon in den frühen Phasen durch.
In beiden Fällen ist es wichtig das Panel von Nutzer:Innen zu erweitern und Leute aus verschieden Hintergründen, Fähigkeiten, Gender, Alter in die Produktentwicklung zu integrieren.
Die zukünftige Herausforderung ist vor allem die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) im Design. KI hat eine riesige Wirkung auf die Arbeit von Designern und bekommt so noch mehr Bedeutung. Zum Beispiel kann das Verhalten von Nutzer:innen zukünftig automatisch analysiert werden, wodurch die User Experience und Navigation sich entsprechend an das Profil der User anpassen.
Wenn die KI aber mit den gleichen kulturellen Vorurteilen gefüttert wird, wie schon bei Twitter oder Alexa geschehen, dann könnten die gleichen Hindernisse unserer analogen Welt leider in die virtuelle Welt mitgenommen werden.
Welches Projekt ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Alle Projekte, die auf Inklusive Design achten, sind für uns bemerkenswert. Zuletzt durften wir mit ENNOstudio ein Mitarbeiter Portal für die BARMER begleiten; eines unserer barrierefreien und inklusiven digitalen Produkte. Besonders interessant war es, ein spielerisches Layout für den Screen Reader und das Responsive Design zu optimieren. Außerdem haben wir den barrierefreien Standard der Plattform gemeinsam mit der BARMER abgestimmt, um ein inklusives Design-Ziel sowie Visionen für zukünftige Entwicklungen zu erarbeiten.
Welche Tipps können Sie Unternehmen geben, die inklusives Design für sich nutzen möchten?
Mein erster Rat ist: irgendwo anfangen. Man wird nicht von heute auf morgen inklusiv. Es ist eine langfristigste Arbeit und wichtig ist es, diese regelmäßig zu tun. Als weiteres würde ich allen empfehlen, die bei der Entwicklung von digitalen Produkten involviert sind, die Guidelines von Entwicklern (Google, Apple, Microsoft) und Standards (z.B. WCAG) zu lesen. Zudem gibt es bereits zahlreiche Tools (z.B. Kontrast oder Barrierefrei Checker) oder Vereine (z.B. Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein), um Insights zu sammeln. Es ist vor allem wichtig zu verstehen, welche aktuellen Mittel bereits existieren, um Produkte besser und anwendungsfreundlicher für alle zu gestalten.