Frontal-Angriff auf den wirtschaftlichen Stolz der Nation
Kommentar zur Kritik an Deutschlands Exportstärke
Wie stolz sind die Deutschen doch jedes Jahr, wenn die Außenhandelsbilanz veröffentlicht wird. Waren „made in Germany“ sind nun einmal heiß begehrt im Ausland, da klopft man sich gerne auf die eigene Schulter und hört Kritik von außen nicht gern. „Wir haben doch alles richtig gemacht“, sagt sich auch die Bundesregierung und weist die Kritik reflexartig zurück.
Natürlich ist es auch Neid, der bei der Debatte eine Rolle spielt, denn die USA greifen nicht einfach so eine große Wirtschaftsnation verbal an. Der eigenen, schwächelnden Exportwirtschaft auf die Beine zu helfen, liegt im ureigensten amerikanischen Interesse. Doch jetzt haben IWF und die EU nachgelegt und Deutschland ermahnt, seine Wirtschaftspolitik zu korrigieren, damit sich der hohe Überschuss in der Leistungsbilanz künftig verringert.
In der Theorie haben die Kritiker absolut Recht: Lehrt doch die Außenwirtschaftslehre, dass ein Land im mehrjährigen Durchschnitt ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht anstreben sollte. Experten warnen vor den Gefahren einer ständig positiven Leistungsbilanz: So drohen langfristig eine anziehende Inflation, wenn die Produktionskapazitäten im Inland nicht mehr ausreichen oder Zahlungsausfälle, wenn Abnehmerländer ihre aufgelaufenen Forderungen nicht mehr bezahlen können. Prominentestes Beispiel: Griechenland.
Der EU, allen voran Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn, ist diese so genannte Beggar-my-Neighbour-Politik schon lange ein Dorn im Auge. Damit ist eine exportunterstützende Politik mit dem Ziel gemeint, Wohlstand und Beschäftigung im Inland auf Kosten des Auslandes zu erhöhen. Doch welche Alternative haben deutsche Unternehmen zum Export, wenn sie wachsen wollen?
So zeigt sich bei aller Kritik an der Kritik ein strukturelles Problem der deutschen Volkswirtschaft – die anhaltende Investitionsschwäche von Staat und Wirtschaft. Die Deutschen sparen lieber, als sie investieren – ganz anders als beispielsweise die konsumorientierten Amerikaner. Laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beträgt die Investitionslücke pro Jahr drei Prozent der Wirtschaftsleistung, oder umgerechnet 80 Milliarden Euro. Darunter leidet die gesamte Eurozone, nicht zuletzt die Krisenländer, denen eine verstärkte Nachfrage aus Deutschland helfen würde.
Tobias Kempkes